Marc Maron hat einen Buchvertrag

Ja, die Meldung ist unglaublich, oder etwa nicht? Marc hat es mir eben selbst gesagt. Mir und ein paar Tausend Fans überall in der Welt in der neusten Episode seines Podcasts. Bevor Ihr mich fragt: Wer ist Marc Maron und wieso sollte es mich kümmern? Marc ist der Podcaster, von dem ich wirklich jede Folge höre. (Sorry Tim, sorry Philip.)

Der Reihe nach: Marc ist ein Komiker der C-Klasse in den USA und ein Prominenter der Klasse F. Das heißt: Viele Leute drüben meinen ihn Mal gehört oder gesehen zu haben. Das ist durchaus wahr: er tingelte durch Comedy-Clubs im ganzen Land, hatte sogar Mal eine TV-Show, moderierte Radiosendungen. Aber wenn man weiter fragt, kennt ihn keiner so richtig. Er ein Nobody. Noch dazu ein Nobody mit erheblichen Drogenproblemen und zwei gescheiterten Ehen. Aber ein Nobody im Showbusiness.

In über 20 Jahren Comedy, ungezählten Auftritten, Streitigkeiten und persönlichen Verwicklungen jeder Art ist er integraler Bestandteil der Szene geworden, die erstaunlich klein ist. Kaum jemand von Rang und Namen, mit dem er nicht schon getrunken und gekifft hätte, den er nicht Backstage getroffen oder mit dem er eine jahrelange Fehde ausgetragen hätte. Er war ein Comedy-Urgestein. Alleine: selbst nach 20 Jahren im Geschäft fehlte ihm die Nische, die sein Talent zur Geltung brachte. Die ihm wirklich den Erfolg brachte, den Amerika jedem überragenden Talent verspricht.

Das änderte sich in den letzten zwei Jahren erheblich. An einem persönlichen Tiefpunkt angelangt — Marc kann viel über Entziehungskuren erzählen — griff er zum Mikrofon und fing an sich mit seinen Kollegen zu unterhalten. Das Ganze nannte er „What the fuck“ und stellte es ins Internet.

In seiner unverblümten Art bietet Marc etwas, was Hollywood und die TMZ-Perez-Hilton-Berichterstattung geistig schon lange nicht mehr bewältigen konnten: Er zeigte seine Kollegen als Menschen. Manchmal auf sehr krude Art, in dem er sich über Masturbationsgewohnheiten austauscht oder Frauen fragt, ob sie witziger werden wollten, indem sie mit Komikern schliefen. Unter Komikern findet er jede Menge Gesprächsstoff, wenn sich über seine Drogenerfahrungen austauschen will: welche Psychosen löst Koks aus, welche Auswirkungen hat eine Vicodin-Überdosierung auf den Verdauungstrakt? Und dennoch strömen die Stars zu Marc Maron in die Garage: Ben Stiller, Patton Oswalt und Conan O‘ Brien waren schon zu Gast in der „cat ranch“, wie Marc sein Studio in der heimischen Garage nennt. Und nun hat er einen Buch-Deal. Mehr noch: er hat eine Comedy-Serie über sein Leben konzipiert und schon eine Pilotfolge abgedreht.

Sein Kapital: Marc ist authentisch. Und er kann etwas erzählen. Sein Gegenüber hat es schwer mitzuhalten, wenn Marc mit seinen persönlichen Enthüllungen anfängt: sein bipolarer Vater, seine Introspektion als nichtreligiöser Jude, der aber immer mit dem „jewy thing“ zu kämpfen hatte, seine Abstürze. Aber wer eine Komiker-Karriere eingeschlagen hat, hat zwangsläufig auch etwas zu erzählen. Zum Beispiel der Komiker, der beim Drehen eines Sketches für Mad-TV vor Live-Publikum die Kontrolle über seine Ausscheidungsorgane verlor. Oder der Produzent, der eine US-Comedy-Show nach Russland bringen sollte. Oder der Komiker, der im Mafia-Millieu aufgewachsen war, und der einen professionellen Killer abhalten musste, seine Karriere auf Don-Corleone-Art zu fördern. Die Prominenten und Semi-Prominenten erzählen auf offene Art — oder lügen, was das Zeug hält, wie Carlos Mencia, der eine Comedy-Todsünde begangen hat: er klaute regelmäßig die Witze anderer Comedians. Und Marc überführte ihn — nicht mit Videoaufnahmen oder investigativer Recherche, sondern anhand der Rückmeldungen, die er von anderen Kollegen bekam. Die Comedy-Szene als eingeschworene Community. Wer hätte es vermutet?

Was ich faszinierend finde: in seiner planlos wirkenden, manchmal verquatschten Art schafft es Marc, mir als westdeutschem Landgewächs eine neue Welt zu eröffnen, Einblick in die wirklich innersten Zusammenhänge einer Szene zu geben, die nur für maximal 90 Minuten am Stück öffentlich ist. Was zum Beispiel bedeutet YouTube für Komiker, die von Westküste zu Ostküste tingeln und immer nur die selben Nummern präsentieren? Wer schreibt Comedy Shows und was bedeutet es einen weltbekannten Talkmaster jeden Tag mit neuen Gags zu versorgen. Wie überleben Frauen in diesem testosterongetränkten Gewerbe? Wie funktioniert Comedy und woran scheitert sie? Wie geht man mit einem erbosten Zuschauer um, der einen auf offener Bühne niederschlagen will?

Da heutzutage jede einmalige Story ein Trend ist — siehe Amanda Hocking — leite ich aus meiner Fan-Eigenschaft einige Trends ab, die die Medienwelt der nächsten Jahrhunderte bestimmen werden:

  • Ein long tail verlangt einen hohen Arsch. Marc Maron profitiert von der Fernsehprominenz seiner Gäste. Würde er nur einen Kollegenkreis aus dem Hinterhof interviewen, wäre er nicht selbst zur Halb-Prominenz geworden. Er hätte kein Portrait in der New York Times bekommen, er würde nicht ständig berühmtere Kollegen vor das Mikrofon bekommen.
  • Authenzität muss man spielen können. Marc tut zwar so, als ob er unkontrolliert vor sich hin quasselt, man glaubt, dass er sein Leben mit den Hörern teilt. Und dennoch hat er die Dreharbeiten zu einer Serie zu seinem Leben, die ja einen beträchtlichen Teil seiner Arbeitszeit in Anspruch genommen haben, über Monate vorenthalten. Und als er von Everybody-loves-Raymond-Star Ray Romano gesponsort wurde, rief er jedes Mal bei ihm an und tat so als sei er kurz davor, den Plot von dessen neuen Serie zu verraten. Es war ein Sketch, eine Werbeannonce – und zwar eine schlechte.
  • Prominenz ist Arbeit, und zwar eine andere. Verabschieden wir uns von dem Prominentenbild, was wir zum Beispiel aus „Notting Hill“ kennen. Der Superstar von morgen muss sich immer mehr mit seinen Fans auseinandersetzen, nicht mehr nur mit Paparazzi und Promi-Reportern. Aber keine Bange: auch hier hat die Entertainment-Industrie schon die Rationalisierung eingeführt. Authenzität per Twitter lässt sich auch kaufen. So wurde Marc zur Vorbereitung der desaströsen Charlie-Sheen-Show eingeladen — und trommelte brav für dessen absurdes Comeback.
  • Deutsche Podcaster werden es auch weiterhin schwer haben. Um sein Podcast zu finanzieren, wirbt Marc auf geradezu unverschämte Weise für seine Sponsoren. Der Blumen-Service zu Valentinstag ist super, der Schick-mir-Dein-Foto-und-wir-schicken-ein-Ölgemälde ebenso und sie Sexspielzeuge von Adam & Eve sind super. Was wir hierzulande Schleichwerbung nennen, ist in den USA das Öl, das das Getriebe am Laufen hält. Wir können nur versuchen, das mit GEZ-Gebühren aufzufüllen.

Fuck JFK in the head

Ich wundere mich ja immer wieder, wie an sich intelligente Menschen auf Twitter Gerüchte und Behauptungen verbreiten, die an ihrem gesunden Menschenverstand zweifeln lassen. Hauptsache, die Falschmeldung oder die inkorrekte Zusammenfassung eines Sachverhalts passt ins eigene Weltbild oder in den Zeitgeist — und schon setzt die Medienkompetenz aus und die wildesten Geschichten werden weiter verbreitet.

Aber das Phänomen ist keinesfalls neu – Twitter macht es lediglich sichtbarer. Grade höre ich eine Folge des WTF-Podcasts in der US-Satire-Veteran Paul Krassner eine solche Episode beschreibt. Und Wikipedia erspart mir die Mühe, das in eigene Worte zu fassen. Hier steht:

Krassner’s most notorious satire was the article „The Parts That Were Left Out of the Kennedy Book“, which followed the censorship of William Manchester’s book on the Kennedy assassination, The Death of a President. At the climax of the grotesque-genre short-story, Lyndon B. Johnson is described as having sexually penetrated the bullet-hole wound in the throat of JFK’s corpse.[8] According to Elliot Feldman, „Some members of the mainstream press and other Washington political wonks, including Daniel Ellsberg of Pentagon Papers fame, actually believed this incident to be true.“[9] In a 1995 interview for the magazine Adbusters, Krassner commented: „People across the country believed – if only for a moment – that an act of presidential necrophilia had taken place. It worked because Jackie Kennedy had created so much curiosity by censoring the book she authorized – William Manchester’s ‚The Death Of A President‘ – because what I wrote was a metaphorical truth about LBJ’s personality presented in a literary context, and because the imagery was so shocking, it broke through the notion that the war in Vietnam was being conducted by sane men.“[10]

Ein Satiriker beschreibt den US-Präsidenten nicht nur als Nekrophilen, er wählt dafür auch das symboilischste und gleichzeitig — aus heutiger Sicht — unglaubwürdigste Szenario. Doch der Symbolismus, dass der Oberbefehlshaber im Vietnam-Krieg verrückt ist, dass er sich nicht nur am politischen Erbe, sondern buchstäblich am Körper der Lichtgestalt John F. Kennedy vergeht — das schaltete die Zweifel aus.

Die Sendung mit dem Geld

Einer der spannendsten Podcasts ist für mich zur Zeit eine Sendung des National Public Radio: Planet Money.

Die Sendung startete Ende 2008, als die Finanzkrise begann sämtliche Schlagzeilen zu bestimmen. Aber das Team um Adam Davidson und Laura Conaway verfällt nicht in die übliche Panik-Berichterstattung, sondern geht engagiert daran, die Wirtschaft tatsächlich zu verstehen

Statt mit großspurigen Analysen und nicht vorhandener Kompetenz anzugeben, stellt Planet Money kleine, konkrete Fragen – und findet immer wieder interessante Antworten. So wird in dieser Folge geklärt, was hinter der vermeintlichen chinesischen Kapitalflucht verbirgt und wieso wir ein solches Problem haben, große Zahlen zu verstehen.

Die Sendung richtet sich explizit an Nicht-Experten – Leute, die bisher nichts über Zinsderivate, Konsumelastizitäten und Giralgelder wussten. Serviert wird das in einer Weise, die gleichzeitig sehr locker und doch ernsthaft ist. So wird der Korrespondent David Kestenbaum aus seinem Haus in New York zugeschaltet, die Volontärin Caitlin Kenney posiert in kleinen Inszenierungen mal als unzuverlässige Kreditnehmerin, mal als menschliche Geldzählmaschine. Manchmal möchte man wünschen, dass einige Investoren und Banker die Sendung hören, damit sie wieder eine Ahnung bekommen, was sie überhaupt machen, welche Konsequenzen ihre tägliche Arbeit für die Welt da draußen haben kann.

Die Wirtschaft, dieses komplexe Monster, das selbst Nobelpreisträger immer wieder überfordert, wird zerlegt und damit gezähmt. Wir müssen keine Angst vor der diesem unverständlichen Ungetüm haben, sind keine Opfer die nicht verstehen können, was passiert. Nein: wir können Fragen stellen. Und Antworten bekommen.

Planet Money arbeitet auch mit This American Life zusammen und hat die sehr hörenswerten Einstünder Bad Bank und The Giant Pool of Money produziert.

Kanzler ist…

Die Merkel-Podcasts kosten pro Folge 10800 Euro!

Vielleicht sollte ich dem Kanzleramt eine Erweiterung vorschlagen. Wie wäre es mit einer kleinen Rubrik „Kanzler ist…“? Für nur 500 Euro pro Woche könnte ich Merkel auf die YouTube-Liste der größten Peinlichkeiten hieven.

Kanzler ist…

… Koalitions- statt Tafelrunden!
… wenn Du die Quadriga täglich nur von hinten siehst.
… Flugbereitschaft in die Uckermark statt Airforce One nach Bagdad.
… wenn Anne Will ständig einen Stuhl für dich frei hat.

Copy & Podcast

Auf meine Anmerkungen zum Infotainment Podcast gibt es eine Antwort der Betreiber

Der Infotainment Podcast verfügt über verschiedene Recherche Kanäle. Natürlich auch das Internet und selbstverständlich auch Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Deswegen wurde auch bereits von Anfang an unter der Rubrik “Impressum” mit einem entsprechenden Hinweis auf Wikipedia verlinkt.

Dieser wurde anscheinend von “Notizblog” übersehen, weswegen sich der Link nun auf der Startseite befindet.

Dem Infotainment Podcast geht es in keinster Weise darum, einfach einen Wikipedia-Artikel zu vertonen und diesen Online zu stellen. Wir sehen uns als eine weitere interessante Möglichkeit, auf unterhaltsame Art und Weise Informationen aus verschiedenen Kanälen zu bündeln und an Wissensdurstige weiter zu geben. Da es sich hierbei um keine wissenschaftliche Arbeit, sondern “nur” um einen Podcast handelt, hielten wir eine exakte Quellenangabe für überflüssig. Wir bedanken uns hiermit herzlich bei allen Autoren und Mit-Autoren von Wikipedia für deren unermüdlichen Einsatz in Pflege und Vervollständigung der wahrscheinlich umfassendsten Enzyklopädie der Welt.

Wie schon in den Kommentaren des Infotainment-Podcasts erwähnt: Ein Link irgendwo auf der Webseite ist keine Quellenangabe. Eine Quellenangabe besteht darin, dass man explizit erwähnt, was von wem übernommen wurde. Bei reinen „Recherchekanälen“ ist das nicht unbedingt nötig, wenn man jedoch abschnittsweise zitiert schon. Und wenn man Wikipedia-Texte nicht nur zitiert, sondern in seine Arbeit übernimmt, dann muss man dazu auch noch die Wikipedia-Lizenzbestimmungen erfüllen. Ansonsten muss man sich die Arbeit machen und die Fakten in eigenständige Texte einarbeiten.

Dass es der Entertainment-Podcast aber nicht bei der Übernahme von Fakten belässt, zeigt eine kleine Textprobe der neusten Episode:

Angefangen hat alles im Jahr 1968. Ein gewisser Spencer Silver von der Minnesota Mining and Manufacturing Company – uns allen besser bekannt unter dem Abkürzel 3M – beginnt mit der Entwicklung eines neuen Superklebers, welcher stärker als alle bis dahin bekannten Kleber werden sollte. Nach langem Forschen und Ausprobieren war das Ergebnis seiner Arbeit jedoch nur eine klebrige Masse, die sich zwar auf allen Flächen auftragen ließ, jedoch auch genauso leicht wieder abzulösen war. Silver stellte resigniert fest, dass dies nicht wirklich der gewünschte Superkleber war, den er kreieren wollte. Also wurde eine kleine Notlösung gefunden: 3M produzierte daraus eine Pinnwand, die jedoch ohne Pins auskam. Das Board wurde mit dem Klebstoff bestrichen, so dass sich Zettel einfach hinkleben und wieder ablösen ließen. Das Board war ein Mega-Flop Silvers Kleber geriet in Vergessenheit.“

Der Wikipedia-Artikel Klebezettel liest sich heute dagegen so:

1968 beschäftigte sich Spencer Silver von der Minnesota Mining and Manufacturing Company [Link zu 3M] mit der Entwicklung eines neuen Superklebers, welcher stärker als alle bekannten Kleber werden sollte. Das Ergebnis seiner Arbeit war jedoch nur eine klebrige Masse, die sich zwar auf allen Flächen auftragen ließ, jedoch auch genauso leicht wieder abzulösen war. Das einzige Produkt, das sich daraus entwickelte, war eine Art Pinnwand, die jedoch ohne Pins auskommen sollte. Das Board wurde mit dem Klebstoff bestrichen, so dass sich Zettel einfach hinkleben und wieder ablösen ließen. Da sich dieses Board nur schlecht verkaufte, wurde es vom Markt genommen und die Erfindung von Spencer Silver geriet in Vergessenheit.

Wie man unschwer sieht, wurde hier der Wikipedia-Artikel lediglich leicht überarbeitet. In der gleichen Art geht es weiter. Wer sich an Vergleichsspielen erfreut kann sich ja den Podcast in voller Länge anhören und dazu auch noch einige andere Quellen vergleichen. Da wäre zum Beispiel ein Artikel der FAZ, der in ähnlicher Weise „recherchiert“ wurde. Weitere Quellen sind mit Google zu finden.