Fließbandurteile zu P2P?

Michael Seidlitz macht auf eine interessante Variante der Filesharing-Rechtsprechung aufmerksam. Ein Familienvater wurde von einer Spielefirma auf Unterlassung verklagt, weil von seinem Anschluss aus ein Computerspiel in eine P2P-Börse hochgeladen worden sei. Der verteidigt sich damit, dass er so etwas in seiner Familie ausdrücklich verboten habe und außerdem nur Port 80 an seinem Modem freigegeben habe (was auch effektiv Online-Banking und E-Mail-Clients blocken würde).

Das Landgericht Köln meinte jedoch, dass diese Maßnahme nicht ausreichte, der Mann war schlichtweg nicht sorgfältig genug:

Er hätte auch weiterhin wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzungen ergreifen müssen. Hierzu war er als Inhaber des Internetanschlusses auch unzweifelhaft in der Lage. So hätte ein eigenes Benutzerkonto mit beschränkten Rechten eingeräumt werden können. Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer wirksamen „firewall“ möglich und zumutbar gewesen, durch die die Nutzung einer Filesharing-Software verhindert werden kann (vgl. auch LG Hamburg ZUM 2006, 661). Auch andere technische Möglichkeiten, wie die Nutzung bestimmter Modems hat der Beklagte nicht dargelegt (vgl. hierzu insgesamt bestätigend, zuletzt, OLG Köln, Beschluss vom 11.09.2009, Az. 6 W 95/09). Der Vortrag des Beklagten, es sei lediglich der Port 80 des Modems freigegeben gewesen, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, da der Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass diese Freigabe lediglich durch ihn zu ändern gewesen wäre.

Wie sorgfältig das Landgericht Köln den Fall geprüft hat, offenbart auch eine nur flüchtige Lektüre des Urteils:

Am 15.12.2009 um 10:08:14 Uhr MEZ ermittelte die von der Klägerin beauftragte Firma L… AG – nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerin -, dass das Computerspiel „R… o…“ durch einen Nutzer mit der IP-Adresse … im Rahmen eines Filesharing-Systems im Internet zum Herunterladen verfügbar gemacht wurde. Hierbei ermittelte die Firma L…, insoweit ebenfalls nach dem streitigen Vortrag der Klägerin, dass aufgrund eines Abgleichs des Hash-Wertes der Originalspielfilm zum Abruf bereit gestellt wurde.

Hiernach hätte es dem Beklagten nicht nur oblegen, den zugangsberechtigten Dritten ausdrücklich und konkret zu untersagen, Musik mittels Filesharing-Software aus dem Internet herunterzuladen.

Aber wer will es den Richtern verübeln, dass sie bei einer solchen Schwemme von P2P-Verfahren ihre Urteile aus Textbausteinen zusammensetzen? Es wäre aber nett, wenn die Bausteine auf den Tatbestand passen.

P.S.: Noch ein schönes Beispiel findet sich bei Anwalt24 um den Urheberrechtsstreit über das Filesharing eines Produktes des Brockhaus-Verlags.

Das Amtsgericht Magdeburg machte mit dem Anschlussinhaber kurzen Prozess: Es gab der Klage der Rechteinhaberin mit Urteil vom 12.05.2010 in vollem Umfang statt (Az. 140 C 2323/09) und verurteilte diesen zur Zahlung von insgesamt 4.128,58 € zuzüglich Prozesszinsen. Der zuständige Richter gab dabei für die Bemessung des hohen Streitwertes eine wenig überzeugende Begründung ab. Er verwies lediglich darauf, dass das Werk hier einer unbegrenzt großen Personenzahl zur Verfügung gestellt worden sei, ohne auf die näheren Umstände des Einzelfalles einzugehen. Hinsichtlich der Schadensersatzforderung in Höhe von über 3.000,- € hatte er keine Bedenken. Es sei aufgrund der Verbreitung an eine unbestimmt große Personenzahl nicht zu beanstanden, dass die Rechtsinhaberin den doppelten Verkaufspreis als Schadensersatz fordert.

4128,58 Euro sind für eine doppelte Brockhaus-Enzyklopädie wahrhaftig günstig. Die 30-bändige Ausgabe kostet immerhin 3270 Euro. Jedoch ging es nicht um diese Luxus-Print-Ausgabe, sondern eine vergleichsweise billige DVD-Ausgabe „„Der Brockhaus multimedial 2006“. Die aktuelle Premium-Ausgabe kostet gerade einmal 99,95 Euro.