Der wichtigste Werbemarkt

Es gibt zwei gänzlich verschiedene Werbemärkte. Der vielleicht unwichtigere Teil des Geschäfts ist, wenn Kunden überzeugt werden für ein Produkt Geld auszugeben. Die Milliarden Dollar Werbeumsätze kommen aber zusammen, weil die Werbetreibenden überzeugt werden, für Werbung Geld auszugeben. The Correspondent hat einen schön zu lesenden Artikel über die Welt der Onlinewerbung veröffentlicht. Kurzum: Die Zahlen, die aufgeregt herumgereicht werden, sind oft wertlos. Das kann ich absolut unterschreiben.

Leider wird der Artikel in der zweiten Hälfte etwas über-aufgeregt. Aus Anekdoten wird geschlossen, dass es quasi unmöglich ist, Werbeausgaben rational zu verteilen. Und es wird der Eindruck erzeugt, dass quasi alle Zahlen wertlos sind. Was natürlich nicht stimmt, weil die Kronzeugen des Artikels ja selbst Zahlen errechnen – nur halt andere.

Die Anekdote, dass Ebay viel Geld verschwendet hat, indem Manager Suchanzeigen für den eigenen Markennamen gekauft haben, ist anschaulich und zeigt die Lächerlichkeit des Geschäfts. Wenn man keine Werbung kauft, dann zeigt Google den Link zur eigenen Website schließlich umsonst an. Ha, was für Idioten!

Mit etwas Kontext wird das vermeintlich idiotische Geschäft von Ebay weniger lächerlich: In den Anfangszeiten des Suchmaschinenmarketings konnte ein Ebay-Konkurrent einfach das Suchwort Ebay kaufen und Werbung für die eigene Plattform darüberschalten. Über die Rechte an Keywords wurde hart und lange gerichtlich gestritten. Wenn Ebay nicht Anzeigen mit dem eigenen Namen kaufte, machte es womöglich jemand anders. Zudem lieferte sich Ebay mit Amazon über Jahre einen Anzeigenkrieg um die bloße Sichtbarkeit. Egal welche Ware man suchte, man sollte zuerst zu Ebay gelangen. Zudem operieren viele Unternehmen auch mit der Annahme, dass ein großes Werbebudget ihnen den guten Willen Googles oder Facebooks erkaufen kann.

Die Grundthese des Artikels ist, dass sie verschiedenen Marketing-Verantwortlichen durchweg davon profitieren, von viel zu hohen Zahlen auszugehen. Selbst wenn man für die Firma arbeitet, die Millionen Euro an Werbebudget verschwendet, ist das nicht unbedingt das Problem des zuständigen Managers. Denn mit dem Etat steigt seine Bedeutung. Von diesem Phänomen wurde mir schon öfters berichtet.

„Bad methodology makes everyone happy,” said David Reiley, who used to head Yahoo’s economics team and is now working for streaming service Pandora. „It will make the publisher happy. It will make the person who bought the media happy. It will make the boss of the person who bought the media happy. It will make the ad agency happy. Everybody can brag that they had a very successful campaign.“

Ja, die Werbebranche operiert mit schamlosen Übertreibungen. Sie operiert aber auch recht schamlos mit Adtech, mit der es möglich ist, Nutzer ziemlich weit zu verfolgen. Die im Artikel beschriebenen Werbemethoden sind eigentlich völlig veraltet. Heute versuchen Giganten wie Google nicht einfach nur darauf zu gucken, wo ein Nutzer auf einen Link geklickt hat. Google erfasst auch, wie oft der Kunde die Anzeige im eigenen Netzwerk vorher schon gesehen hat. Wenn der Werbetreibende entsprechende Dienstleister hat, geht das sogar über die Grenzen von Googles Werbenetzwerk hinweg.

Zudem gehören A/B-Tests zur Branchenpraxis und sind keine Geheimpraxis von wenigen eingeweihten Ökonomen. Wer wissen will, ob eine Anzeigenkampagne wirkt, kann zum Beispiel nur Nutzer in Düsseldorf buchen und anschließend schauen, was sich in den lokale Filialen tut. Anschließend werden die Daten es mit anderen Fillialen verglichen. Wenn man das Experiment nicht in Düsseldorf, sondern zum Beispiel in Albuquerque startet, kann man zudem einige interessante zusätzliche Daten auswerten. Zum Beispiel kann das Shopsystem die Blootooth-ID des Handies des Kunden identifizieren. Seinen kompletten Weg durch den Laden erfassen. Seine Kreditkartendaten gehen an einen Dienstleister, der die Daten wieder der Werbeindustrie zur Verfügung stellt.

Natürlich kommt man mit all den Daten nicht gänzlich um die Kausalitätslücke herum. Vielleicht kauft der Kunde ja nicht wegen der Anzeigen, sondern zum Beispiel weil es grade regnet. Das ist sicher möglich — aber natürlich wird längst auch schon das lokale Wetter für Werbenetzwerke erfasst.

Neben der Vielzahl an Datenquellen gibt es auch eine Vielzahl von Geschäftsmodellen. Wenn man ein Handelskonzern ist, der drei Radiokampagnen und 15 Online-Kampagnen parallel laufen hat, wenn man ein weltweites Netz von 5000 Filialen hat, ist es natürlich unmöglich den genauen Nutzen eines Werbe-Dollars zu errechnen. Doch die meisten Unternehmen sind viel, viel kleiner.

Wir können uns beispielsweise an die Groupon-Hysterie erinnern, wo Restaurants und kleine Onlineshops weltweit von der Wirksamkeit des Portals schockiert waren und die buchstäblich pleite gingen, weil die viel zu hohen Rabatte viel zu häufig in Anspruch genommen wurden. Es herrschte keine Verwirrung woher die Kunden kamen — schließlich hatten sie Gutscheine. Ob die Kunden dann zurückkamen, war im Extremfall nicht mehr wichtig. Denn der Laden war ja bereits pleite. Werbung wirkt manchmal sogar zu viel.

Anzeige wegen einer Anzeige

Ich berichte nun schon einige Jahre über Online-Werbung und manches begreife ich einfach nicht. Zum Beispiel: Warum gibt es immer noch „Rogue Redirects“ – also auf Websites eingeschmuggelte Werbeskripte, die den Nutzer auf einer fremde Betrugs-Website umleiten?

Ich habe im vergangenen Jahr schon mal über die Nerv-Pop-Ups berichtet. Und viele andere haben es auch getan. Doch obwohl eigentlich jeder Marktteilnehmer über die Masche Bescheid weiß, klappt sie immer noch. Es ist auch furchtbar einfach: Man bucht unter falschem Namen Werbeplätze auf mehr oder weniger renommierten Websites und sobald die Auslieferung beginnt, schiebt man dem Werbe-Netzwerk eine kleines Zusatz-Skript unter.

Als Nicht-Branchen-Insider nahm ich an, das Thema wäre schnell gegessen. Wenn Google, Appnexus und Co endlich mal auf den Dreh gekommen sind und auf die Dringlichkeit des Problems hingewiesen werden, dann basteln sie schnell einen Filter. Dieser Filter muss ja nichts besonderes können. Er muss nur die Frage beantworten: Öffnet dieses Skript ohne Nutzerinteraktion eine neue Website, die wir nicht kennen? Doch niemand programmiert diesen Filter und schaltet ihn frei. Und so geht es immer weiter. Mal werden Schrott-Apps verhökert, mal werden die persönlichen Daten der Opfer meistbietend verkauft.

Was auch erschreckend ist: Das Schweigekartell. Ich habe Dutzende von Firmen drauf angesprochen, wieso denn solche Betrug seit Jahren toleriert wird. Auch viele Medien, die diese zutiefst rufschädigenden Skripte auf ihren Webseiten ausgeliefert hatten, schweigen zu den an sich sehr einfachen Fragen: Woher kam die Anzeige? Und was wollt ihr dagegen tun?

Heute habe ich mal eine neue Methode ausprobiert. Als ich von der Website des Kölner Stadt-Anzeigers auf eine Scareware-Website weitergeleitet wurde, die mir etwas von der Vireninfektion meines Computers vorgelogen hat und die mir irgendeine Adware installieren wollte, habe ich Strafanzeige gegen unbekannt gestellt.

Es wäre doch zu schön, wenn sich die nagelneuen auf Internetvergehen spezialisierten Kommissariate und Staatsanwaltschaften mal diesem Problem widmen, das nur existieren kann, wenn die Betrüger tagtäglich tausende Opfer finden, wenn in der langen Lieferkette der Online-Werbung niemand Identitäten der Kunden überprüft. Ich wünsche mir, dass bei den Firmen endlich Ermittler anrufen, denen es egal ist, wenn die Beihilfe zum Betrug durch Non-Disclosure Agreements abgedeckt ist. Und die auch zur Vernehmung vorladen können. Denen ein „Passiert garantiert nicht wieder“ nicht reicht, sondern ein wenig Druck machen. Es müsste ja gar nicht so viel Druck sein. Nur so viel, dass es sich nicht mehr rechnet den kriminellen Abschaum der Werbebranche auf seine Plattformen zu lassen.

Der 99 pixel store

Wenn man den Adblocker abschaltet, sieht man erst wie viel FAIL im Web doch steckt.

Zum Beispiel Tiffany & Co. Eigentlich bekannt für hochqualitative und hochpreisige Ware, präsentiert sich die Firma im Web mit diesem Banner.

So viele JPG-Artefakte habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Sind das Diamanten oder ist das in Formen geschmiertes Schweinefett? Wir können nicht sicher sein. Alleine schon die Verunstaltung des Schriftzuges „Tiffany & Co“ zeigt einen himmelschreienden Mangel an Qualitätskontrolle, der der Firma nicht zu Ehren gereicht.