Sollte am Freitag das Leistungsschutzrecht verabschiedet werden, kann ich Sie hiermit beruhigen: Das Internet wird nicht sterben. Google wird nicht sterben. Ob die Verlage leben werden? Ich bin nicht so sicher.
Die Wahrheit ist: Die, die es beschließen sollen, wissen gar nicht so recht, was mit dem Leistungsschutzrecht bewirkt werden soll. Sie haben keine Ahnung, was denn nun konkret der Gegenstand des Gesetzes ist, wie sich die Neuregelung in der Praxis auswirken wird oder welche Prinzipien sie denn schützen. Vorgestern hatte ich noch auf Twitter ein paar Parlamentarier nach dem Leistungsschutzrecht befragt. Sie haben die vage Hoffnung, dass Google, der Datenmoloch, der US-Milliardenkonzern, der Web-Fastmonopolist künftig für die eine Dienstleistung zahlen wird, die wichtig ist für die Demokratie: Verlässliche Information, Debattenraum jenseits der Schreierei. Google-teilfinanzierte Medien sind doch besser als noch mehr GEZ-finanzierte Medien?
Aber: Google wird auch nicht zahlen — zumindest nicht mehr als für die Anti-Leistungsschutzrecht-Kampagne, für die Google massenhaft Werbeplätze bei den Verlagen buchte, gegen die der Konzern kämpfte. In Frankreich hat der US-Konzern nur ein Pseudo-Geschäft abgeschlossen — eine Gesichtswahrung für die Verleger. Ob das in Deutschland möglich ist — ich bezweifle es. Google will nicht noch mehr Präzendenzfälle schaffen.
Fest steht: Kein Verlag, der im Internet tätig ist, kann es sich derzeit leisten, dass Google ihn ausschließt. Rupert Murdoch hat es versucht, die belgischen Verleger haben es versucht — ohne Erfolg. Google hat sich auf vielen Ebenen unentbehrlich gemacht. Mit Android. Mit Chrome. Vor Jahren habe ich mit Entsetzen beobachtet, wie Leute neben mir die simpelsten Webadressen nicht in die Adresszeile des Browsers eingaben, sondern immer den Weg über Google gingen. „Googeln“ steht im Duden, doch können die Sprachwärter kaum erfassen, wie sehr Google hierzulande mit dem Internet verwachsen ist. Wer auf Google Maps falsch eingetragen ist, bekommt keine Besucher mehr, muss selbst seinen freunden Anfahrtsskizzen schicken. Wer sein Gewerbe auf Google+ nicht eingetragen hat, ist ein nackter Datenpunkt, unattraktiv und alt. Wer nicht auf YouTube ist, kann auf das GEMA-Videoportal warten. Lange.
Doch wie sieht es aus für die anderen? Sie haben keine Ahnung. Es wird Abmahnungen geben von Idioten, die zehn vermeintlich kopierte Wörter als schutzwürdig erachten. Gerichte werden ihnen recht geben, weil im Gesetz schlichtweg nicht drin steht, was denn nun der Schutzgegenstand ist. Im Vertrauen darauf, dass das die Verlage schon verantwortungsvoll regeln. Doch schlechte Neuigkeiten: Verlage sind nicht die einzigen Mitspieler. Abzocker gibt es zu Hauf. Und sie finden Anwälte. Deutsche Suchmaschinen werden schließen — aber Moment mal: gibt es deutsche Suchmaschinen? Immerhin kann uns das Leistungsschutzrecht nicht wegnehmen, was wir nicht haben.