Joost’s got Second Life disease

Von overhyped zu underappreciated – die Videokonserven-Revolution Joost hat die second life disease. War das Startup zu Beginn in aller, aller Munde, kräht heute kein Hahn mehr danach.

Ab morgen klappt der Joost-Client nicht mehr. Um nicht in negativen Schlagzeilen unterzugehen, hat sich Joost in den letzten Tagen mit Positivmeldungen eingedeckt: Facebook-Applikation, iPhone-Applikation und Independent-Bands – nichts ist zu hip für Joost, Jetzt noch schneller, besser, superer im Browser!

Aber es interessiert einfach niemanden mehr. Tidbits – das ist schon alles.

Aber nein: Pressetext Austria steht der Firma treu zur Seite. Die Meldung beginnt mit dem Satz:

Die On-Demand-Plattform Joost http://www.joost.com will sich endgültig als YouTube-Killer auf dem heiß umkämpften Markt für Online-Videos etablieren.

Ob ich mich nächste Woche daran mache, Rudolf Augstein, Helmut Schmidt und John F. Kennedy abzulösen? Natürlich endgültig.

Ach ja: Warum Joost niemanden mehr wirklich interessiert, können deutsche Jon Stewart-Fans sehr gut nachvollziehen. Zwar hat Joost nun endlich einen Channel für die Daily Show, deutsche Surfer bekommen allerdings nur die Fehlermeldung:

Sorry, this channel is not available in your country.

Komisch – das Original darf ich mir ohne künstliche Grenzen ansehen.

Probleme für Joost – nur welche?

Die Süddeutsche Zeitung hat einen kritischen Artikel zu Joost veröffentlicht, in dem der Autor Burkhard Reitz das schwierige Marktumfeld des Internet-TV portraitiert. Viele Kollegen haben diesen Punkt in ihrer Berichterstattung über den Joost-Hype vergessen. Leider geht Reitz meiner Meinung nach etwas weit in seinen Schlussfolgerungen.

Aber: Kein gut geführter Sender würde die Vermarktung seiner Inhalte langfristig mit einem Plattformbetreiber teilen oder komplett abtreten.

Hier rächt sich, dass der Artikel nicht ein einziges Mal den Unterschied zwischen Joost und den anderen zahlreichen Internet-Fernseh-Angeboten erwähnt: Joost ist eine Peer-to-Peer-Technologie. Sprich: das Verbreiten der Inhalte soll über Joost sehr viel billiger werden als bei den anderen Plattformen. Und auf einen solchen Deal würden sich wohl viele Inhalteanbieter einlassen – besonders wenn die heute bereits unüberschaubare Vielzahl von Video-Angeboten im Netz die Investitionen in eigene Produkte immer schwerer werden lässt. Skype war auch nur eines von vielen, vielen Internet-Telefonie-Angeboten – und auch hier haben die vielen Provider und Telefongesellschaften lieber ihre eigenen Plattformen aufgebaut.

Der Haken dabei: Joost hat das Kunststück noch nicht geschafft, den besagten billigen Vertriebskanal zu schaffen. Ob Internet-TV auf P2P-Basis überhaupt technisch funktioniert, muss sich erst noch zeigen. Im derzeitigen Zustand ist Joost schlichtweg noch nicht reif genug, die Betreiber müssen einen Weg finden die geringen Upload-Bandbreiten der Massenkundschaft auszugleichen und dennoch ein ansprechendes Fernseh-Erlebnis zu schaffen. Content-Partnerschaften sind sicher auch wichtig, aber erst der zweite Schritt.