Die Lafontaine-Verteidigung

Im SpOn-Interview muss sich Josef Ackermann aller Klischees des Manager-Daseins erwehren. Er wählt die Lafontaine-Verteidigung:

Ackermann: Das sind doch Klischees! Manager müssen sich ständig mit der Realität auseinandersetzen. […] Ich habe immer wieder erlebt, dass manche Freunde und Freundinnen meiner Tochter ganz enttäuscht waren, weil wir nicht so leben, wie sie es gedacht haben. Jüngst habe ich ein Foto von Oskar Lafontaines Villa gesehen: Der lebt wesentlich prunkvoller als ich. Wird dem je vorgehalten, dass er sich vom normalen Leben entfernt hat?

Wie abgehoben muss man sein, dass man von der Abgehobenheit Lafontaines nichts mitbekommt?

Ach ja:

Viele von uns könnten sehr viel mehr verdienen, wenn sie in die USA oder zu Private-Equity-Firmen gingen.

Oh ja, die Headhunter stehen Schlange um deutsche Führungskräfte in die USA zu importieren.

StudiVZ: Gekürztes Zitat wird zu einem halben Dementi

Ich hab ja schon mit Spannung auf das Dementi von StudiVZ gewartet – nun ist es da.

Richtigstellung zum heute erschienenen Spiegel Online Artikel vom 27.02.08
Marcus Riecke, CEO studiVZ: Falsch-Zitat durch Spiegel Online, das bereits zurück genommen worden ist

Berlin (ots) – Marcus Riecke, CEO studiVZ: „Das heute auf Spiegel Online erschiene Interview hat die Redaktion mit einem angeblich von mir stammenden Zitat als Überschrift eröffnet. Dieses Zitat ist in dem Interview nicht von mir getätigt worden. Die Spiegel Online-Redaktion hat daher die betroffene Passage korrigiert und das Zitat entfernt.

Mal abgesehen von der wirklich schrecklichen Sprache dieser Verlautbarung – Es stimmt: die verkürzte Überschrift

StudiVZ-Boss Riecke: „Gott sei Dank dürfen wir Kiffer-Daten jetzt herausgeben“

wurde ersetzt durch das unlesbare

StudiVZ-Boss Riecke: „Gott sei Dank dürfen wir bei Ermittlungsersuchen Daten jetzt herausgeben“

Bloß: Die Langfassung des Zitats steht jedoch weiterhin im Artikel. Und ist somit von StudiVZ nochmals abgesegnet.

SPIEGEL ONLINE: Welche Konflikte?

Riecke: Wir stehen da zwischen den Fronten. Auf der einen Seite der Datenschutz, auf der anderen Seite die Ermittler. Das Telemediengesetz verbietet uns, ohne Zustimmung der Nutzer Nutzungsdaten zu speichern. So hat der BGH vorigen Herbst entschieden. Die Kripo- und LKA-Beamten verlangen aber genau diese Daten von uns, die wir laut Datenschützern nicht speichern dürfen. Deshalb haben wir die Nutzer der Speicherung der Nutzungsdaten zustimmen lassen.

SPIEGEL ONLINE: Konkret: Zu Ihnen kommt ein Staatsanwalt mit 30 Fotos aus StudiVZ-Profilen, die Leute anscheinend beim Kiffen zeigen. Er verlangt Klarnamen zu den Profilen und allen Kommentaren. Was machen Sie?

Riecke: Gott sei Dank dürfen wir bei Ermittlungsersuchen solche Daten nun herausgeben. Nutzungsdaten speichern wir bei allen Nutzern, die uns das erlaubt haben durch ihre Einwilligung.

Das ist zwar etwas länger, aber die verheerende Botschaft ist die gleiche: Wir wollen die Daten unserer Nutzer gar nicht schützen. Wir kämen nicht mal auf die Idee ein solch absurde Anfrage abzuweisen oder zu hinterfragen. Wir sind sogar froh, da behilflich zu sein. Gott sei Dank haben uns die User da völlig freie Hand gegeben. Und die Hauptsache ist doch, dass unsere Nutzer passende Werbung bekommen.

In dem Dementi wird diesem Eindruck nicht wirklich widersprochen:

studiVZ wird Daten seiner Mitglieder nur bei offiziellen Ermittlungsersuchen an Strafverfolgungsbehörden weiter leiten. Diese Daten werden im Übrigen nur mit der Zustimmung jedes einzelnen Nutzers von studiVZ gespeichert. Der Bezug zu Fotos mit Drogen konsumierenden Jugendlichen wurde einzig von der Redaktion von Spiegel Online fälschlich hergestellt.

Wohlgemerkt: Der Zusammenhang wurde in Form einer Frage verpackt. Und dieser Zusammenhang wurde nicht zurückgewiesen, sondern mit einem „Gott sei Dank“ bestätigt. Jetzt hat StudiVZ zum zweiten Mal die Gelegenheit verpasst eine empfehlenswertere Antwort zu geben.

PS: Im internen Blog namens klartext. Nach einer ausführlichen und – salopp formuliert – nicht ganz korrekten Zusammenfassung der Ereignisse erklärt ein StudiVZ-Angestellter:

Nebenbei gesagt gab es noch nie eine Anfrage zu Cannabiskonsum.

Hätte Herr Riecke das gleich gesagt, wäre viel Porzellan nicht zertrümmert worden. Neben dem unausrottbaren Kifferbilder-Beispiel steht nun auch eine kleine Kriegserklärung der StudiVZ-Mitarbeiter an die Presse im Raum. Krisen-PR aus dem Lehrbuch. Aber nicht zum Nachmachen.

Der Interview-Skandal und die Konsequenzen

Das Online-Medien-Magazin DWDL hat eine sensationelle Exklusiv-Meldung: In zwei ganz unterschiedlichen Medien erschien doch tatsächlich das gleiche Interview mit Joaquin Phoenix. Dieses schockierende Rechercheergebnis bleibt nicht ohne Konsequenzen:

Bei zwei fast identischen Interviews in der aktuellen „OK!“ aus der Verlagsgruppe Klambt sowie dem monatlichen Kulturmagazin „U_mag“ aus dem Hamburger Bunkverlag war die Frage unumgänglich: Wie konnte es dazu kommen? […] Und es klärt sich, wie es zu der Panne kam: Offenbar hatte niemand bei der „OK!“ die Nachfrage gestellt, ob das Interview exklusiv zu bekommen sei. Zwar bewirbt die „OK!“ das Interview nicht als exklusiv“

Hmm. Ein nicht als exklusiv gekennzeichnetes Interview war nicht exklusiv. Der Autor wurde ordnungsgemäß bezahlt, der Leser wurde nicht getäuscht. Also doch kein Skandal? Doch, meint DWD. Denn:

doch den Anspruch des neuen Wochentitels („Das Exklusivmagazin der Stars“) mit versprochenen Exklusivstorys dank des weltweiten „OK!“-Netzwerks wird es nicht gerecht.

Hmm – der hirnlose Werbeclaim eines Promi-Magazins zum Kampfpreis von einem Euro ist nicht hundertprozentig befolgt worden? Ruft den Presserat. Besser noch: die Dorfältesten!

Vor einer Selbstblamage kann sich DWDL nur retten, da die OK-Redaktion ein Einsehen hatte und die erschütternde DWDL-Recherche mit den angemessenen Konsequenzen belohnt. Keine personellen Konsequenzen freilich, sondern:

So bleibt die nicht sehr vorteilhafte Interview-Panne beim neuen Wochentitel des Klambt Verlag hängen. „OK!“-Chefredakteur Klaus Dahm zieht die notwendigen Konsequenzen aus der Situation: „Wir werden uns künftig schriftlich bestätigen lassen, dass ein Interview im ‚Exklusivmagazin der Stars‘ auch exklusiv ist“, sagt Dahm am Freitag gegenüber DWDL.de

Oder sie werden den hirnlosen Claim unter den Tisch fallen lassen und darauf vertrauen, dass Star-Interviews sowieso inhaltsleeres Gewäsch sind, das durchaus 15 Mal durch die internationale Yellow Press gewalzt werden kann.

BTW: Für Medienseiten-Leser: Die DWDL-Berichterstattung zum Thema ist eigentlich eine Parodie darauf, dass die Erstausgabe von Ringiers Prestige-Titel Cicero ein Castro-Portrait enthielt, das mehr als ein Jahr alt war. Aber wer liest schon Medienseiten und merkt sich sowas über vier Jahre?

Wickert hat nicht onhaliert!

Die Nachricht verbreitet sich im Netz: UIlrich Wickert wird Herausgeber für Holtzbrincks neues Portal zoomer.de. Im Interview mit dem Holtzbrinck-Blatt Tagesspiegel versucht sich Wickert wo weit wie möglich vom Bild des Online-Besessenen zu distanzieren:

Zu ihren privaten Internetvorlieben – sind Sie ein Ego-Googler?

Ich hab’ meinen Namen schon mal bei Google eingegeben, um zu sehen, was andere über einen schreiben. Aber das hat mich nicht besonders interessiert. Was für mich viel wichtiger ist: Als Krimiautor nutze ich Google-Maps und Earth View, um meinen Untersuchungsrichter auf wirklichen Straßen und Plätzen in Martinique spazieren zu lassen.

Mich erinnert das etwas an Bill Clintons erschütterndes Kiffer-Bekenntnis:

I experimented with marijuana a time or two, and didn’t like it. I didn’t inhale and I didn’t try it again.

Ja, Wickert hat es mal ausprobiert. Es hat ihm aber nichts gebracht. Er hat sich nicht amüsiert, er war nicht erbost, er will nichts am Google-Ergebnis ändern. Keine Wiederholungsgefahr.

Und Google Maps haben nichts mit seinem Leben zu tun – er muss nicht online checken, ob das Hotel in der Nähe der Party liegt er steigt einfach in die wartende Limousine. Gechattet hat er mal bei tagesschau.de und das war es auch schon. Seine Videos auf YouTube kennt er demonstrativ nicht. Wickert braucht das Internet nicht. Und wenn er es doch mal benutzt, veredelt er es zu einem besseren Zweck: um Offline-Bücher zu schreiben.

Liebe Zoomer-Redaktion: viel Glück dabei die „journalistische Kompetenz und die Interessen der jungen Internetgeneration zusammenbringen“.

Frage nach Berlin, der Schäuble im Badezimmer.

Nach den YouTube-Präsidentschaftsdebatten kennen die TV-Sender kein Halten mehr: Videobotschaften und Zuschauerbeteiligung sind die neuen Kinderreporter. Statt dem Volk aufs Maul zu schauen, lässt man das Volk direkt ran.

So auch im Dezember in der ARD. Dort heißt es dann Ihre Frage nach Berlin: Zuschauer können ihre Frage direkt an prominente Bundespolitiker richten. Das Procedere ist einfach:

Sie nehmen ihre Frage auf Video auf. Dazu brauchen Sie eine Videokamera oder eine Webcam. Nehmen Sie Ihre Frage auf und laden Sie das Video hier hoch. Wenn Sie keine Kamera besitzen, aber trotzdem ihre Frage an die Politiker stellen möchten, können Sie die Frage auch persönlich bei uns abgeben: Am 30. November in Berlin im ARD-Infocenter (im ARD-Hauptstadtstudio) oder in München im BR-Hochhaus/Foyer, jeweils von 14 bis 18 Uhr sowie in Köln im WDR-Besucherzentrum von 16 bis 20 Uhr.

Ausnahme: am 12. 12. ist Wolfgang Schäuble der Interviewpartner im Morgenmagazin. Da braucht man weder Kamera noch Besucherzentrum – es genügt die Frage laut und deutlich in seinen Badezimmerspiegel zu sprechen.