Kollegiale Hilfe bei der Polizei

Das Opfer wurde durch eine Notoperation grade gerettet, da kommt auch schon der Vorsitzende der Berufsvertretung zur Hilfe. Allerdings kommt der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt nicht etwa dem niedergestochenen Polizeidirektor Alois Mannichl zu Hilfe – er hilft sich lieber selbst und politisiert den Anschlag auf einen Kollegen.

Die tz zitiert Wendt unter Berufung auf die DPA:

Im Strafgesetz sei für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nur eine Strafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen. “Damit werden Angriffe auf Polizisten im Strafgesetz genauso behandelt wie Fischwilderei“, sagte Wendt.

Das ist einerseits richtig: § 293 und § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches haben eine ähnliche Strafandrohung. Was Herr Wendt gezielt verschweigt ist der Absatz 2 des Paragraphen 113, der einen wesentlich höheren Strafrahmen vorsieht. Und Herr Wendt lässt unerwähnt, dass selbstredend die Verletzung eines Beamten eine Anzeige wegen Körperverletzung nach sich zieht – im Fall von Alois Mannichl ermittelt die Staatssanwaltschaft wegen eines Tötungsdelikts. Der Strafrahmen ist also nach oben offen: bis hin zu lebenslanger Haft plus Sicherungsverwahrung.

Aber es geht noch weiter. Denn Herr Wendt hat auch eine noch konkretere Forderung:

Einen Angriff außerhalb des Dienstes wie in Passau habe es aber noch nie gegeben. “Dass in die Privatsphäre eines Polizisten eingedrungen wird, haben wir bis jetzt noch nie erlebt.“

Nun müsse umso stärker darauf geachtet werden, Informationen über Polizisten nicht preiszugeben. Der Plan, Beamte in Berlin mit Namensschildern auszustatten, sei daher vollkommen kontraproduktiv. Es müsse alles getan werden, um das Leben der Polizisten zu schützen. “Dazu gehört auch, dass der Dienstherr nicht selbst die Namen bekannt gibt.“ Die Beamten seien von sich aus stets darauf bedacht, ihre Privatsphäre zu schützen und würden beispielsweise als Zeugen in Gerichtsverfahren nie ihre private Adresse nennen.

Ich empfinde das als perfide, weil das eine mit dem anderen nun überhaupt nichts zu tun hat. Ein Polizeidirektor, der im Kampf gegen den Rechtsextremismus eine lange Medienkarriere hinter sich hat, muss nicht durch Namensschilder auf der Uniform enttarnt werden. Hingegen kann eine solche Kennzeichnung bei Verstößen gegen den § 340 StGB höchst sinnvoll sein. Wie zum Beispiel in diesem Fall.

Der Wall

Bundesfamilienministerin von der Leyen hat dem Hamburger Abendblatt ein Interview gegeben:

Abendblatt: Was unternimmt die Regierung?
Von der Leyen: Das Allerwichtigste ist, dass das BKA wie bisher Täter ermittelt und gezielt Quellen schließt. Das reicht nicht. Ich will einen Damm bauen gegen die Flut der Bilder, indem wir den Zugang für den Kunden blockieren.

Abendblatt: Heißt konkret?
Von der Leyen: Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornografie. Das BKA erstellt Listen der kinderpornografischen Websites. Jetzt sollen die Zugangsanbieter gesetzlich verpflichtet werden, die Listen zu beachten und solche Websites unverzüglich zu schließen. Der Kunde klickt an und läuft ins Leere – kein Anschluss unter dieser Nummer. Das ist technisch möglich, und es ist rechtlich möglich.

Klingt toll, oder? Das Problem: Es ist eine politische Version der Wahrheit – um nicht zu sagen: eine Lüge. Es gibt keine separate „Datenautobahn der Kinderpornographie“.

Kinderpornoseiten kann man überall schließen, wo man einen funktionierenden Rechtsstaat hat. Das wird heute schon gemacht. Das reicht Frau von der Leyen nicht. Sie plädiert in dem Interview nicht etwa dafür, Seiten zu schließen – sie will sie lediglich für Deutsche unzugänglich machen.

Wie geht das? Die politische Vision: Jeder deutsche Internetprovider bekommt einen schlauen, grauen Kasten, der das gute Internet vom bösen Internet unterscheidet. Aber wir wissen ja, wie gut graue Kästen bei solchen Fragen arbeiten. Und die Kinderpornos bleiben weiter online, die Verbrecher verdienen weiter Geld.

Der „Wall“, den die Ministerin aufschütten will, ist eine schöne Metapher. Denn Wälle alleine halten niemanden ab, im schlechtesten Fall braucht man eine Leiter um sie zu überwinden. Oder man umgeht sie einfach. Will Frau von der Leyen die Verbreitung wirklich ein wenig einschränken, dann muss der Wall schon etwas höher werden. Und aus solidem Stein gebaut sein. Und muss mit Tausenden von Soldaten besetzt sein. Man nennt es auch die Große Firewall von China, eine der massivsten und repressivsten Zensurmaßnahmen, die wir bisher kannten.

Und selbst diese Mauer ist durchlässig.

PS: Wenn Frau Leyen nach der „Einstiegsdroge“ sucht, kann sie ja mal VIVA einschalten.

Wenn die Anwälte erst Mal im Spiel sind

Aprospos PR-Interviews: die Teleschau hat Herrn Albers zu seinem neuen Atze-Schröder-Film befragt. Dabei kommt auch sein Rechtsstreit mit der Wikipedia zur Sprache:

teleschau: Wie kam es zum erbitterten Streit um Ihren Eintrag in der Online-Enzyklopädie ‚Wikipedia‘?

Schröder: Das war eine Geschichte, die sich schnell hochgeschaukelt hat. Da stand von meiner Seite aus kein Plan dahinter. Plötzlich stand bei ‚Wikipedia‘ im Vordergrund, wie mein bürgerlicher Name lautet und wie mein privates Umfeld aussieht. Ich habe auch nichts gegen ‚Wikipedia‘, bin wahrscheinlich sogar einer der eifrigsten Nutzer, doch hätten die mich ja vorher auch mal fragen können. Dann wäre es gar kein Problem gewesen. Dann hat sich die ganze Sache verselbstständigt, und wenn erst einmal die Anwälte im Spiel sind, dann übernehmen die das Ruder. Ich bin aber mit der jetzigen Lösung einverstanden.

Diese Version passt zwar nicht so ganz zu den Fakten – aber verzichten wir mal auf Nachfragen.

Übrigens: Schröder beherzigt die Branchenregeln und lästert nicht über den Film, sondern nur über die letzten drei Staffeln seiner Fernsehserie. RTL wird nicht mehr gebraucht, das Kinopublikum schon.

PS: Ich rechne es ihm hoch an, dass er immer das Autorenteam erwähnt, das die Witze für Atze Schröder schreibt. Andererseits: Ich habe vor Jahren zwei Live-Auftritte von ihm gesehen – ohne Skript ist er einfach nur traurig.

Baut Barrikaden aus brennenden BMWs

Als ich zuerst gelesen habe, dass ein BMW-Farer seine Uralt-Karre aus Protest gegen die Spritpreise verbrannt hat, dachte ich an eine virale Marketing-Aktion. Beim Interview stellt sich das jedoch anders dar:

FOCUS Online: Etwas muss in Ihrer Planung aber wohl schief gelaufen sein. Es hieß, ursprünglich wollten Sie die Aktion in Berlin machen?

Neugebauer: Richtig. Vor dem Brandenburger Tor. Auf der linken Seite ist ein freier Platz. Ich bin aber dummerweise auf der A66 in die falsche Richtung abgebogen und nach Frankfurt gefahren. Da habe ich kurzfristig umdisponiert.

Und dann nicht mal die Rechte an RTL verkauft.

Fragwürdige Journalistenkritiker

Ein paar Leute haben eine Polylux-Redakteurin reingelegt und anschließend ein lustiges Video veröffentlicht, mit dem sie ebenfalls sehr viel Spaß hatten. Die Aktion war ein voller Erfolg: viele Medien und noch mehr Blogs berichteten über diesen „Medien-Hack“.

Kurz bevor sich die Polylux-Redaktion in ihrer Sendung rechtfertigen will, hat das Kommando „Tito von Hardenberg“ nun eine eigene Rechtfertigung nachgeschoben. Nein, das Ganze war kein Jux, sondern fundierte Gesellschaftskritik an fragwürdige Recherchemethoden:

„Sinn und Zweck der Aktion war es, am Beispiel Polylux auf fragwürdige Recherchemethoden in der Medienlandschaft hinzuweisen.“ Eine einfache Google-Suche hat ergeben: Polylux sucht häufiger mittels Anfragen in Internetforen nach Protagonisten für Beiträge. Egal ob Speed-User, Sektenaussteiger, überforderte Studenten oder Menschen ohne Beziehungserfahrung – stets kommt das „Frischfleisch“ für die nächste Sendung aus der „lieben Community“ im Internet. Ob es sich bei dieser Art der Protagonisten-Akquise überhaupt um Recherche handelt, ist fraglich.

Nun, die Frage kann ich den Spaß-Guerilleros gerne beantworten. Natürlich ist das Recherche. Irgendwo muss jeder anfangen. Und warum sollte man irgendein Kommunikationsmittel pauschal ausschließen? Solange der Foren-Beitrag nicht der Endpunkt der Recherche ist, ist gegen diese Methode nichts zu sagen.

„Die Methode, mit einer offenen Anfrage in Web-Communities nach Protagonisten zu suchen“, so die Sprecherin weiter, „birgt die Gefahr, schnell an falsche Gesprächspartner zu geraten. Eine qualitative Recherche nutzt persönliche Kontakte im jeweiligen Umfeld, um an glaubwürdige Interviewpartner zu gelangen, und bietet nicht jedem, der gerade will, die Möglichkeit, irgendetwas in eine Kamera zu sprechen.“

Das ist gelinde gesagt Blödsinn. Wer seine „qualitative Recherche“ ausschließlich auf persönliche Kontakte gründet, hat die falschen Gesprächspartner abonniert. Denn wenn Journalisten ausschließlich die eigenen Kontakte nutzen, besteht die Öffentlichkeit im Medienspiegel bald ausschließlich aus Akademikern, PR-Arbeitern und IPhone-Besitzern. Verlassen sie sich auf die persönlichen Kontakte von Experten, werden die immer Personen präsentieren, die genau zu den eigenen Thesen passen.

Irgendwie erinnert die Polylux-Aktion an die Reichstagskletterer vom letzten Jahr. Auch dort hatten wir eine öffentlichkeitswirksame Aktion. Nur was machten die vermeintlichen Revolutionäre damit? Gar nichts.

Onlinesüchtig und selbstreferentiell

Schön: Der Online-Redakteur der Netzeitung Maik Söhler interviewt einen Onlinesüchtigen – sich selbst.

Netzeitung: Als Suchtsymptome nennen Psychologen meist diese Aspekte: enorme Anstrengungen, um an das Suchtmittel zu gelangen; die Dosis immer weiter zu erhöhen; Entzugserscheinungen, die sich in Niedergeschlagenheit, Unruhe und erhöhter Reizbarkeit ausdrücken; Rückzug von Freunden und Verwandten. Welche dieser Symptome sind Ihnen nicht fremd?

Söhler: Die Anstrengungen, an einen Computer mit Netzanschluss zu gelangen, sowie gelegentlich die Unruhe und Gereiztheit, wenn das nicht klappt. Auch die Erhöhung der Dosis kenne ich gut.

Netzeitung: Wie genau äußert sich das bei Ihnen?

Söhler: Ich kann im Urlaub ganz gut ohne Computer, Internet und Spielkonsole leben. Wenn ich am Strand liege, vermisse ich sie nicht. Das kann tagelang so gehen. Dann aber laufe ich zufällig an einem öffentlich zugänglichen Computerterminal vorbei, bleibe stehen, logge mich ein, rufe meine Mails ab und surfe. Fortan werde ich am Urlaubsort meine Wege so einrichten, dass ich zumindest an jedem zweiten Tag an diesem Terminal vorbei muss.

Die Dosis wird ganz von selbst erhöht, indem man sich auf das, was man digital gerade macht, immer stärker einlässt. Ich besuche ein Weblog, in dem jemand einen tollen Eintrag geschrieben hat. Dieser Eintrag hat 40 Kommentare hervorgerufen. Von den 40 Kommentatoren verlinken 25 auf ihre eigenen Blogs. Die surfe ich dann alle ab. Wie es so geht, komme ich von dort auf wieder neue Blogs mit tollen Einträgen und so weiter.

Nett gemacht.. Und auf die Idee muss man erst mal kommen.

Den Bürger über’s Knie gelegt

Ein sehr lesenswertes Interview Ex-Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem über Medien, Internet und die innere Sicherheit:

Hoffmann-Riem: Da habe ich überhaupt nicht den Eindruck, dass der Staat stärker geworden ist. Stärke heißt für mich, dass er in der Lage ist, die Probleme mit geringst möglichen Nachteilen zu bewältigen. Er hat viele neue Instrumente, aber noch nicht gelernt, sie so einzusetzen, dass mit geringster Beeinträchtigung der Bürger ein größtmöglicher Erfolg eintritt. Wenn ein Vater seinen Sohn schlägt oder ein Staat seine Bürger übermäßig beeinträchtigt, ist das für mich Machtausübung und keine Stärke.

Bekennt es endlich!

Es macht grade in vielen Blogs die Runde: Das Kommando Tito von Hardenberg behauptet, der Sendung Polylux einen falschen Interviewpartner untergeschoben zu haben. Der war zwar nicht besonders wichtig, sagte auch nichts wirklich Originelles, aber er war falsch. Das sagt zumindest das „Kommando“.

Big deal, ihr Anfänger!

Ich warte schon seit Jahren auf ein Bekennervideo der wirklich großen Medienhacker. Die, die es geschafft haben, über Jahre die TV-Landschaft und die politische Kultur zu beeinflussen. Ich habe nämlich Grund zur Annahme, dass sämtliche Gäste bei Sabine Christiansen Fakes waren. Bis auf Oskar Lafontaine natürlich – der ist so.

Liebes Kommando Sabine Christiansen, bitte steht endlich zu euren Taten. Mir fiele wirklich ein Stein vom Herzen!

Verkürzte Überschriften

Wenn man politiche Aussagen in knackige Überschriften pressen will, kommt es zu gewissen Verkürzungen. Schönes Beispiel bei der Süddeutschen heute: Ein Schäuble-Interview trug zunächst den etwas missverständlichen Titel: „Wir machen den Hasspredigern Konkurrenz“. In der Langfassung liest sich das natürlich weniger doppeldeutig:

sueddeutsche.de: Was wird aus den Hasspredigern in den Moscheen?

Schäuble: Wir gehen gegen Hassprediger mit allen Mitteln vor. Mit islamischem Religionsunterricht machen wir ihnen sozusagen Konkurrenz. Denn, wenn wir die Kinder zum Religionsunterricht an staatlichen Schulen schicken, führt das zu einer Veränderung der Religionsausübung in den Moscheen. Wir haben jetzt schon erreicht, dass die Imame, die uns die Türkei schickt, vorher ausgebildet werden und einen Sprachkurs gemacht haben.

den Unterschied sah wohl auch die Online-Redaktion und berichtigte die Überschrift. Sie lautet nun: „Selbst im Vatikan schauen sie auf uns“