Mißfelder am Morgen

Grade schalte ich WDR5 ein – und was kommt? Ein Interview mit Philipp Mißfelder zum SPD-Kompetenzteam. Warum befragt man diesen Mann zu diesem Thema?

War der Spruch „mehr Schatten als Kabinett“ wirklich unerwartet und informativ? Konnte man es Mißfelder nicht ersparen, dass er sich laut darüber wundert, dass das Kompetenzfeld Gesundheit nicht besetzt ist? Und: muss er den rhetorischen Geniestreich zücken, er könne nicht beurteilen ob sich Ulla Schmidt rechtlich richtig verhalten hat? Muss er wirklich nochmal wiederholen, dass er im Punkto Generationengerechtigkeit einen lebenslangen Gang nach Canossa unternimmt? Führt er olche Interviews im Automatik-Betrieb? Sind die oben genannten Ausfälle zwanghafte Reaktion, Dummheit – oder Schlauheit, weil diese primitiven Tricks in der Realität beim Wähler doch sehr gut funktionieren?

Kurzum: Ein Einstieg in den Morgen, der nur depressiv macht.

Wie erfrischend war da doch das WDR5-Tagesgespräch von vorgestern: In einer Anrufsendung, in der ein Moderator die unsäglich verlogene Empörung um Ulla Schmidts Dienstwagen umrührte und dazwischen Heribert Prantl interviewte. Der sagte nämlich tatsächlich Unerwartetes – oder Unerhörtes, wenn man die Höreranrufe als Maßstab nimmt.

Diese Politikverdrossenheit findet immer wieder einen Anlass. Und Ulla Schmidt ist wieder einer der vielen kleinen Anlässe. Aber ich denke, man sollte es nicht übertreiben. Diese abgrundtiefe Politikverachtung, die man doch oft in Deutschland spürt – glaube ich – ist in diesem Maß doch unbegründet. Wenn man die deutschen Verhältnisse mit den britischen oder gar den italienischen vergleicht, dann geht es uns noch gold. Aber landläufig gilt ein Politiker bei uns als Angehöriger einer Kaste, die nicht viel kann und zu allem fähig ist. Die ganze Politik gilt als Netzwerk der Selbstbedienung, das die demokratische Ordnung überwuchert und erstickt. Die Politik als solche ist zum Synonym geworden für alltägliche Kungelei und Korruption. Und das ist schlichtweg – und das ist meine tägliche Erfahrung mit Politikern – falsch. Und es ist so falsch, dass es schon demokratiegefährlich ist.