Diese Kulturtechnik ist in Deinem Land nicht verfügbar

Der Hype um den Amazon Kindle Fire scheint hierzulande spurlos abgeklungen zu sein, doch der US-Handelskonzern beginnt auch in Deutschland eine massive Werbekampagne für die Kindles, die man den Europäern gönnt. Sogar bei Karstadt gibt es nun einen Kindle zu kaufen — deutlich teurer als der Versandpreis von Amazoin selbst. Das muss einiges kosten.

Da könnte man doch glatt schwach werden. Heftig subventionierte Hardware ist kein Nachteil, wenn doch hierzulande eh die Buchpreisbindung gilt. Und Amazon hat ja seine Zügel gelockert. Man will zum Beispiel nicht mehr ungefragt Bücher löschen. Und Ende 2010 hat Amazon –wahrscheinlich im nachweihnachtlichen Zuckerrausch — sogar das Verleihen von Büchern erlaubt. Großzügig!

Doch wie Matthias Spielkamp drüben bei Google+ nachfragt: Wie geht das Verleihen eigentlich? Auf Amazon.de ist kein Wort dazu zu finden. Und irgendwie scheint kaum ein Titel, den die umherstehenden Kindle-Besitzer gekauft haben — zum Verleihen freigegeben zu sein.

Aufklärung verschafft die Hilfefunktion aus Amazon.com:

At this time, Kindle book lending can only be initiated by customers residing in the United States. If a loan is initiated to a customer outside the United States, the borrower may not be able to accept the loan if the title is not available in their country due to publisher geographical rights.

In these cases the borrower will be notified of this during the Loan redemption process, and the book reading and lending rights will return to the lender at the end of seven days from loan initiation. You can always check the status of a loan by viewing the book on the Manage Your Kindle page.

Sprich: In Deutschland darf man nicht Mal Bücher verleihen. Man darf noch nicht Mal eins geliehen bekommen. Und wenn jemand trotzdem versucht diesen kulturell vertriebstechnisch hochverräterischen Akt zu begehen, bekommt er das Buch nicht etwa sofort zurückgebucht, sondern wird mit einer Buchsperre von sieben Tagen bestraft.

Buchhandel: Teure Kundenbindung

Der deutsche Buchhandel hat wieder eine tolle Idee:

Mit E-Books neue Kunden gewinnen: Am 18. März startet libreka! die E-Book-Aktion „E-Tüpfelchen“, bei der Buchhandlungen bundesweit bis zum 9. April kostenfreie E-Books an ihre Kunden verschenken können. „Mit ,E-Tüpfelchen‘ möchten wir den Verkauf von E-Books über das Sortiment ein großes Stück voranbringen“, sagt Ronald Schild, Geschäftsführer der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, die libreka! betreibt.

Sprich: der Kunde soll seine E-Books nicht einfach über das Internet suchen und herunterladen. Die 4500 stationären Buchhändler müssen auch einbezogen werden – schließlich sind sie ja im Prinzip Miteigentümer von Libreka. Aber wie läuft die Aktion konkret?

Mit jedem neuen E-Book-Kunden profitiert auch der Buchhändler: Ist er libreka!-Partnerbuchhändler und damit kostenlos als E-Book-Verkäufer in libreka! gelistet, erhält er bei jedem weiteren E-Book-Kauf dieser Neukunden die jeweilige Verkaufsprovision.

Sprich: wenn ich einmal einen Gutschein von Händler X bekommen habe, bekommt er für alle weiteren elektronischen Bücherkäufe eine Provision. Obwohl er mich weder beraten hat, noch ein Buch bestellt oder irgendetwas beigetragen hat zum Buchkauf.

Ob das so tatsächlich im Sinne der Kreativen ist, für deren Schutz doch das Urheberrecht ständig verschärft werden soll? Und die eher selten ein so gesichertes Auskommen haben wie ein etablierter Buchhändler? Aber auch die Buchhändler sollten sich Sorgen machen: wie viele Jahre zahlt Libreka wohl, wenn denn die Kunden nicht mehr in die Läden kommen? Wie lange kann eine überkommene Vertriebsstruktur durch Quersubventionierung aufrecht erhalten werden?

Die Alternative klingt aber auch nicht so toll: die Kunden laden Bücher direkt auf ihren Kindle und Amazon steckt die Provision ein, die sonst der Buchhändler bekommen würde. Und der Preis ist gedeckelt, um den – ebenfalls weitgehend beratungsfreien – Massenverkauf zu fördern.

Die Zukunft ist closed

Abobe vergießt im Firmenblog bittere Tränen darüber, dass Apples neuster Kreation Mal wieder etwas fehlt – etwas ganz substantielles:

And without Flash support, iPad users will not be able to access the full range of web content, including over 70% of games and 75% of video on the web. If I want to use the iPad to connect to Disney, Hulu, Miniclip, Farmville, ESPN, Kongregate, or JibJab — not to mention the millions of other sites on the web — I’ll be out of luck.

Nun – ich bin kein gewaltiger Fan von Flash. Zwar hat Adobe mit seinem Flash-Player Video im Web revolutioniert, Angebote wie YouTube erst möglich gemacht und dabei nicht einmal Linux-User ausgeschlossen. Aber in den letzten Jahren wurde Flash zunehmend lästig: immer neue Sicherheitslücken und immer neue Kopierschutzmechanismen zeigen die Nachteile einer proprietären, geschlossenen Technik. Stand vor Jahren noch das Bemühen an erster Stelle, Inhalte möglichst einfach abzurufen, ist Flash heute zum beliebten Mittel geworden, die neuen Möglichkeiten zu beschneiden. Ein Radiokonzert online mitschneiden, wie es im analogen Zeitalter Alltag war? Da sei Flash vor! Die lästigen Werbespots in der TV-Serie einfach überspielen wie am heimischen Videorekorder? Wiederum: nicht mit Flash.

Insofern wäre Apples Unterstützung für ein flash-ärmeres Web sicher unterstützenswert – alleine: hier wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Selbst die Apple-Fanboys von TUAW haben es kapiert. Nicht etwa die mangelnde Performance von Flash unter MacOS (die kaum schlechter sein kann als die von iTunes-Umsetzung unter Windows) ist der erste Grund eine Flash-Adaptierung zu verhindern:

As for Hulu and a few of the other specific sites mentioned in Adobe’s rant, now that Apple is in the business of selling content, exactly how is it in the company’s best interest to provide access to that same content, through another company’s platform, for free?

Der Traum der Content-Industrie: ein Gerät, dass die lästige Konstenlos-Konkurrenz ausschließt. Das den Wettbewerb effektiv beschränkt. Und trotzdem millionenfach gekauft wird. Bei Flash-Streams konnten findige User immer noch den Output der Soundkarte und der Grafikkarte mitschneiden und über Tauschbörsen verbreiten. Bei iPad ist das nicht möglich – im App Store wird niemals eine Filesharing-Software erscheinen. Zudem ist das Gerät so verdongelt, dass Apple dem Gerät nicht mal einen HDMI-Anschluss spendiert hat. So viel Dreistigkeit kann doch keinen Erfolg haben, oder? Apple muss doch dem Freiheitswillen des Webs nachgeben? Auch sie können dem freien Internet auf Dauer keine Fesseln anlegen – egal wie schick sie nun aussehen mögen!

Oder vielleicht doch? Heute hat auch Amazon seine Quartalszahlen bekannt gegeben

„Millionen Menschen besitzen jetzt Kindles“, kommentierte aber Gründer und Unternehmenschef Jeff Bezos die Geschäftszahlen. „Und Kindle-Besitzer lesen viel.“ Mittlerweile seien 410.000 (meist englischsprachige) Titel zu haben. Amazons Medien-Verkäufe insgesamt stiegen weltweit im abgelaufenen vierten Quartal um 29 Prozent auf 4,68 Milliarden US-Dollar.

Der Kindle ist das mit Abstand meist verdongelte Device, was derzeit zu haben ist. Zwar stellt sich die Unterstützung für Flash wegen der ungeeigneten Hardware gar nicht, aber dass E-Books anderer Anbieter auf dem Kindle gelesen werden, hat Amazon effektiv verhindert. Nicht mal ungeschützte ePub-Bücher lassen sich auf dem Gerät lesen. Und trotzdem verkauft es sich wie warme Semmeln.

Auch auf dem Buchmarkt mischen Apple und Adobe jetzt mit. So beschwert sich Adobe-Mitarbeiter Adrian Ludwig weiter:

Unlike many other ebook readers using the ePub file format, consumers will not be able to access ePub content with Apple’s DRM technology on devices made by other manufacturers.

Auf Deutsch: die Kopierverhinderer von Adobe kabbeln sich mit den Kopierverhinderern von Apple und mit denen von Amazon. Dass der harte Wettbewerb zu einem echten Standard führt, der den Kunden wieder eine echte Wahl zwischen Geräten, Verkäufern und Titeln lässt, ist nicht zu erwarten. Und offenbar von den Kunden auch nicht gewünscht. Nein, es wird nur einer gewinnen und der darf dann schließlich auch Harry Potter als E-Book verkaufen. Und schon schießen die Verkaufszahlen wieder in die Höhe.

Der Computer als Universalmaschine? Nicht mehr lange.

Clean DRM

Die „Clean Coal“-Technologie ist super. Man nimmt eine der dreckigsten Energiequellen und simsalabimm wird sie zum grünen Umweltriesen.

Oder lassen aus berufenerem Munde:

Clean coal is like saying „healthy botulism,“ „child-safe plutonium“…

Die Umweltverschmutzung des Digitalen heißt DRM. Nun hat sich Amazon vor kurzem einen kleinen GAU geleistet, der den gadgetgeilen Kunden schön vorgeführt hat, was sie verlieren, wenn sie ihre alten Staubfänger gegen shiny, shiny E-Books eintauschen.

Barnes & Noble hat da doch eine viel bessere Idee: der hauseigene Ebook-Reader Nook hat die sagenhafte LendMe™ technology.

Share favorite eBooks with your friends, family, or book club. Most eBooks can be lent for up to 14 days at a time. Just choose the book you want to share, then send it to your friend’s reader, cell phone, or computer.

Die meisten Bücher. Bis zu 14 Tage am Stück. Suuuper!

Und dass sogar der Name der Technologie trademarked ist, macht sie nur noch besser!