De-Mail: Locken, drohen, täuschen

De-Mail muss einfach toll sein. Ich persönlich finde das ja nicht. Für mich ist der Dienst so nützlich wie eine Rohrpost zu meinen Nachbarn drei Etagen unter mir.

Web.de ist jedoch dafür um so entschiedener von den Vorteilen der De-Mail überzeugt. Und hört nicht auf mir davon vorzuschwärmen. Oder anders formuliert: Web.de lässt nichts unversucht mir diesen Service unterzujubeln. Sie locken, sie drohen und sie täuschen.

Ein Auszug aus den Werbebotschaften.

2.11.2011: De-Mail ist noch Zukunftsmusik und nur ein ganz tolles Angebot von vielen ganz tollen Angeboten

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Inhalt:

De-Mail Wunschadresse

Heiß begehrte Lieblinge

Fernreisen werden teurer

ADAC Rundum-Schutz

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Sehr geehrter Herr Kleinz,

haben Sie sich bereits Ihre persönliche De-Mail-Adresse gesichert?
Dann sollten Sie diese schleunigst reservieren. Bald schon fällt
der Startschuss für die rechtssichere E-Mail Kommunikation!

Vergessen Sie bei der Planung Ihres Winterurlaubs nicht, vorab
eine ADACPlusMitgliedschaft abzuschließen. Dazu erhalten Sie einen
60,- Euro Tankgutschein.

14.06.2013: De-Mail ist inzwischen Realität und ich bin ein ganz besonderer Glückspilz, dass mein Name in Kombination einer der hässlichsten Domains überhaupt noch frei ist:

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30 Tagesfrist für torsten.kleinz@web.de-mail.de
Sichern Sie sich rechtzeitig Ihre De-Mail-Adresse.
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Sehr geehrter Herr Kleinz,

Sie sind ein Glückspilz – und das gleich in doppelter Hinsicht!
Denn E-Mail-Adressen aus Vor- und Nachnamen, wie die Ihre, sind
bei WEB.DE immer seltener verfügbar.
Noch drastischer gilt das für die neuen, derzeit kostenlosen
De-Mail-Adressen, denn eine De-Mail-Adresse besteht immer
zwingend aus dem Namen, der im Personalausweis steht. Daher
sind schon jetzt über 1.000.000 (Million)
sehr gefragter De-Mail-Adressen vergeben.

4.7.2013: Die Lüge mit der 30-Tages-Frist hat nicht gefruchtet, also bisschen mehr Druck. Dass meine persönliche De-Mail-Adresse dabei verschütt ging, verwundert nicht wirklich.

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Fristablauf, bitte De-Mail-Adresse bestätigen!
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Jetzt wird’s Zeit!
[e_demail]
Sichern Sie sich rechtzeitig Ihre De-Mail-Adresse.
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Sehr geehrter Herr Kleinz,

es eilt, denn auf unsere letzte Nachricht haben wir bis heute keine
Identifikationsanfrage von Ihnen erhalten.
Ihre De-Mail-Adresse [e_demail]
mussten wir daher zur Löschung und anschließenden
Freigabe vorbereiten.

17.09.2013: Web.de tut so, als hätte ich tatsächlich auf die Lockvogelangebote reagiert. Vielleicht können sie mich ja überzeugen, während ich panisch nach dem „Kündigen“-Button suche.

WEB.DE De-Mail
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Glückwunsch!
Ihr De-Mail Postfach steht für Sie bereit!
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Sehr geehrter Herr Kleinz,

herzlichen Glückwunsch, Ihr De-Mail Postfach steht für Sie bereit!
Damit Sie Ihr De-Mail Postfach auch nutzen können, überprüfen Sie
bitte noch heute Ihre Angaben. Sollte etwas fehlen, können Sie es
einfach ergänzen.

Bitte vergessen Sie nicht, Ihr De-Mail Postfach im Anschluss auch
zu eröffnen.

Das geht ganz schnell:

• Klicken Sie auf „Jetzt starten“.

• Ergänzen und überprüfen Sie Ihre Angaben.

Jetzt starten:
https://produkte.web.de/de-mail/

25.11.2013: Das hat auch nicht funktioniert. Also tut web.de so als ob De-Mail kein separater Dienst ist, der der Firma ein paar Millionen Porto von Großversendern einbringen soll. Nein, es ist ein Sicherheits-Update!

WEB.DE De-Mail
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Wichtig: Sicherheitsupdate für Ihr Postfach!
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Sehr geehrter Herr Kleinz,

hiermit erhöhen wir die Sicherheitsstufe für Ihr Postfach!
Das bedeutet, dass wir Ihnen eine kostenlose Postfacherweiterung
zur Verfügung stellen.

Zur Aktivierung benötigen Sie lediglich eine persönliche
De-Mail-Adresse als Visitenkarte.

Die sichere und verschlüsselte Übertragung schützt Sie und
Ihre Daten optimal!
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Das müssen Sie tun:

• Klicken Sie auf „Jetzt aktivieren“
• Loggen Sie sich ggf. in Ihrem Postfach ein.
• Ergänzen und überprüfen Sie Ihre Angaben.

13.12.2013: Nochmal die Masche „Du hast dich schon angemeldet.“

WEB.DE De-Mail
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Glückwunsch zu Ihrer De-Mail Beantragung
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Sehr geehrter Herr Kleinz,

wir freuen uns, dass Sie sich für De-Mail interessieren.
Sicherlich ein wichtiger Schritt, denn ab 2014 können Sie sich
mit De-Mail einige Behördengänge sparen.

Ihre persönliche De-Mail-Adresse, bestehend aus Ihrem Vornamen
Torsten und Ihrem Nachnamen Kleinz, können Sie jetzt
kostenlos unter „Jetzt starten“ aktivieren.
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Das geht ganz schnell:

• Klicken Sie auf „Jetzt starten“
• Loggen Sie sich ggf. in Ihrem Postfach ein.
• Aktivieren Sie Ihre persönliche De-Mail-Adresse.

28. 12. 2013: Also lieber Kunde. Willst Du wirklich nicht? Nein, das haben wir nicht gefragt. Formulieren wir es anders: Bist Du schwer von Begriff? Ja? Na dann…

WEB.DE De-Mail
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Kein Schnee von gestern!
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Sehr geehrter Herr Kleinz,

das erste Jahr der De-Mail liegt hinter uns und auch im Jahr 2014
wird De-Mail ein großes Thema bei Banken, Behörden und der
Bundesregierung sein. Also sicherlich kein Schnee von gestern!
Uns ist es heute ein Anliegen Ihnen Ihre 3 häufigsten Fragen
kurz zu beantworten:

7.2. 2014: Wer auf Fake-Fristsetzungen nicht reagiert, dem muss man wohl ein Problem vorspielen. Natürlich nur eins, wo web.de hilft, bevor ich etwas vermisse. „Kulanz“ klingt so… kulant. Und dann noch ein gefaketes Aktenzeichen. Die Methode funktioniert ja bei gefälschten Rechnungen mit Malware-Fracht super.

WEB.DE De-Mail: Eröffnung Kulanzfall 20130709
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Sehr geehrter Herr Kleinz,

unser Verkauf hat Sie über die Löschung Ihrer Reservierung
eingehend informiert. Aufgrund mehrerer Anfragen werden jedoch
einige, vorreservierte De-Mail-Adressen noch für kurze Zeit
reserviert bleiben. Im Anschluss an diese kurze Kulanzzeit
werden die De-Mail-Adressen wieder freigegeben.

PS: Gegenüber dem WDR-Blog Digitalistan verteidigt sich web.de:

Der Eigentümer von WEB.DE und GMX ist 1&1 und antwortet auf unsere Frage, warum hier unter anderem der Eindruck erweckt wird, man hätte aktiv einen De-Mail-Zugang beantragt: „Die Werbemail richtet sich an Nutzer, die sich im Beantragungsprozess zu Ihrem De-Mail-Postfach befinden und diesen unterbrochen haben.“ Ich vermute ja, den Empfängern dieser Werbemails wird ein solcher „Beantragungsprozess“ neu sein.

Genau: Ich kann mich an keinen solchen Beantragungsprozess erinnern — wie auch andere Empfänger, die sich hier und anderswo gemeldet haben. Dass es hier eben nicht um einen Kulanzfall nach einem konkreten Antrag geht, erkennt man daran, dass auch andere Empfänger das gleiche Fake-Aktenzeichen zugewiesen bekamen.

De-Mail? Nennt es doch einfach E-Fax!

Viel Häme wird über De-Mail vergossen. Nicht nur weil das Projekt so viel länger gebraucht hat, als es sollte — im Vergleich zur E-Mail ist es lächerlich unterlegen: Man kann keine De-Mail an normale E-Mail-Accounts schicken und umgekehrt. Man muss pro Nachricht zahlen, was selbst bei SMS nicht mehr zu den Gepflogenheiten gehört. Es ist so deutsch, dass ich damit nicht Mal mit Österreichern oder Niederländern kommunizieren kann, trotzdem ist der Name Dänglisch. (Oder De-inglish? Egal!) Und die Sicherheit: Ich verschlüssele meine De-Mail, der Betreiber will aber trotzdem reingucken? Nein, danke. Hinzu kommen noch die rechtlichen Konsequenzen, dass De-Mails als zugestellt und gelesen gelten, selbst wenn man nach Monaten des Nichtgebrauchs das Postfach einfach vergessen hat.

Doch die Konkurrenz zur De-Mail ist nicht die E-Mail. Es ist das Fax. Aus rein historischen Gründen sind Unterschriften beim Fax rechtssicher. Dabei ist die technische Sicherheit eines Faxes nicht höher ist als die eines Wachsmalstiftes auf einer Tapete. Findet man das in der Wohnung zu Hause, geht man einfach davon aus, dass der dreijährige Sohn dahinter steckt, obwohl der korrespondierende Elternteil oder ein Einbrecher ebenfalls künstlerisch tätig geworden sein könnte. Man nimmt einfach an, niemand würde Faxe unter falschem Namen verschicken oder in anderem Namen unterschreiben. Damit kann De-Mail nun wirklich konkurrieren!

Deshalb meine Empfehlung an Telekom, 1&1 und Co: Nennt es nicht De-Mail. Nennt es E-Fax. Und statt PlugIns für Outlook verkauft ihr Umrüstsets für das gute alte Faxgerät, das dann endlich auf digitalem Wege die Versicherungspost auf Thermopapier ausdrucken kann. Mit Wachsmalstift.

De-Mail – ganz einfach

„Ja, Guten Tag. Mein Name ist Tina Kurz“

„Ja, ich rufe an, wegen der Rechnung die Sie mir per Mail geschickt haben. Da stimmt etwas nicht.“

„Tina Kurz.“

„Ja, ‚Kurz‘ wie ‚Lang‘.“

„Genau, das bin ich.“

„Mein Geburtsdatum? Ja, das ist der 16. März 1973.“

„Ja, also. Mit dem Rechnungsbetrag ist alles in Ordnung. Sie haben es nur an die falsche E-Mail-Adresse geschickt.“

„Ja, das muss an eine De-Mail-Adresse gehen“

„DEH-MAIL…ja.“

„Ja, sonst gilt das nämlich nicht“

„Würden Sie bitte meine richtige Adresse aufnehmen?“

„Ja, das ist tina PUNKT Kurz ÄTT geh-emm-ix PUNKT De-eh..“

„Ja, ich weiß, dass das die Adresse ist, an die sie die E-Mail geschickt haben. Aber das ist sie noch nicht ganz.“

„Ja, da fehlt was. Die Deh-Mail.“

„Ja, jetzt hören Sie mir doch Mal zu. Meine Deh-Mail-Adresse ist tina PUNKT Kurz ÄTT geh-emm-ix PUNKT De-eh MINUS — ja: Minus — Mail — ja, mit A I — PUNKT De- Eh.

„Ja, ist doch ganz einfach, nicht?

„Ja, Ihnen auch einen schönen Tag.“

Aus einer Pressemitteilung von heute:

Deutsche Telekom und United Internet schließen De-Mail-Allianz

Die großen deutschen E-Mail-Anbieter Deutsche Telekom und United Internet werden an ihre Kunden künftig Adressen mit dem Standard-Zusatz „de-mail.de“ vergeben. Die Adressen können dann zum Beispiel so aussehen: max.lang@t-online.de-mail.de, tina.kurz@gmx.de-mail.de, roy.raab@web.de-mail.de. Durch die Verwendung des Gesetzesnamens in der Domain wollen Deutsche Telekom und United Internet Verbraucher vor Verwechslungen schützen und zusätzliche Sicherheit geben.

 

 

 

 

Einschreiben

Nach einer Woche Abwesenheit fand ich eine Post-Benachrichtigung im Briefkasten. Ein Einschreiben wartete auf mich. Eine Unterschrift war erforderlich.

Dem Blogger fallen sofort üble Dinge ein. Eine Abmahnung? Gerichtsschreiben? Einstweilige Verfügungen? Ich musste zwei Tage warten und dann zum örtlichen Postamt fahren, wo die mangelhafte Usability für lange Schlangen sorgte.

Es stellte sich heraus: das Einschreiben war eine Warensendung aus Großbritannien. Ich nehme an, irgendwas lief da schief beim Versand. Nun habe ich drei Staffeln einer TV-Serie mit denen ich mich langsam wieder beruhigen kann.

Aber der Vorgang stellte klar: De-Mail ist ein elektronisches Postfach für lauter Schreiben, die man als Normalbürger eigentlich nicht bekommen will. Wann bekommt man schon Einschreiben mit guten Nachrichten? Und bei den schlechten Nachrichten gibt es kein Entrinnen. Unterschrift erforderlich. Authentifikation. Biometrisch, chipgesteuert. Blicken Sie in die Kamera. Nicht blinzeln. Nicht lächeln! Sie haben die Vorladung erhalten, wir haben es registriert, auf die Zehntelsekunde genau.

Nee, danke.

E-Brief statt De-Mail?

Eben kam in den WDR2-Nachrichten ein kurzer ericht über De-Mail. Letzter Satz der Meldung:

Die Kosten lägen aber unter denen eines normalen Briefes.

Das ist einer der Schlüssel zu der Diskussion: Die Ministeriums-Kopfgeburt De-Mail kann nicht mit der E-Mail konkurrieren, sie ist aber immer noch schneller und billiger als ein Brief. Vielleicht hättte man das bei der Namensfindung berücksichtigen sollen: ich fände „E-Brief“ viel treffender.

De-Fax

De-Mail ist die Antwort auf die Frage: Wieso sind wir in Deutschland heute immer noch im Fax-Zeitalter? Warum gilt eine pixelige Unterschrift in Schwarz-Weiß als rechtsverbindlich, wenn sie über einen durchweg manipulierbaren Kommunikationsweg übertragen wird? Warum soll ich 24 Stunden am Tag einen Stromfresser betreiben, weil mir vielleicht zwei Mal im Jahr jemand ein Fax schickt?

Die typisch deutsche Antwort: wenn wir elektronische Kommunikation auch etwas unbequemer machen, dann darf auch E-Mail rechtsverbindlich sein. Also: keine normalen Mailprogramme mehr, es muss Geld kosten und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen die Sehnsucht nach dem guten alten Thermo-Papier wieder erwecken. Sicherheit ist nicht zentral, die Unbequemlichkeit ist offenbar das Haupt-Kriterium.

In Wahrheit ist das Fax den deutschen Regulatoren und Gesetzgebern wohl einfach nur durchgerutscht – vielleicht wollte man auch der Telekom in jungen Jahren noch etwas mehr Anschub in die schöne neue Welt von BTX und ISDN verschaffen? Ich weiß es nicht. Würde man die angeblich so notwendigen Regularien von De-Mail, bzw dem Vorläufer-Service E-Postbrief auf das Fax zurückportieren, müsste das wohl so aussehen:

  • Nur staatlich zertifizierte Hersteller dürfen Faxgeräte vertreiben. Das sorgt für eine enorme Markttransparenz, weil sich eh nicht mehr als drei bis vier Konzerne und Konsortien die Zertifizierung antun werden.
  • Statt dem Empfänger direkt zu faxen, sendet man alle Faxe zuerst an die staatlich zertifizierte Fax-Zentrale, die kostengünstig privat betrieben wird. Dort wird das Fax wie gewohnt ausgedruckt und danach an den Empfänger weiter geschickt.
  • Jeder Fax-Käufer muss sich mit Ausweis identifizieren, wenn er das Gerät in Betrieb nehmen will. Vorher klappt das Gerät nicht.
  • Vor jedem Fax-Versand muss eine TAN angefordert werden.
  • Faxe werden separat abgerechnet: Du magst eine Telefonflatrate haben, aber für jedes Fax zahlst Du extra. Und zwar nicht die billigen Telefonübertragungskosten, sondern das Snail-Mail-Porto. Mindestens. Wegen der Authentizität.

Lasst es uns so machen.