Begriffsklärung

Bloggen heißt nicht, lustige Katzenbilder/Videos/Infografiken, die grade durch das Netz geistern, ins eigene Blog zu schaufeln und dann in allen sozialen Netzwerken auf den ach so mühsam geschriebenen eigenen Post zu verweisen, womöglich sogar mit der eigenen Kurz-URL.

Das Wort dafür ist SEO.

Geschwätz von gestern

Journalisten haben die Aufgabe zu informieren. Doch was sind Informationen wert, wenn täglich Millionen Infosplitter über unsere Bildschirme flackern über Lybien, die Griechenland-Krise oder die Internet-Blase. Manche Leser erwarten von Journalisten Antworten, doch wir haben sie nicht.

Wir haben wirklich keine Antworten. Wir plappern nach.

Viral ist auch egal

Moin-Moin Social-Media-Manager der elbkind GmbH,

ich bin ganz sicher, dass ihr Euch viel, viel Mühe gegeben habt bei Eurer ganz, ganz tollen Kampagne für Telekom Recruiting, die ihr mir so fürsorglich per Mail geschickt habt.

Super auch, dass ihr einen „Viral Teaser“ zentral auf die Videoabspielplattform YouTube gestellt habt. Ich bin schon ganz hibbelig, wenn ihr mir ellenlang von dem „überraschenden Schockeffekt“ schreibt und in die Massenmail sogar die URL eines meiner Blogs und meinen Vornamen eingebettet habt. „Sympathische und zielgruppengerechte Ansprache“ nennt ihr das – beim Pitch in der Firmenzentrale in Bonn ist das bestimmt runtergegangen wie Öl. Und dass in dem total tollen Spot auch noch echte Telekom-Mitarbeiter mitspielen: authentischer geht es ja nur wenn auch noch Paul Potts mitspielt.

Es gibt da aber ein kleines Missverständnis. Ein „Viral Teaser“ ist eben nicht „viral“, wenn ihr Pressemitteilungen an Leute verschickt, zu denen ihr offenkundig keine sozialen Beziehungen habt, die ihr nicht kennt und deren Blog ihr nicht gelesen habt. Das ist dann auch keine „Social Media Kampagne“, es verdient wohl nicht Mal den Namen „Kampagne“. Vergleichbar wohl am ehesten mit den netten Damen von den Telekom-beauftragten Callcentern, die mich ständig anrufen, obwohl ich kein Telekom-Kunde mehr bin. Oder kurz gesagt: es ist alberne Zeitverschwendung.

Mit tuffigen Grüßen aus Köln

Kommentatoren, die bellen

Der Aufreger von gestern: Basic Thinking will die RSS-Feeds kürzen, um die Leser zur lukrativeren Webseitenwerbung zu führen. Jürgen Vielmeier gibt sich enttäuscht wegen der Publikumsreaktionen.

Der größere Teil der – zur Stunde – rund 80 Kommentatoren hat hingegen einen Abschied auf nimmer Wiedersehen angekündigt.

Ich hab mal die Probe aufs Exempel gemacht: gestern abend hatte Basic Thinking im Google Reader 10550 Abonnenten. Heute morgen sind es 10562.

(Ich gehöre zu keiner der Gruppen)

Die Sendung mit dem Geld

Einer der spannendsten Podcasts ist für mich zur Zeit eine Sendung des National Public Radio: Planet Money.

Die Sendung startete Ende 2008, als die Finanzkrise begann sämtliche Schlagzeilen zu bestimmen. Aber das Team um Adam Davidson und Laura Conaway verfällt nicht in die übliche Panik-Berichterstattung, sondern geht engagiert daran, die Wirtschaft tatsächlich zu verstehen

Statt mit großspurigen Analysen und nicht vorhandener Kompetenz anzugeben, stellt Planet Money kleine, konkrete Fragen – und findet immer wieder interessante Antworten. So wird in dieser Folge geklärt, was hinter der vermeintlichen chinesischen Kapitalflucht verbirgt und wieso wir ein solches Problem haben, große Zahlen zu verstehen.

Die Sendung richtet sich explizit an Nicht-Experten – Leute, die bisher nichts über Zinsderivate, Konsumelastizitäten und Giralgelder wussten. Serviert wird das in einer Weise, die gleichzeitig sehr locker und doch ernsthaft ist. So wird der Korrespondent David Kestenbaum aus seinem Haus in New York zugeschaltet, die Volontärin Caitlin Kenney posiert in kleinen Inszenierungen mal als unzuverlässige Kreditnehmerin, mal als menschliche Geldzählmaschine. Manchmal möchte man wünschen, dass einige Investoren und Banker die Sendung hören, damit sie wieder eine Ahnung bekommen, was sie überhaupt machen, welche Konsequenzen ihre tägliche Arbeit für die Welt da draußen haben kann.

Die Wirtschaft, dieses komplexe Monster, das selbst Nobelpreisträger immer wieder überfordert, wird zerlegt und damit gezähmt. Wir müssen keine Angst vor der diesem unverständlichen Ungetüm haben, sind keine Opfer die nicht verstehen können, was passiert. Nein: wir können Fragen stellen. Und Antworten bekommen.

Planet Money arbeitet auch mit This American Life zusammen und hat die sehr hörenswerten Einstünder Bad Bank und The Giant Pool of Money produziert.

FAZ: Danke für die Bitte

Seit dem Relaunch der FAZ-Blogs finde ich unter den dortigen Beiträgen einige Zeilen pure Höflichkeit.

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Eigentlich ganz nett. Nur, dass man dieser Bitte nicht nicht nachkommen kann, ist dann weniger nett. Denn eigentlich ist es dann keine Bitte mehr.

Widde-widde

Früher war es einfach: selbst wenn man die Lokalzeitung bis auf die letzte Zeile lesen wollte, konnte man noch ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft sein – mit Beruf, Familie, Stammtisch und auslaufsbedürftigen Hunden.

Kaum hat man einen Internet-Anschluss, geht das nicht mehr. Alle zwei Minuten neue Nachrichten – und das gilt nur nur für sehr eng gefasste Zielgruppen wie portugiesische Apple-Fans. Die einzige Lösung: man muss, filter, filtern, filtern.

Was kommt also durch den Wahrnehmungsfilter? Wohin klicken wir? Interessante Neuigkeiten? Ein breites Spektrum der Nachrichten zu den Themen, die uns wirklich interessieren? Nein: wir suchen uns die Neuigkeiten aus, die uns in den Kram passen. Die unserer Meinung entsprechen. Ab und zu auch Nachrichten, die uns aufregen – aber nicht zu viel davon.

Mich erinnert das immer an einen Vers des Pippi-Langstrumpf-Lieds:

Ich mache mir die Welt,
Widde-widde wie sie mir gefällt.

Ein Beispiel dafür ist das Zentralorgan der Islamhasser: Pi-News. Dort hält man zwar (nicht wirklich) merkwürdige Beulen im Phaeton von Joerg Haider für berichtenswert – sucht man jedoch nach den wirklichen Ursachen des tödlichen Unfalls, die nicht mal von Haiders eigener Partei und Familie angezweifelt werden, bekommt man dieses Ergebnis:

Es ist nicht so, dass den Machern des Blogs die Trunkenheit ihres Idols entgangen wäre – Google fördert zahlreiche Blogkommentare hervor, die genau das thematisieren. Merkwürdigerweise keiner davon bei den Artikeln über Haider.

Widde-widde.

Dailykos: Wieviel Schmutz darf sein?

Irgendwie schade: Daily Kos hat das Hammergerücht des Jahres gelöscht.

Kurzfassung: Der jüngste Sohn von running mate Sarah Palin sei in Wahrheit ihr Enkel. Die Gouverneurin habe die Schwangerschaft nur vorgetäuscht, um die Schwangerschaft ihrer damals 15jährigen Tochter Bristol zu verheimlichen.

Da lacht das Herz der muckraker, der Gossenjournalisten. Leider ist an der Story nicht so besonders viel daran: Belege gibt es nicht. Die Indizien sind im wesentlichen, dass die Gouverneurin auf einigen Fotos nicht schwanger aussah und drei Tage nach der Entbindung wieder gearbeitet habe. Dazu sei Bristol angeblich während der Zeit von der Schule verschwunden.

Sie Story ist einfach zu gut, um wahr zu sein, oder? Bei Dailykos hat die Story für richtig viel Streit gesorgt. Soll man sich mit diesem tabloid stuff gegen den politischen Gegner stellen? Wie schützt man die Kinder vor dieser Schlammschlacht?

Nun ist bei Dailykos wieder eine entschäfte Version der Story aufgetaucht. Interessant finde ich die zunehmend emotionalen Updates des Autoren:

**Update 2: Looking at the comments section makes my blood boil in anger and frustration. I’m not spreading a rumor first of all, second of all this is why we lose time and time and time again because we want ’nobility‘ in politics and we get shot in the face each time we try to play the ’noble‘ way with the Republicans. If this had been us the GOP operatives would have called a GOP strategist to seriously look into this charge and smear it all over a Democrats face and then beat us and we would then go back to our blogs and complain about how much the Republicans suck. The issue is not spread a rumor or smear her daughter, I am simply saying if you are lying governor tell the truth just tell the truth. Truth is all we want.

**Update 3: The same people attacking me now in the comments section probably called the National Enquirer story about John Edwards rubbish until he had to finally admit it. I know the National Enquirer is trash but they were certainly right about that, so please stop with the stupid comments about give it a rest and „Oh lord“ and all of that bull shit, this woman is lying and creating a false narrative and I’m supposed to leave it alone, well to those of you who tell me to leave it alone I say FUCK YOU. I will not leave it alone, the last thing we need as Vice President is a liar who’d go to such extremes to cover something like this up, haven’t we had enough of that already over the last 8 years?

**Update: Folks! Is this really who the fuck I’ve been hanging out on this blog with??????? A bunch of people who want us to play nice, what the fuck is this about? This is a serious issue and if this were us the Freepers would be all over this and it would be on FOX news by Sunday Night like the madrassa story. This is our fucking problem, we want to play nice with somebody who wants to fucking kill us, they would smear this story all over our fucking faces had it been us. Regardless of what you think of Republicans they sure as hell know how to win elections and looking at the bull shit comments below I totally see why. „Stay on issues“ „we’ll win on issues“ John Kerry lost on isssues, Walter Mondale lost on issues and Michael Dukakis lost on issues. I’m not spreading rumors here I’m saying look into this very serious matter and stop fucking attacking me idiots.

Spaßbremse

Ich wurde vergangene Woche durch eine Mail überrascht, dass mein Blog nebenan für den Preis „Superblogs“ in der Rubrik „Spaß und gute Laune“ nominiert wurde. Ich solle nur den Link auf die Wettbewerbsseite setzen, damit meine Leser für mich stimmen könnten.

Nachdem ich mir jedoch angesehen habe, wie lieblos und billig das Ganze umgesetzt wurde, habe ich mich gegen eine Verlinkung entschieden. In der Spaß-Rubrik müsste ich zum Beispiel mit einem Blog namens „Chats ohne Anmeldung“ konkurrieren. Klingt nicht lustig? Ist es auch nicht, will es offenbar auch nicht sein, es handelt sich um Neuigkeiten über Chat-Seiten – wie der Name schon sagt. Das macht den Ausrichtern des Wettbewerbs aber nichts aus. Nicht konkurrieren müsste ich mit einem Blog namens „Altmetall“. Es wurde zwar nominiert, aber im Abstimmungs-Widget ist es nicht enthalten. Vergessen. Auch sonst erscheint mir der Wettbewerb nicht besonders qualitätsfördernd: So sind die nominierten Blogs auf der Abstimmungsseite erst gar nicht verlinkt.

Wenn man sich so wenig um den Ausgang kümmert, warum setzt man dann einen Blog-Preis aus? Wahrscheinlich aus dem selben Grund, aus dem mir ein Hoster vor ein paar Wochen einen billigen Wasserball zugeschickt hat. Die Blogger sollen mal wieder nur Backlinks liefern, die das Google-Ranking der edlen Spender verbessern werden.

Sachlich über Hetze schreiben

Dominik Reinle hat auf wdr.de einen meiner Meinung nach gelungenen Artikel über das Blog „Politically Incorrect“ veröffentlicht. Reinle schafft sachlich zu berichten, Worte wie „Hetzblog“ zu vermeiden. Er lässt den Gründer Stefan Herre ebenso zu Wort kommen wie den ausgesprochenen Gegner Stefan Niggemeier. Besonders interessant finde ich die letzten beiden Absätze:

Zum Weltbild von PI gehört auch der „Klimaschwindel“, der in der gleichnamigen Rubrik behandelt wird. Stefan Herre ist der Meinung, dass in Wahrheit überhaupt kein Klimawandel stattfindet und schon gar nicht von Menschen verursacht ist. „Der Hype, der momentan gemacht wird, will nur vom Thema Islam ablenken“, ist Herre überzeugt.

Im November 2007 hat PI-Autor Jens von Wichtingen das Blog verlassen mit der Begründung, PI habe „sektenähnlichen Charakter“: „Man lebt in einer eigenen Welt. Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Man nimmt Nachrichten vollkommen anders auf, man fühlt sich im Besitz der Wahrheit. Und alle die PI kritisieren haben unrecht. Gutgemeinte Ratschläge werden ignoriert, die anderen sowieso.“ Stefan Herre weist den Sektenvorwurf zurück. Er behauptet, dass sein ehemaliger Weggefährte bei PI möglicherweise ausgestiegen ist, weil er bedroht wurde: „Er kam in die Schusslinie der Linken und vielleicht der Moslems.“

Ein gefälschter Klimawandel um vom Islam abzulenken. Auf den Gedanken muss man erst mal kommen.