Fight Club – ein gewaltiger Film

Ich habe den Film mindestens vier Mal gesehen — und immer entdecke ich neue Details. Doch „Fight Club“ hat derzeit keinen guten Ruf. So hat „The New Yorker“ den Film als ein Indiz toxischer Männlichkeit geoutet und schreibt über „The Men Who Still Love Fight Club“:

In the years that followed, I became a regular lurker on message boards not just in the PUA world but also across the networks of male resentment to which pickup artistry frequently functioned as a gateway drug: “men’s rights” activists, the anti-feminist hive called the Red Pill, incels, the amorphous “alt-right.” Browsing through this world, I saw “Fight Club” references and offhand worship of Brad Pitt’s character, Tyler Durden, all the time. Tyler is an alpha male who does what he wants and doesn’t let anyone stand in his way; “Fight Club,” then, was a lesson in what you had to do to stop being a miserable beta like the film’s other main character, a frustrated white-collar office worker played by Edward Norton.

Es ist kaum abzustreiten. In jeder Online-Community tauschen unweigerlich Leute auf, die sich „Tyler Durden“ nennen. Und Leute, die seine Tiraden begeistert zitieren. Und — ich wag mich mal auf ein ganz breites Brett — diese Leute kommen nicht immer sympathisch rüber.

Ich finde immer noch, Fight Club ist ein gewaltiger Film. Nicht nur gewalttätig, sondern ikonisch. Es ist glaube ich bis heute der einzige Mainstream-Film, der mir eine wirklich überraschende Wendung vorgesetzt hat, die ich nicht zum Fremdschämen empfand. Und der Einsatz der Filmmusik erst, der Rhythmus, die Szene mit dem begehbaren Ikea-Katalog… Einfach Klasse! I am Jack’s inflamed sense of fandom.

Doch mit der oben genannten Szene der Fight Club-Fans habe ich sonst eher nichts gemein. Denn für mich war Tyler Durden immer eine lächerliche Figur. Ein Primitivling, dessen Bravado abgeschmackt und pathetisch klingt. Der sich als Opfer geriert und Gefühlskälte zum Leistungssport stilisiert. Weil sein Papa nie zu Hause war.

Der Film funktioniert tatsächlich auf mehreren Ebenen. Einerseits kann man sich mit der Hauptfigur in diesen Testosteron-Rausch reinziehen lassen. Ha, Kapitalismus. Jetzt kommen die Aushilfskellner und räumen auf! Halbnackte Körper, von der verweichlichten Zivilisation befreit. Die reine Seife mischen. Und schließlich Nitroglycerin. Weil ihnen die Gesellschaft… ähm… weil sie in ihrem Leben… ähm…Weil halt. Frag nicht so doof.

Man kann den Film aber auch interessiert bestaunen. So zum Beispiel die Techniken der Gehirnwäsche, die hier besonders dicht erzählt werden. Natürlich bange ich im Film mit dem namenlosen Charakter von Edward Norton. Der wird zuerst von seinem Lebensumfeld isoliert: Erst fliegt die Wohnung in die Luft, dann verlangt Tyler, dass er seine Arbeit aufgibt. Er verliert jeden Halt und wird mit Schlafentzug, Schmerz und Gaslightning dazu gebracht, eine widersinnige Realität zu akzeptieren. Ein abgeschmackter Zeitschriften-Text wird plötzlich zu seinem Mantra, das ihm vermeintlich Halt gibt. „I am Jack’s Medulla Oblongata. I Am Jack’s inflamed sense of rejection.“ Tatsächlich ist er im freien Fall.

Und nicht nur ihm geht es so. Als schließlich ein ganzer Raum von Tylers Anhängern „His name is Robert Paulson“ skandiert, war das für mich der Punkt, wo sich Tyler Durden mit all seiner Bravado ins Nichts manövriert hat. Er hat zwar einen Haufen fanatischer Follower, hat ihnen aber nichts Bleibendes anzubieten. Er hat keine Mission, er hat keine Gegner. Außer vielleicht aufgeblasenen Chefs, die dienstags kornblumen-blaue Krawatten tragen. Oder Marla? Ja. Nein! — Kein Wunder, dass wir auf ein schnelles und drastisches Ende zusteuern.

Dass viele Leute quasi die gegenteilige Botschaft aus dem Film ziehen, ist kein Zufall. „The Matrix“ kann relativ wenig dafür, dass der Begriff „redpilled“ zu einem Meme für die ekligsten Verschöwungstheoretiker des Netzes wurde. David Fincher hingegen zelebriert in Fight Club die vermeintlich überschäumende Männlichkeit in mal überästhetisierten und mal drastischen Bildern. Damals sprach man noch nicht von „toxischer Maskulinität“, aber wer hat sie seither eindrucksvoller im Bild eingefangen?

Dem vermeintlich prototypischen Fan von Fight Club ist ein ganzes Genre gewidmet. Boxer, Kämpfer, Krieger en masse. Clint Eastwood-Filme. Bruce Willis-Filme. Sylvester Stallone-Filme. Full Metal Jacket. American Psycho. Goodfellas. Clockwork Orange. V for Vendetta. Taxi Driver. Scarface. The Joker. Der Mann wird durch Leiden zum Helden gestählt und gebiert einen Übermenschen.

Vielleicht sind diese Helden aber alle eher so etwas wie Don Quichotte. Forrest Gumps mit mehr Muskeln, traurige Hulks. Wenn man diese Möglichkeit nicht mehr sehen kann, handelt es sich vermutlich um keinen besonders guten Film. Bei Fight Club sehe ich sie allenthalben.