Es mag makaber klingen…

Der baden-württembergische Ministerpräsident äußert sich zu geplanten Waffengesetzänderungen.

Auch nach dem Vierfachmord von Eislingen will Oettinger die Beratungen nicht beschleunigen. „Es mag makaber klingen, aber ein Schnellschuss wäre dem Thema nicht angemessen.“

Ja, es ist makaber. Warum es also überhaupt sagen? Könnte man als professioneller Kommunikator statt „Schnellschuss“ nicht „übereiltes Gesetz“ sagen? Wäre ein Statement wie „Wir müssen sorgfältig arbeiten, um Tragödien in Zukunft zu vermeiden“ so unzitabel?

Blame Game

Politiker beuten den Amoklauf aus! Medien vergessen jede Ethik, amoktwittern, provozieren neue Gewalttaten geradezu! Die Polizei und der Innenminister haben falsch informiert, gelogen! Die Waffenlobby tut unschuldig, wo man doch weiß, was das für gun nuts sind! Das Publikum ist sensationsgeil: seht nur die Einschaltquoten und Auflagenzahlen! Spiele-Fans haben den Blick für die Realität verloren, attackieren alle, die auch nur Gewaltspiele erwähnen! Die Spießer der Nation wollen mit dieser Tragödie das Rat der Zeit zurückdrehen!

Schnell, schnell, eine Forderung

Seelsorger müssen Trost spenden, Lehrer müssen Vorbild sein, Politiker müssen fordern:

Nach dem Amoklauf von Baden-Württemberg ist in der Politik die Forderung nach einem Einsatz von Metalldetektoren an Schulen laut geworden.

Tolle Idee. Ein nervendes Piepen hilft absolut zuverlässig gegen eine durchgeladene und entsicherte Baretta. Nicht nur das: in der langen Schlange vor dem Detektor können die Schüler morgens noch ihre Hausaufgaben erledigen – also gibt es weniger Frust-Potenzial. Und die Taschenkontrolle ist endlich mal eine vernünftigen Beschäftigung für die vielen Lehrer, die aufgrund der Lehrerschwemme sonst nichts zu tun haben.

Noch eine viel bessere Idee:

Man sollte über automatische Zugangssicherungssysteme nachdenken, gestützt auf Chipkarten oder Schülerausweise, sagte Freiberg weiter.

Man braucht lediglich eine fünf Meter hohe Mauer um jede Schule, Sicherheitsschleusen und eine digitale Vollerfassung jedes einzelnen Kindes. Kein Problem.

Reflex Killerspiele

Wieder mal eine Tragödie: ein Amoklauf.

Der SWR meldet:

Zudem beschlagnahmten die Beamten einen Computer, um zu prüfen, ob sich der 17-Jährigen mit Gewaltspielen beschäftigt hat.

Also ich halte die Beamten für so intelligent, dass sie auf dem Computer zunächst nach anderen Dingen suchen: Ein Abschiedsbrief, Droh-Emails, Rückschlüsse auf sein Motiv.

Bild.de füllt den Begriff „Gewaltspiele“ mit Leben und beklagt zugleich den Zustand unserer Gesellschaft.

Und noch immer stehen gewaltdominierte Computerspiele wie „Empire: Total War“ oder „World of Warcraft“ ganz oben in den Hitlisten.

Vielleicht ist auch Zeit für eine Neue Wortschöpfung: Gewalttwittern.

Der Kölner Amoklauf und SNAFU

Nachdem immer mehr Pannen bei dem angeblich verhinderten Amoklauf in Köln bekannt werden, reagiert die Polizei auf Kritik:

Dennoch sei es berechtigt gewesen, so früh an die Öffentlichkeit zu treten. „Die zunächst für Montag, 12 Uhr geplante Pressekonferenz musste auf Sonntag vorverlegt werden. Der in der Kölner Bevölkerung insbesondere unter Schülern, Lehrern und der Elternschaft vorhandenen großen Beunruhigung wegen eines befürchteten Amoklaufs am Georg-Büchner-Gymnasium musste unverzüglich in geeigneter Weise entgegengewirkt werden“, so die Polizei. „Die E-Mail-Kette lief, die Telefonkette lief. Das alles hatte sich schnell bei der Schülerschaft herumgesprochen.“ Besonderer Handlungsbedarf habe „vor dem Hintergrund des Jahrestages der schrecklichen Ereignisse in Emsdetten“ bestanden.

Ich kenn mich ja in Ermittlungstaktik nicht aus, aber ist es ratsam, vor dem Jahrestag eines Amoklaufs möglichst große Panik zu verbreiten? Der versammelten Presse vier Waffen zu zeigen, obwohl drei davon absolut nutzlos waren und die vierte nur in einer schlechten Robin Hood-Verfilmung für einen Amoklauf geeignet gewesen wäre? Von Rohrbomben zu sprechen, obwohl keine gefunden wurden? Eine Erfolgsmeldung zu verbreiten, obwohl die wichtigsten Fakten noch nicht vorlagen?

PS: Wie man aneinander vorberireden kann, zeigt diese Meldung:

Schon vor Bekanntwerden der neuen Fakten hatte der Münchner Polizeipsychologe Georg Sieber der Kölner Polizei vorgeworfen, sie habe nur «einen publikumswirksamen Erfolg präsentieren» wollen. Steffenhagen wies das entschieden zurück: «Wir mussten von einer sogenannten Amok-Lage zum Jahrestag von Emsdetten ausgehen.»

Auch „Amok-Lagen“ kann man ohne verfrühte Erfolgsmeldungen und fragwürdige Waffenpräsentationen bewältigen.

Keine Erfolgsstory

Wie ich bereits vermutet habe, löst sich der von der Polizei verkündete Erfolg wegen des vermeintlich verhinderten Amoklaufs in Luft auf. Der WDR berichtet:

Der 18-jährige Schüler, der in Köln einen Anschlag auf eine Schule mitgeplant haben soll, ist freigelassen worden. Die Kölner Staatsanwaltschaft erklärte am Nachmittag, die beiden Schüler hätten offenbar von ihrer für Dienstag (20.11.07) geplanten Tat bereits vor dem Eingreifen der Polizei Abstand genommen.

Reden wir drüber

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamten, Klaus Jansen, hat nach dem Tod eines 17jährigen in Köln ein Anliegen:

Dazu seien besondere technische und psychologische Fähigkeiten und eine entsprechende Qualifizierung des zuständigen Personals nötig. Für diese Weiterbildung müsse auch Geld investiert werden. Auch das umstrittene Thema Online-Durchsuchungen müsse vor diesem Hintergrund noch mal diskutiert werden.

Die Diskussion kann man gerne führen. Sie umfasst exakt einen Satz:

Hier haben wir mal wieder einen Fall, wo eine Online-Durchsuchung absolut unnütz gewesen wäre: man kann keine Computer durchsuchen wenn man nichts von einem Täter weiss.

Vielleicht möchte Herr Jansen seine Internet-Fortbildung machen, bevor er das nächste Mal ein Interview zum Thema gibt?

Wie man Amokläufe verhindert

Aprospos Amoklauf in Köln: Nach Pressemeldungen war der Amoklauf für Dienstag geplant – ein Jahr nachdem ein 18jähriger in Emsdetten einen Amoklauf begangen hatte. Bastian B. hatte vor der Tat Bilder von sich ins Internet gestellt, wie er mit Waffen posiert. Solche Bilder scheinen auf die Nachahmer eine gewisse Faszination auszuüben.

Wie bebildert man also die Meldung über die Nachahmer? Die Welt macht es so:

So verhindert man Amokläufe

Wie oft werden wir dieses Bild morgen noch sehen?

Amoklauf verhindert?

Grade geht eine große Story durch die Medien: Die Kölner Polizei hat einen Amoklauf verhindert. Wie das? In einer Meldung werden die Ereignisse so geschildert:

Am Freitagmittag habe sich die Leitung des Gymnasiums im Stadtteil Weiden an die Polizei gewandt, weil der mutmaßliche Haupttäter Bilder des Amoklaufs im amerikanischen Columbine ins Internet eingestellt habe, berichtete Wagner. Mitschüler hatten die Schulleitung darauf aufmerksam gemacht. Der 17-Jährige habe als Grund Protest gegen solche Taten genannt.

In einem Gespräch mit der Polizei habe er Einsicht gezeigt, dass genau dies solche Attentate befördere, und sich einverstanden erklärt, die Bilder wieder von der Seite zu nehmen. Unmittelbar danach habe sich der Jugendliche, der als unauffällig und ruhig beschrieben wurde, auf dem Weg nach Hause vor eine Straßenbahn geworfen, um sich zu töten. Er starb später an seinen Verletzungen.

Klingt für mich eher nach einem tragischen Misserfolg der Polizei. Ein Jugendlicher ist tot – vielleicht ließ sich das auch nicht verhindern. Aber die einzige gefundene potenzielle Mordwaffe ist eine Armbrust. Das ist auf alle Fälle keine Erfolgsstory.