Free Muntader

Ein Video geht um die Welt: ein irakischer Journalist hat die letzte Pressekonferenz von US-Präsident George W. Bush im Irak genutzt, um ihn hart zu beschimpfen und seine Schuhe auf den Präsidenten zu werfen. In den meisten Berichten bleibt der Angreifer namenlos, Bush scherzt sogar, dass der Mann – ein Fernsehkorrespondent – offensichtlich nur ins Fernsehen wollte. Muntadar al-Zeidi (oder Muntader Zeidi?) kann derzeit nicht zurückscherzen: Er wurde inhaftiert, wie die New York Times meldet:

The television channel broadcast a request for Mr. Zaidi’s release in the name of democracy and freedom of speech. “Any procedure against Muntader will remind us of the behavior of the dictatorship and their violent actions, random detentions and mass graves,” the channel said. “Baghdadia TV channel also demands that the international and Iraqi television organizations cooperate in seeking the release of Muntader Zaidi.”

Zugegeben: eine extensive Auslegung freier Rede. Es wäre aber dennoch interessant zu wissen, welche Strafen diesem Journalisten im heutigen Irak blühen. Unter Saddam Hussein hätte Zaidi einen solchen Auftritt wohl kaum überlebt, in Deutschland und den USA wäre der Mann wohl nach einem ausführlichen Interview wieder auf freiem Fuß.

PS: Ein paar mehr Details:

Nach dem Zwischenfall gestern schleppten irakische Sicherheitsbeamte Al Zaidi aus dem Saal und schlugen und traten ihn dann, bis er – so ein Augenzeuge – „wie eine Frau geheult“ habe. Sein Sender verlangt die sofortige und bedingungslose Freilassung des Reporters, „im Namen der Demokratie und der Meinungsfreiheit“, wie es in einer Stellungnahme hieß. Eine regierungskritische Nachrichtenagentur in Baghdad gratulierte Al Zaidi zu seinem – so wörtlich – mutigen Auftreten. Der Chef der irakischen Organisation für Pressefreiheit sprach hingegen von „unprofessionellem Verhalten“.

Kollegiale Hilfe bei der Polizei

Das Opfer wurde durch eine Notoperation grade gerettet, da kommt auch schon der Vorsitzende der Berufsvertretung zur Hilfe. Allerdings kommt der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt nicht etwa dem niedergestochenen Polizeidirektor Alois Mannichl zu Hilfe – er hilft sich lieber selbst und politisiert den Anschlag auf einen Kollegen.

Die tz zitiert Wendt unter Berufung auf die DPA:

Im Strafgesetz sei für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nur eine Strafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen. “Damit werden Angriffe auf Polizisten im Strafgesetz genauso behandelt wie Fischwilderei“, sagte Wendt.

Das ist einerseits richtig: § 293 und § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches haben eine ähnliche Strafandrohung. Was Herr Wendt gezielt verschweigt ist der Absatz 2 des Paragraphen 113, der einen wesentlich höheren Strafrahmen vorsieht. Und Herr Wendt lässt unerwähnt, dass selbstredend die Verletzung eines Beamten eine Anzeige wegen Körperverletzung nach sich zieht – im Fall von Alois Mannichl ermittelt die Staatssanwaltschaft wegen eines Tötungsdelikts. Der Strafrahmen ist also nach oben offen: bis hin zu lebenslanger Haft plus Sicherungsverwahrung.

Aber es geht noch weiter. Denn Herr Wendt hat auch eine noch konkretere Forderung:

Einen Angriff außerhalb des Dienstes wie in Passau habe es aber noch nie gegeben. “Dass in die Privatsphäre eines Polizisten eingedrungen wird, haben wir bis jetzt noch nie erlebt.“

Nun müsse umso stärker darauf geachtet werden, Informationen über Polizisten nicht preiszugeben. Der Plan, Beamte in Berlin mit Namensschildern auszustatten, sei daher vollkommen kontraproduktiv. Es müsse alles getan werden, um das Leben der Polizisten zu schützen. “Dazu gehört auch, dass der Dienstherr nicht selbst die Namen bekannt gibt.“ Die Beamten seien von sich aus stets darauf bedacht, ihre Privatsphäre zu schützen und würden beispielsweise als Zeugen in Gerichtsverfahren nie ihre private Adresse nennen.

Ich empfinde das als perfide, weil das eine mit dem anderen nun überhaupt nichts zu tun hat. Ein Polizeidirektor, der im Kampf gegen den Rechtsextremismus eine lange Medienkarriere hinter sich hat, muss nicht durch Namensschilder auf der Uniform enttarnt werden. Hingegen kann eine solche Kennzeichnung bei Verstößen gegen den § 340 StGB höchst sinnvoll sein. Wie zum Beispiel in diesem Fall.

Der Boulevard kennt keine Zweifel

Ein Verbrechen, das die Medien die nächste Zeit noch beschäftigen wird: Der Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl wurde von einem Unbekannten niedergestochen. In Agenturmeldungen kursieren wörtliche Zitate des Angreifers – noch bevor die Staatsanwaltschaft und Innenministerium Details bekannt gegeben haben.

„Viele Grüße vom nationalen Widerstand“, soll der Angreifer gesagt haben. Wer das allerdings zu Protokoll gegeben hat, wird von den Medien nicht überliefert. Eine klassische situation unfolding. Die gesamte Täter-Story kann sich als dicke Ente entlarven.

Also ist erst Mal Vorsicht angesagt. Die These der Neonazi-Attacke sollte in der Überschrift von dicken Fragezeichen, einem „vermutlich“ oder mindestens einem „offenbar“ begleitet werden, das Wort „Verdacht“ wäre auch nicht verkehrt.

Natürlich kann sich nicht jeder Zweifel leisten:

boulevard-vermutlich

PS: N-tv hat auch nicht allzu viel für Abwägungen in der Überschrift übrig. Aber das ist nichts gegen das Ende dieses Artikels. Dort erwartet den Leser diese Bildergalerie:

ntv-lachen-der-nazis

Untouchable

Zur sofortigen Veröffentlichung! The Untouchable DJ Drastic Disputes Wikipedia.org and Wikimedia Foundation:

An e-mail statement from The Untouchable DJ Drastic who is currently in Dubai on professional hiatus for the holidays reads, “If I’m correct, Wikipedia is a small company of about 10 – 50 employees. They’re a non-profit organization. How would it look for me to debate with a non-profit organization?

Ja, wie sieht es aus? Nicht gut.

PS: Wirklich nicht gut.

Schwachstark

Ist meinungsstark eigentlich ein Synonym für faktenschwach?

Ich mag ja deutliche Meinungen. Aber in letzter Zeit finde ich zu viele Leute, die zu jedem Thema lautstark ihre Meinung verkünden und zu wenige, die von diesen Themen tatsächlich Ahnung haben.

Bombige Metapher

Christian Bos im Kölner Stadtanzeiger über Twitter:

Die Stärke von Twitter liegt in der einfachen Handhabung, gerade übers internetfähige Mobiltelefon. So zündet die vor Ort entsicherte Handgranate auf jedem Bildschirm.

Au. Au. Aua.

Was hat Dich nur so ru-PI-niert?

StudiVZ-Pressemitteilung vom 20. August 2007

Im Mai 2007 wurden die Nutzungsdaten von studiVZ erstmals durch die IVW gemessen und die Community schaffte es auf Anhieb auf Platz 1 aller deutschen Internetmedien mit 2,6 Milliarden Page Impressions. „Michael Brehm, COO: „In den nächsten Monaten wollen wir weiter stark zulegen, sowohl bei der Zahl der Mitglieder als auch bei der Vermarktung an Werbekunden. Ich bin sicher, dass Marcus Riecke uns hierbei die perfekte Unterstützung liefern wird.““

StudiVZ-Pressemiteilung vom 8. Februar 2008:

Die unglaubliche Erfolgsstory von studiVZ und schülerVZ geht in die nächste Runde: Laut aktuellen IVW-Zahlen sind die beiden Onlinenetzwerke weiter die mit Abstand erfolgreichsten Webangebote in Deutschland. studiVZ erreicht demnach im Januar 2008 ein erneutes IVW-Rekordergebnis von mehr als 173 Millionen Visits und knapp 6,3 Milliarden Page Impresssions (PIs). Damit belegt Europas größtes Studentennetzwerk bereits zum neunten Mal in Folge Platz 1 unter den deutschen Websites.

StudiVZ-Pressemitteilung vom 10. März 2008:

studiVZ und schülerVZ führen weiter mit deutlichem Abstand die IVW-Rangliste an: Mit über 168 Millionen Visits und mehr als 5,8 Milliarden Page Impressions (PIs) ist Europas größtes Studentennetzwerk studiVZ laut aktuellen IVW-Zahlen bereits zum zehnten Mal in Folge das erfolgreichste Webangebot in Deutschland.

StudiVZ-Pressemitteilung vom 8. April 2008:

„Die aktuellen IVW- und AGOF-Zahlen bestätigen den ungebremsten Erfolg unserer Netzwerke“, so Marcus Riecke, CEO studiVZ. „In diesem Monat hat es schülerVZ durch ein beeindruckendes überproportionales Wachstum sogar bis auf Platz eins der IVW-Rangliste geschafft.

StudiVZ-Pressemitteilung vom 9. Mai 2008

„Dieser fünfte IVW-Doppelerfolg spiegelt die hohe und beständige Zufriedenheit unserer Mitglieder wider“, so Marcus Riecke, CEO studiVZ. „Mit inzwischen über neun Millionen registrierten Mitgliedern verfügen wir nicht nur über die größte, sondern auch über die aktivste Community in Deutschland. Keine anderen Websites werden so häufig und regelmäßig genutzt wie schülerVZ und studiVZ. Das zeigen die aktuellen IVW-Zahlen deutlich.“

StudiVZ-Pressemitteilung vom 8. August 2008:

Die Erfolgsstory der VZ-Gruppe geht in die nächste Runde: Erstmals von der IVW ausgewiesen belegt meinVZ Platz 6 der deutschen Klickrangliste. Nur 5 Monate nach dem Start erreicht meinVZ über 35 Millionen Visits und 1,3 Milliarden Page Impressions. Kein anderes deutsches Netzwerk ist bisher so erfolgreich gestartet. Schon jetzt liegt meinVZ vor den Lokalisten und Yahoo.

StudiVZ-Pressemitteilung vom 8. September 2008:

„Darüber hinaus ist die hohe Anzahl der Page Impressions, die insbesondere Communities generieren, zwar ein relevanter, aber dennoch nur ein Erfolgsfaktor. Mindestens ebenso wichtig sind uns beispielsweise Unique Users, Verweildauer, Mitgliederzahlen – und vor allem die einfache Bedienbarkeit unserer Seiten und die daraus resultierende Nutzerzufriedenheit.““

StudiVZ-Pressemitteilung vom 8. Dezember 2008:

Die VZ-Gruppe untermauert als Marktführer mit dieser Strategie den Bedeutungsverlust der Kontaktgröße Page Impressions – insbesondere für Social Communities. Gleichzeitig unterstützt die VZ-Gruppe das im September angekündigte Vorhaben der AGOF, die Messgröße Page Impression grundsätzlich zu überarbeiten.

Was hat die Page Impressions nur so so ruiniert, was hat ihnen so plötzlich ihre große Bedeutung geraubt?

Ach so.

Lancieren und dementieren (Update)

Mit reichlich Verspätung dementiert der aktuelle StudiVZ-Chef Clemens Riedl Verkaufsgerüchte. Nun – es ist kein starkes Dementi. Riedl sagt, seine Gesellschafter hätten ihm „versichert“, dass es keine solchen Pläne gebe. Eine Wortwahl, die nicht viel Vertrauen weckt.

Aktueller – wenn auch nicht einziger – Anlass der Verkaufsgerüchte war eine Vorabmeldung der Wirtschaftswoche. Darin heißt es:

Ein Zusammengehen von StudiVZ mit dem amerikanischen Portal Facebook, das einen eigenen Ableger in Deutschland betreibt, könnte nach Verlagsangaben sinnvoll sein.

Wow. Holtzbrinck spekuliert offen über den Verkauf an Facebook, obwohl die Unternehmen sich grade gegenseitig verklagen? In einer konzerneigenen Zeitschrift? Ich konnte das nicht ganz glauben und habe mir die Print-Ausgabe der Wirtschaftswoche gekauft. Dort heißt es:

Ein Zusammengehen von StudiVZ mit dem amerikanischen Portal Facebook, das einen eigenen Ableger in Deutschland betreibt, könnte sinnvoll sein. Gespräche darüber gab es – doch seit dem Sommer herrsche Funkstille, heißt es aus Stuttgart. Doch StudiVZ scheint zum Verkauf zu stehen – wenn der Preis stimmt.

Also eine Ente? Vielleicht. Dass hier jemand einfach etwas falsch zusammengefasst und zwei nebeneinander stehende Aussagen irrtümlich einer Quelle zugeordnet hat, scheint naheliegend. Aber wieso korrigieren weder Wirtschaftswoche noch Holtzbrinck diese simple Schludrigkeit?

Update: Im Gegensatz zu meiner Anfrage an Holtzbrinck wurde die von netzwertig.com beantwortet. Dort heißt es:

Sowohl studiVZ-CEO Dr. Clemens Riedl als auch Holtzbrincks stellvertretender Vorstandsvorsitzender Dr. Jochen Gutbrod dementierten auf Anfrage von netzwertig.com Gerüchte über einen anstehenden Verkauf. Die WiWo sei falsch informiert gewesen, so Gutbrod.

Update 2: Meine Mail an die Wirtschaftswoche blieb leider unbeantwortet, aber wohl nicht ungehört. Stillschweigend wurden die Wörtchen „nach Verlagsangaben“ aus dem Text entfernt. Stattdessen prangt nun ein Update daneben:

Die Verlagsgruppe Holtzbrinck hält an ihrer Internet-Tochter StudiVZ fest. „Unser Gesellschafter hat versichert, dass er voll und ganz hinter StudiVZ steht, und es keine Pläne für einen Verkauf von StudiVZ gibt“, sagte Clemens Riedel, StudiVZ-Chef zur FAZ.

Seit Wochen hielten sich Gerüchte im Markt, das größte deutsche Social Network im Web würde an den US-Konkurrenten Facebook verkauft. Gespräche darüber hat es bereits gegeben. Sie wurden jedoch laut WirtschaftsWoche im Sommer beendet.

Laut WirtschaftsWoche? Laut Verlagsangaben!

‚konsistent‘

Aus einem Newsletter:

Neben wunderbaren Gewächsen aus Piemont, Toscana und Co., können wir Ihnen erstmals eine kleine Auswahl an leckerer Feinkost ‚Spezialitäten‘ offerieren. Auch hierbei finden Sie bei uns Artikel, die im Supermarkt nicht erhältlich sind. Es sind die Kleinigkeiten, die unsere Tage schöner machen, die uns belohnen und Freude schenken. Aus unserem Lager habe ich erstmals einige Schatzkammerweine aus dem Piemont für Sie ‚entführt‘.

Was sollen mir die Anführungszeichen – oder korrekt: die halben Anführungszeichen – sagen? Ist es eine Hervorhebung, dann sind die Weine ganz besondere Spezialitäten, und der Händler hat sie ganz besonders illegal beschafft. Ist es ein Zeichen von Ironie und Doppelbödigkeit, hat der Händler die Flaschen ganz legal gekauft und der Wein ist doch nicht so speziell.

Ich entscheide mich für Variante A. Deshalb sollte ich wohl schnell kaufen, bevor die Mafia meinen Weinhändler findet.

Politisch korrekt

Heute morgen im DLF:

Der geschäftsführende hessischen Ministerpräsident hat…

Heute morgen im WDR2:

….Armin Laschet, der Integrations-Minister von Nordrhein-Westfalen, vieleicht bald auch der Einwanderungsminister“