Fragwürdige Journalistenkritiker

Ein paar Leute haben eine Polylux-Redakteurin reingelegt und anschließend ein lustiges Video veröffentlicht, mit dem sie ebenfalls sehr viel Spaß hatten. Die Aktion war ein voller Erfolg: viele Medien und noch mehr Blogs berichteten über diesen „Medien-Hack“.

Kurz bevor sich die Polylux-Redaktion in ihrer Sendung rechtfertigen will, hat das Kommando „Tito von Hardenberg“ nun eine eigene Rechtfertigung nachgeschoben. Nein, das Ganze war kein Jux, sondern fundierte Gesellschaftskritik an fragwürdige Recherchemethoden:

„Sinn und Zweck der Aktion war es, am Beispiel Polylux auf fragwürdige Recherchemethoden in der Medienlandschaft hinzuweisen.“ Eine einfache Google-Suche hat ergeben: Polylux sucht häufiger mittels Anfragen in Internetforen nach Protagonisten für Beiträge. Egal ob Speed-User, Sektenaussteiger, überforderte Studenten oder Menschen ohne Beziehungserfahrung – stets kommt das „Frischfleisch“ für die nächste Sendung aus der „lieben Community“ im Internet. Ob es sich bei dieser Art der Protagonisten-Akquise überhaupt um Recherche handelt, ist fraglich.

Nun, die Frage kann ich den Spaß-Guerilleros gerne beantworten. Natürlich ist das Recherche. Irgendwo muss jeder anfangen. Und warum sollte man irgendein Kommunikationsmittel pauschal ausschließen? Solange der Foren-Beitrag nicht der Endpunkt der Recherche ist, ist gegen diese Methode nichts zu sagen.

„Die Methode, mit einer offenen Anfrage in Web-Communities nach Protagonisten zu suchen“, so die Sprecherin weiter, „birgt die Gefahr, schnell an falsche Gesprächspartner zu geraten. Eine qualitative Recherche nutzt persönliche Kontakte im jeweiligen Umfeld, um an glaubwürdige Interviewpartner zu gelangen, und bietet nicht jedem, der gerade will, die Möglichkeit, irgendetwas in eine Kamera zu sprechen.“

Das ist gelinde gesagt Blödsinn. Wer seine „qualitative Recherche“ ausschließlich auf persönliche Kontakte gründet, hat die falschen Gesprächspartner abonniert. Denn wenn Journalisten ausschließlich die eigenen Kontakte nutzen, besteht die Öffentlichkeit im Medienspiegel bald ausschließlich aus Akademikern, PR-Arbeitern und IPhone-Besitzern. Verlassen sie sich auf die persönlichen Kontakte von Experten, werden die immer Personen präsentieren, die genau zu den eigenen Thesen passen.

Irgendwie erinnert die Polylux-Aktion an die Reichstagskletterer vom letzten Jahr. Auch dort hatten wir eine öffentlichkeitswirksame Aktion. Nur was machten die vermeintlichen Revolutionäre damit? Gar nichts.

Panik um 8:55

Das Geräusch ist schrecklich. In Sekundenbruchteilen ruft mein Kleinhirn: „Alarm“. Mit großen Schritten hechte ich durch meine Wohnung, suche die Quelle des Übels. Blitzschnell kalkuliere ich meine besten Erfolgsaussichten: Stromzufuhr kappen? Sinnlos, wegen der Akkus. Den Regler betätigen? Dauert zu lange. Wie von selbst findet meine Hand den Hammer, den ich schon vor Wochen wegräumen wollte. Noch einen Schritt, kräftig ausholen – Gefahr gebannt.

Wie viele Radios hat Xavier Naidoo eigentlich auf dem Gewissen?

Der EeePC-Rant

Fast hätte ich mir einen Eee-PC gekauft: Ein innovatives Gerät, gleichsam Spielzeug und nützliches Arbeitsgerät. Schick anzusehen, praktisch und preisgünstig. Ein speziell angepasstes Linux schließt Treiber-Konflikte aus und ermöglicht es, Desktop-Applikationen an die heute ungewohnte Displayauflösung anzupassen. Völlig neue Möglichkeiten.

Dann der Schock auf der Cebit: Sie klatschen einfach Windows drauf. Auf einem Nebenstand konnte man das Trauerspiel sehen: Eee-PCs mit einem unangepassten Windows XP. Die GUI des IE ist so fett, dass man von einer Webseite kaum noch etwas sehen kann. Das präsentierte Zubehör war auch nur notdürftig mit Linux betreibbar, volle Funktionalität nur mit Windows. Auf der Pressekonferenz demonstrierte der ASUS-Chef dann, dass er absolut keine Ahnung hatte, wie es zu diesem tollen Erfolg kommen konnte. Strategie: Schnell möglichst viel davon verkaufen – die Konkurrenz wird den Eee-PC bald übertreffen.

Ergebnis: Statt einem innovativen Gerät mit iPod-Potenzial haben wir ein Billig-Laptop von einem Hersteller mit zweifelhaftem Support. Wird das fest verlötete Soliud State Drive über die Garantiezeit halten? Oder in ein paar Monaten massenhaft ausfallen? Jetzt reduziert Asus auch noch klammheimlich die Akku-Kapazität.

Schade Asus. Ihr habt es nicht anders gewollt.

Onlinesüchtig und selbstreferentiell

Schön: Der Online-Redakteur der Netzeitung Maik Söhler interviewt einen Onlinesüchtigen – sich selbst.

Netzeitung: Als Suchtsymptome nennen Psychologen meist diese Aspekte: enorme Anstrengungen, um an das Suchtmittel zu gelangen; die Dosis immer weiter zu erhöhen; Entzugserscheinungen, die sich in Niedergeschlagenheit, Unruhe und erhöhter Reizbarkeit ausdrücken; Rückzug von Freunden und Verwandten. Welche dieser Symptome sind Ihnen nicht fremd?

Söhler: Die Anstrengungen, an einen Computer mit Netzanschluss zu gelangen, sowie gelegentlich die Unruhe und Gereiztheit, wenn das nicht klappt. Auch die Erhöhung der Dosis kenne ich gut.

Netzeitung: Wie genau äußert sich das bei Ihnen?

Söhler: Ich kann im Urlaub ganz gut ohne Computer, Internet und Spielkonsole leben. Wenn ich am Strand liege, vermisse ich sie nicht. Das kann tagelang so gehen. Dann aber laufe ich zufällig an einem öffentlich zugänglichen Computerterminal vorbei, bleibe stehen, logge mich ein, rufe meine Mails ab und surfe. Fortan werde ich am Urlaubsort meine Wege so einrichten, dass ich zumindest an jedem zweiten Tag an diesem Terminal vorbei muss.

Die Dosis wird ganz von selbst erhöht, indem man sich auf das, was man digital gerade macht, immer stärker einlässt. Ich besuche ein Weblog, in dem jemand einen tollen Eintrag geschrieben hat. Dieser Eintrag hat 40 Kommentare hervorgerufen. Von den 40 Kommentatoren verlinken 25 auf ihre eigenen Blogs. Die surfe ich dann alle ab. Wie es so geht, komme ich von dort auf wieder neue Blogs mit tollen Einträgen und so weiter.

Nett gemacht.. Und auf die Idee muss man erst mal kommen.

Mail von VistaPrint

Mein Vater hatte vor etwas über einem Jahr Gratis-Visitenkarten bei VistaPrint bestellt. Und bekam seitdem fast täglich eine neue Mail mit tollen Produkthinweisen, Sonderangeboten, Gewinnspielen. Dass das viel zu viel ist, weiß VistaPrint offenbar selbst. Wer sich abmelden will, bekommt folgenden Kompromiss angeboten:

Wir sind dem Link „Abmelden“ gefolgt, haben eine kleine Umfrage zu den Gründen beantwortet und konnten dem Lockangebot eines pauschalen 25-Prozent-Rabatts auf VistaPrint-Produkte widerstehen. Und was bekommt mein Vater am nächsten Tag? Eine weitere Mail von VistaPrint:

Wir möchten uns für Ihr Vertrauen in VistaPrint bedanken! Da wir großen Wert auf Ihre Meinung legen und stets darum bemüht sind unser Service für Sie zu verbessern, bitten wir Sie um Ihr Feedback und laden Sie dazu ein an unserer Umfrage teilzunehmen.

Um an unserer Umfrage teilzunehmen klicken Sie bitte hier.

Als Dankeschön für Ihr Vertrauen und Ihre Zeit möchten wir Ihnen, einige unserer beliebtesten Produkte zu einem großartigen Preis anbieten.

Offenbar haben wir meinen Vater nur von der Mailingliste für Sonderangebote und Sonderverkäufe abgemeldet, nicht aber von dem Verteiler für Vertrauensdank und Umfragen in Verbindung mit großartigen Preisen.

Ob diese merkbefreite Kamikazekommunikation auch patentiert ist?

Personalisierte Werbung oder werbonalisierte Personen?

Grade habe ich Jan Schmidt im ZDF-Interview zu Selbstdarstellung im Internet gehört. In einem Nebensatz ging er kurz auf personalisierte Werbung ein und erklärte, dass die Werbung an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst wird.

Ist nicht schon der Begriff „personalisierte Werbung“ eine ganz große Lüge? Denn in Wahrheit läuft es ja genau andersherum. Die werbenden Unternehmen suchen sich die Beworbenen aus, nicht umgekehrt. Wenn ich einen Werbevermarkter einschalte, kann ich auswählen, ob sie akademisch gebildete Menschen zwischen 23 und 30 Jahren im Großraum Köln ansprechen will. Wenn ich als Kunde hingegen ein starkes Interesse am nächsten Ipod-Update habe, muss ich mich schon selbst bei Apple informieren. Oder die Fachpresse studieren.

Lange Rede, kurzer Sinn: der Begriff personalisierte Werbung ist eine Marketing-Lüge, es existiert bisher allenfalls Mikrotargeting. Wir Konsumenten sind Zielscheiben, keine Geschäftspartner.

Echte personalisierte Werbung wäre doch mal ein Geschäftsmodell. Aber das verlangt Arbeit. Und solche Werbungen wie „Sie wurden auserwählt!!!!11!!!“ kann man dann nicht mehr verkaufen.

Keine Angst vor Craigslist

Seit zwei Wochen gibt es Craigslist auf Deutsch. Mit hohen Erwartungen.

Grund genug, sich das Angebot für Köln mal genauer anzusehen. Fast eine Million Einwohner, Zigtausende von Studenten, viele Medien-Menschen, da muss Craigslist doch brummen. In Nullkommanichts.

Was haben wir denn da? In der ersten Rubrik Communities Allgemein finde ich tatsächlich vier Anzeigen. Zwei Mal Spam eines Medikamentenvertriebs, einmal Werbung für eine wahnsinnig tolle Community, und eine Bitte, an einer Online-Umfrage der Jacobs-University in Bremen teilzunehmen. Sicher. Gerne.

Okay, vielleicht ist diese Rubrik wenig ansprechend, weil sie zu allgemein gestaltet ist. Schauen wir mal bei den Immobilien rein. Büro/Handel: nichts. Nada.
Ferienwohnungen fünf Angebote seit dem Deutschland-Start, davon nur eines mit Kölner Ferienwohnungen – aber ohne konkrete Angebote. Bei den Wohnungsangeboten gibt es drei Anzeigen: zwei Wohnungen und ein Vermittlungsservice, der als ersten Schritt die Erstellung eines Kredit-Profils empfiehlt.

Okay, das war wieder nichts. Sind die Subprimes schuld? Vielleicht hat Craigslist bei menschlicheren Bedürfnissen seine Stärken? In der Rubrik Sie sucht ihn wartet seit einem Monat eine 59jährige Kalifornierin auf einen Deutschen, der zu ihr nach Südkalifornien zieht. Und eine 45jährige Amerikanerin, die temporär in Köln wohnt, sucht sozialen Anschluss samt Sprachnachhilfe. Niedlich: Statt Sülz, schreibt sie „Solz“. Eine amouröse und orthografische Herausforderung.

Bei der in Köln sicher klischeehaft beliebten Rubrik Er sucht ihn sieht es nicht besser aus: Ein Kanadier möchte einen „german bottom boyfriend“, ein Athletic Bi Student sucht „nsa fun“. Ob er gemeinsam Telefone abhören will?

Lange Rede, kurzer Sinn: die deutschen Medien haben nicht allzu viel zu befürchten. Bis die Anzahl der echten Anzeigen den nutzlosen Spam überwiegt, dauert es wohl noch eine ganze Weile. Es reicht halt doch nicht lieblos eine deutsche Sprachversion zusammenzustoppeln, um den Markt aufzurollen.

Den Bürger über’s Knie gelegt

Ein sehr lesenswertes Interview Ex-Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem über Medien, Internet und die innere Sicherheit:

Hoffmann-Riem: Da habe ich überhaupt nicht den Eindruck, dass der Staat stärker geworden ist. Stärke heißt für mich, dass er in der Lage ist, die Probleme mit geringst möglichen Nachteilen zu bewältigen. Er hat viele neue Instrumente, aber noch nicht gelernt, sie so einzusetzen, dass mit geringster Beeinträchtigung der Bürger ein größtmöglicher Erfolg eintritt. Wenn ein Vater seinen Sohn schlägt oder ein Staat seine Bürger übermäßig beeinträchtigt, ist das für mich Machtausübung und keine Stärke.

Bekennt es endlich!

Es macht grade in vielen Blogs die Runde: Das Kommando Tito von Hardenberg behauptet, der Sendung Polylux einen falschen Interviewpartner untergeschoben zu haben. Der war zwar nicht besonders wichtig, sagte auch nichts wirklich Originelles, aber er war falsch. Das sagt zumindest das „Kommando“.

Big deal, ihr Anfänger!

Ich warte schon seit Jahren auf ein Bekennervideo der wirklich großen Medienhacker. Die, die es geschafft haben, über Jahre die TV-Landschaft und die politische Kultur zu beeinflussen. Ich habe nämlich Grund zur Annahme, dass sämtliche Gäste bei Sabine Christiansen Fakes waren. Bis auf Oskar Lafontaine natürlich – der ist so.

Liebes Kommando Sabine Christiansen, bitte steht endlich zu euren Taten. Mir fiele wirklich ein Stein vom Herzen!