Neun-Euro-Ticket – die inoffizielle FAQ

Hinz und Kunz und Onkel Paula veröffentlichen in diesen Tagen FAQs zum Neun-Euro-Ticket. Da es jedoch darum geht, Leute auf die Schiene zu führen, wäre es vielleicht besser, etwas niedrigschwelliger zu informieren. Zu den frequently asked questions sollten sich noch die viel zu wenig gestellten Fragen gesellen.

Wirklich neun Euro?

Ja, wirklich neun Euro. Aber nur pro Monat.

Wird es denn klappen?

Kommt ganz darauf an. Wenn Ihr glaubt, dass das Ticket alleine Leute massenweise und dauerhaft auf die Schiene und in den Bus bringt: Nein, das wird nicht geschehen. Dazu muss schon mehr passieren, viele Milliarden müssen investiert, viele Busfahrer gefunden werden. Wenn das passiert – prima!

Wenn Ihr hingegen die vielen Abgesänge in Pressekommentaren gesehen habt, die das Ticket in Bausch und Bogen verdammten: Ich bin nicht ganz so pessimistisch. Während sich alle Welt auf überfüllte Züge zu Ausflugsorten konzentrieren, weiß ich als vormals häufiger Bahnfahrer eins zu schätzen: Man kann auch mal eine Bahn wegfahren lassen. Und dann den nächsten Zug nehmen. Geht Euch eine Currywurst kaufen, genießt die Sonne. Fahrt Bahn, als ob es nicht wirklich wichtig ist, ob ihr exakt um 9:58 Uhr an der Burg Satzvey ankommt.

Ich bin zuletzt 1993 mit der Bahn nach Sylt gefahren.

Keine Angst. Holt tief Luft. Eins nach dem anderen.

Zum einen: Die Bahn von damals ist nicht die Bahn von heute. Auch dann, wenn es oft genug buchstäblich dieselben Züge sind. Man hat sie neu lackiert, den Interregio gibt es nicht mehr und in den Zügen, die ihr mit dem 9-Euro-Ticket benutzten dürft, gibt es keine Speisewagen. Aber erinnert Ihr Euch daran, dass es 1993 keine Klimaanlage gab? Das wird Euch helfen.

Aha? OK.

Zum zweiten: Schaut Euch das Gepäck an, das ihr mitnehmen wollt. Ist es die volle Koffergarnitur von Tchibo oder Reisenthel? Dann ist das IC/ICE-Ticket wahrscheinlich die bessere Alternative für Euch. Vorteil: Die Fernzüge werden wohl leerer sein. Und das U-Bahn-Ticket zur Berliner Museumsinsel ist inklusive.

Kinderwagen und 15 Schultertaschen? Steht sehr früh auf. Oder nutzt die Lücke, wenn die ganzen anderen Leute schon weg sind. Meidet den Berufsverkehr. Die Apps helfen Euch, aber sie liefern keine Gewissheit.

Aber es ist doch eigentlich ganz einfach: Ich guck in den Fahrplan und geh zum richtigen Zeitpunkt zum Bahnhof?

Nun. Ja. Nein. Vielleicht.

Ihr kennt doch sicher jemanden in Eurem Bekanntenkreis, die mehr Erfahrung hat. Fährt die S-Bahn-Linie S12 wirklich pünktlich? Ist an diesem Samstag vielleicht ein Bundesliga-Spiel, von dem ich wissen sollte? Seid sozial, stellt Fragen.

Und dann?

Stell Euch bei den ersten Malen auf ein Abenteuer ein. Ein Lehrer erzählte mir einst stolz von seinen Reisen: Bevor man in einem fremden Land ankommt, sollte man zumindest die Zahlen von Eins bis Zehn und ein paar Phrasen beherrschen. Im Fall des Tickets heißt das: Installiert die Apps. Mindestens den DB-Navigator und die App Eures lokalen Verkehrsverbundes. Und dann versucht, von den Einheimischen zu lernen.

Einheimische? Wovon redest Du?

Nun – es gibt Leute, die jeden verdammten Tag in die Bahn steigen. Die meisten Probleme könnt ihr vermeiden, wenn Ihr deren Verhalten imitiert oder sie fragt, falls ihr nicht weiterkommt.

Die erste Lektion, für die ihr niemanden fragen solltet: Leute können erst in einen Zug einsteigen, wenn andere ausgestiegen sind. Das heißt: Lasst diesen Leuten Platz. Und steigt nicht mit 30 anderen Passagieren an einer Tür ein, wenn 18 andere Türen am Zug sind. Ihr lernt es mit der Zeit, Euch genau zur richtigen Zeit an der richtigen Tür anzustellen.

Das klingt zu kompliziert.

Ja. Nein. Ihr müsst Euch anpassen, wenn ihr das Neun-Euro-Angebot wollt. Payback bezahlt Euch Zehntel-Cents dafür, Eure gesamte Kauf-Historie zu vermarkten, also sollte es doch möglich sein, sich anzupassen. Was an Pfingsten um 9:58 Uhr passiert, wird wahrscheinlich nicht an einem Alltags-Dienstag um 10:13 passieren. Es wäre wirklich toll, wenn uns die Apps dabei helfen würden.

Aber die Bahn… suckt?

Herzlich willkommen im Erwachsenenleben – in einer Welt, die sich verändert. Schnallt Euch an. Natürlich nur metaphorisch. In der Bahn gibt es keine Gurte.