Es wird zurzeit viel über Gorillas und Co geschrieben, aber kaum jemand beachtet einen Dienst, den ich für wegweisend halt: Onlinebestellung mit Selbstabholung.
Seit Beginn der Pandemie erledige ich einen Großteil meiner Einkäufe auf diese Weise. Zwei Supermärkte in meiner Umgebung bieten einen richtigen Abholservice an. Das heißt: Ich muss nicht in den Supermarkt, sondern kann an einem separaten Eingang meine Ware abholen, die dort fachgerecht gekühlt auf mich wartet. Pro Abholung kostet mich das zwei Euro.
Abgesehen von Corona sollte alleine der gesparte Aufwand diesen Preis wert sein. Zum einen spare ich eine Menge Zeit. Zum anderen kann ich über die Onlinebestellung deutlich rationaler Einkaufen: Ich muss keine Sonderangebote suchen und ich stehe weniger in Versuchung, Dinge zu kaufen, die ich eigentlich nicht benötige. Besonders gefällt mir das Bestellportal von Rewe, dass mir die passenden Sonderangebote gemäß meiner Einkaufshistorie hervorhebt.
Die Abholung ist dennoch nicht gleichwertig zum normalen Einkaufen. Zum einen ist das Angebot eingeschränkt. Viele Artikel sind nicht bestellbar. Insbesondere frisches Brot fehlt mir immer wieder, obwohl einer der Supermärkte eine ausgezeichnete Bäckertheke hat. Zum anderen kann ich die Ware vor dem Kauf nicht begutachten. Aber hier gibt es in der Regel keine Probleme: Mir wurden niemals welker Salat oder matschige Tomaten angeboten.
Das System leidet aber unter der geringen Nachfrage. Oft muss ich klingeln, damit jemand kommt, um mir die Ware auszuhändigen. Lediglich in Ausnahmefällen gibt es eine minimale Schlange. Das ist einerseits positiv für mich, zum anderen aber auch hinderlich. Solange die Online-Abholung nur eine Fußnote im Geschäftsmodell ist, wird das Angebot nicht verbessert.
Dabei gibt es hier reichlich Potenzial. Heute funktioniert es so: Die Ware wird erst in die Regale eingeräumt und dann wieder von anderen Mitarbeitern aus den Regalen herausgenommen. Man kann diese Mitarbeiter in den Supermärkten sehen, wie sie mit speziellen Einkaufswagen gleichzeitig sechs oder zehn Einkäufe gleichzeitig erledigen. Gäbe es hingegen eine große und stetige Nachfrage, könnten sich die Supermärkte sparen, die Waren erst einzuräumen. Auch die Abholung könnte rationalisiert werden. Noch muss man eine relativ lange Vorlaufzeit akzeptieren, Spontaneinkäufe sind nicht möglich. Zudem muss ich notgedrungen eine personalisierte Einkaufshistorie hinterlassen.
Ich bemerke aber auch schon Besserungen. So ist den Supermärkten aufgefallen, dass sie die Mengenangaben anpassen müssen: Fleisch lässt sich 100-Gramm-weise kaufen, statt in den üblichen Packungen, die rein zufällig immer deutlich mehr enthalten, als man für eine oder zwei Portionen braucht.
Konsequent umgesetzt könnte man so auch Unverpackt-Läden realisieren. Oftmals sind Waren wie Salatgurken nur in Plastik eingeschweißt, um Bio- von anderen Waren zu unterscheiden. Wenn der Supermarkt selbst sortiert, ist das unnötig. Wäre das nicht super? Man kommt von der Arbeit oder vom Kindergarten und holt seine Einkäufe in dem idealen Behältnis ab – etwa eine Klapp-Kiste, die genau in ein Lastenfahrrad passt.
Diese Lösung hätte zumindest in meinem Umfeld viele Vorteile: Sie kommt mit einem Minimum von Arbeit aus: Der Supermarkt muss keine Fahrer suchen, ich muss nicht in einem stundenlangen Zeitfenster auf die Lieferung warten. Zum zweiten habe ich volle Autonomie, da ich mir selbst aussuchen kann, wann ich Zeit habe. Zudem kann ich die Angebote besser vergleichen.
Kurzum: Zehn-Minuten-Lieferdienste sind zwar ein scheinbar innovatives Modell, lösen aber tatsächlich kein Problem: Niemand kann seinen ganzen Bedarf damit decken, es entsteht auch keine Infrastruktur, die mehr als einem Unternehmen dienen kann. Die engagierten Fahrer müssen sich drauf gefasst machen, gefeuert zu werden, sobald die Investoren ein anderes Spielzeug gefunden haben. Der Abholsupermarkt kann hingegen den Ressourcenverbrauch in der Stadt reduzieren und gleichzeitig ein nachhaltigeres Einkaufen fördern.