Wir brauchen bessere WLAN-Einstellungen

Die Süddeutsche Zeitung berichtet über eine neue Schwachstelle im Kurznachrichtendienst RCS. Darin wird der Angriffsvekor beschrieben:

Um eine solche Falle aufzustellen, brauchen Hacker wenig mehr als einen Laptop. Fake-Hotspots könnten kriminelle Hacker beispielsweise am Flughafen neben einer Airline-Lounge betreiben, um potenziell lukrative Opfer zu finden. Sobald die Zielperson in dem falschen Wlan eine Website aufruft, leiten die Hacker die Anfrage auf eine von ihnen kontrollierte Webpage. Das Opfer kann sich dagegen nicht wehren.

Vielleicht sollten wir dies auch als Sicherheitslücke begreifen. Denn der normale Android-Nutzer hat keinerlei Möglichkeiten, Fake-APs zu erkennen. Schlimmer noch: Das Gerät übernimmt es für ihn, sich in ungesicherte Netze einzuwählen.

Ein Beispiel: Ich habe mich neulich an einem privaten Router eingeloggt, der noch die Standard-Kennung für das WLAN nutzte. „FRITZ!Box 6490“ oder ähnliches. Kurze Zeit später bemerkte ich, dass mein Datenverkehr beim weg durch die Stadt immer wieder mal stockte und dass unvermutet eine WLAN-Verbindung angezeigt wurde. Die Lösung: Mein Handy versuchte sich schlicht bei jedem der Router mit diesem WLAN-ID einzuloggen. Was nicht klappt, da die Netze passwortgeschützt sind. Und es gibt Tausende davon.

Ein Screenshot einer WLAN-Liste

Ich habe vergeblich nach einer Möglichkeit gesucht, dies abzuschalten. Der Android-Dialog zu WLANs bietet jedoch keinerlei Option dafür. Obwohl jeder Router eine eindeutige MAC-Adresse hat, unterscheidet Android nicht. Ich kann mir die MAC-Adresse eines Routers auch nicht anzeigen lassen, um zu entscheiden ob es der richtige ist. Erst wenn ich mich bereits verbunden habe, bietet mir Android an, die Details zu dem Netzwerk nachzulesen. Darunter sind die Geräte-IP, der Verschlüsselungs-Standard und die MAC-Adresse. Damit anfangen kann ich jedoch nichts.

Dabei wäre die Lösung relativ einfach. Neben der Option ein Netzwerk zum Autologin zu wählen oder nachträglich zu löschen, sollten wir auch die Möglichkeit haben, uns nur bei einem bestimmten Router einzuloggen. Natürlich bietet eine MAC-Adresse keinen vollendeten Schutz – ein Hacker kann sie ja beliebig manipulieren. Jedoch kann sie dem Nutzer eine Möglichkeit geben, die Gefährdung wesentlich zu reduzieren.

Neben dem Sicherheit- wäre es auch ein Komfort-Gewinn. So musste ich zum Beispiel die Freifunk-APs aus meiner WLAN-Liste nehmen, weil mir die Datenverbindung immer wieder abhanden kam. Solange eine WLAN-Verbindung erhältlich ist, krallen sich Smartphones daran und lassen den Mobilfunk außen vor. Der Empfang von Freifunk ist jedoch meist schlecht, die Datenrate unterirdisch. Und plötzlich setzen Streams aus, Chat-Nachrichten kommen nicht an, dringende Emails gelangen nicht zu mir.

Lange Rede, kurzer Sinn: wir brauchen bessere WLAN-Einstellungen. Warum hatten wir sie nicht von Anfang an?

Impeachment-Podcasts

Es gibt wohl kein besseres Themas für Podcasts als das Impeachment-Verfahren gegen US-Präsident Donald Trump. Jeden interessiert das Thema irgendwie und trotz eines Überangebots an Berichterstattung gibt ein großes Bedürfnis nach einzelnen Stimmen, die Ordnung ins Chaos bringen. Zudem: Der Werbemarkt floriert und man kann endlich gutes Geld mit Podcasts verdienen. Ergebnis: US-Medien haben in den letzten Wochen eine ganze Flut an Spezial-Podcasts gestartet – von CNN bis zu Buzzfeed. Sogar Rudy Guiliani plante einen eigenen Podcast.

Ich habe mir alle angehört und fand die Erfahrung spannend. Denn obwohl sich mittlerweile ein recht einheitliches Podcast-Format herausgebildet hat — vom musikalischen Intro über die Anzahl der Gäste bis zum Tonfall des Moderators — sind die Ansätze sehr verschieden. Sie illustrieren, wie Medienunternehmen funktionieren, wie sie mit Standpunkten und Neutralität umgehen und welches Publikum sie suchen, um Geld zu verdienen. Ein Überblick.

 

Buzzfeed und iHeartRadio: Impeachment Today

Buzzfeed und iHeart Radio haben in ihrem Impeachment-Podcast die gesammelte Kompetenz zur Millenial-Bespaßung zusammengeworfen. Moderiert wird die Sendung vom Buzzfeed-Redakteur Hayes Brown, der ständig viel zu gut gelaunt zu sein scheint. Seine Attitüde: Er trifft seine Zuhörer auf ein IPA-Bier und erzählt ihnen, was heute wieder voll krasses passiert ist. Es ist ein wenig so, als ob er dem Hörer die letzte Folge von Games Of Thrones nacherzählt. Dabei lässt er kaum ein Klischee aus. Um die Abfolge der Zeugen zu erklären, greift Brown etwa zu einem Pokémon-Vergleich.

Trotz der kumpeligen Attiüde ist der Podcast sehr professionell: prägnant, auf den Punkt, durchformatiert. Nach ein paar Minuten, in denen Brown das Tagesgeschehen zusammenfasst gibt es den „Nixon-O-Meter“, auf dem jeweiligen Tag eine Wertung verpasst wird. Dann ein Studiogespräch mit einem Reporter oder einem Experten. Oder ein Hintergrundstück zu einer Person. Am Schluss gibt es dann noch den „Kicker“, also ein Share-Quote, ein Tweet oder ein Meme, das den Tag möglichst prägnant zusammenfassen soll.

Alles in allem ist der Podcast sehr gut produziert und versucht zwischen „News“ und „Noise“ zu unterscheiden. Die allzu gute Laune, die dabei verbreitet wird — Slogan: „Impeachment. What a time to be alive! 🍑“ — stößt mit manchmal etwas störend auf. Der Informationsgehalt hält sich aber deutlich in Grenzen — viel zu bemüht, versucht das Format zu vermeiden, dass die Aufmerksamkeit abschweift und die Hörer einfach auf den nächsten Podcast wechseln. Deshalb lohnt eher für Leute, die sich noch nie mit den Unterschieden zwischen Senat und Repräsentenhaus befasst haben und dringend eine positive Attitüde suchen.

 

Washington Post: Impeachment Inquiry

Deutlich anders ist die Herangehensweise der Washington Post — wenn auch nicht weniger professionell. Die Hauptstadt-Zeitung baut hauptsächlich auf eigene Reporter und das eigene Motto: „Democracy dies in darkness“. Statt um die Unterhaltung der Zuhörer geht es um pure Information und Analyse. Wer hat was gesagt? Was bedeutet das im Kontext des Verfahrens? Welche Bezüge muss der Zuhörer ziehen, um die gesamte Tragweite zu verstehen?

Der Podcast ist deutlich mehr aktualitätsorientiert — deshalb kann es auch schon mal passieren, dass gleich zwei Folgen an einem Tag veröffentlicht werden. Zielgruppe sind offenbar die Polit-Junkies, die sich dauernd auf dem Laufenden halten wollen. Gleichzeitig muss man sagen: Die Investitionen von Jeff Bezos ins Digitale und Multimediale haben sich gelohnt. Wir haben es mit Reportern zu tun, die am Mikrofon trainiert sind, zuweilen untermalt Hintergrundmusik die aktuelle Zusammenfassung.

Während der Buzzfeed-Podcast zu gut gelaunt, kommt die Washington Post stellenweise etwas zu trocken rüber. In Gesprächen mit den eigenen Reportern wird ab und zu etwas Persönlichkeit eingebracht, was dann teilweise wieder zu Lasten der Genauigkeit geht.

 

NBC News: Article II: Inside Impeachment

Wie sehr das Ursprungs-Medium auf einen Podcast wirkt, kann man bei NBC verfolgen. Wir kennen den Vorwurf seit vielen Jahren, dass Journalisten und insbesondere Fernseh-Nachrichtenprogramme eine Pseudo-Neutralität entwickelt haben: Sie wollen grundsätzlich beide Seiten eines Konflikts darstellen — selbst wenn es eigentlich nur eine Seite gibt. Ergebnis: Experten für den Klimawandel mussten sich konstant den Bildschirm mit Leuten teilen, die aus eigener Überzeugung oder gegen Bezahlung die Realität negierten und deren einziges Arguiment daraus besteht, die andere Seite niederzuschreien. Oder anders gesagt: Good TV.

Diese Haltung merkt man auch noch im Jahr 2019 und auch in einem Podcast, der sich ja nicht an die Konventionen des Bildschirms halten müsste. Schließlich gibt es hier auch keine Splitscreens wo bis zu acht Leute durcheinander reden. Dennoch zeigt sich der Gedanke, dass sich journalistische Fairness in Sendeminuten manifestiert, auch hier. Oft hören wir etwa erstaunlich lange die Einlassungen von Devin Nunes, selbst wenn der absolut nichts Erhellendes sagt. Denn schließlich hat auch der Podcast lange O-Töne von den Zeugen und Demokraten.

Immerhin: Im Podcast tut niemand mehr so, dass alles legitime Standpunkte wären. In einer Episode rechtfertigt sich der für das Weiße Haus zuständige Korrespondent Geoff Bennett sogar, dass seine Analyse so einseitig ausfällt.

And when I say that, I realize that we live in an era in which the President has cast the pursuit of truth as a partisan enterprise. And so saying things that are steeped in my own reporting and my own just knowledge of how this whole thing has worked because I’ve been so close to it for three months, it sounds as if I’m editorializing. It sounds as if I’m being partisan. But it really is not. It’s a reflection of the now 15 witnesses who have provided 112 hours of testimony, our reporting based on that testimony, and then the 11 transcripts that we’ve read so far.

Man kann aus dem Eingeständnis eine positive und eine negative Erkenntnis ziehen. Über Jahrzehnte haben Medien aus falsch verstandener, institutionalierter und ineffektiver Neutralität immer extremeren Positionen eine Plattform geboten, während der gesellschaftliche Diskurs immer mehr von Leuten bestimmt wird, die keinerlei Neutralitätsgebot mehr kennen. Der Impeachment-Prozess ist auf viele Weise das Ergebnis dieser Entwicklung: So sind es auch Artikel in etablierten Medien wie Politico, The Hill und The New York Times, auf die sich die Verschwörungstheorien stützen, die Trump und Konsorten zu ihrem Vorgehen in der Ukraine inspiriert haben. Die positive Nachricht: Die institutionalisierten Journalisten bemerken es nun.

CNN: The Daily DC: Impeachment Watch

CNN hatte dieses Neutralitätsproblem in den vergangenen Jahren auf die Spitze getrieben. Man lädt nicht nur die eifrigsten und lautesten Partisanen in die eigenen Sendungen ein, man engagiert sie direkt. Dies gipfelte in einem Anstellungs-Vertrag für Trumps Kampagnen-Manager Corey Lewandowski, obwohl der eine Breitbart-Reporterin sogar physisch angegriffen haben soll und offensichtlich keinerlei Interesse an einer faktenbasierten oder ehrlichen Berichterstattung hat.

Screenshot CNN-Podcast

In „Impeachment Watch“ zeigt CNN, das eine solche Drehtür zwischen Politik und Massenmedien nicht nur Schreihälse nach vorne holt, sondern auch institutionelles Gedächtnis nutzbar macht. Dies wird zum Beispiel klar, wenn Samantha Vinograd auftritt, die unter Obama im National Security Council gearbeitet hat. Diese Perspektive bietet durchaus interessante Punkte. So kennen die ehemaligen „political operatives“ das Geschäft und verschwenden keine Zeit damit, sich darüber zu amüsieren, dass Republikaner einem Zeugen wie David Holmes keine Fragen stellen, sondern die TV-Übertragungen lieber für eigene Statements nutzen. Denn natürlich spielt der Zeitablauf des Verfahrens eine große Rolle und man will der amerikanischen Öffentlichkeit über Thanksgiving die wichtigsten Talking Points mitgeben.

 

Vox: Impeachment, Explained

Ezra Klein hat einen ähnlichen Weg gewählt. Seine Karriere startete er als Wahlkämpfer für die Demokraten, sattelte aber recht schnell zum Politjournalismus über. Mit VOX.com hat er das onlinejournalistische Äquivalent der TED-Talks geschaffen: Hier bietet er dem Publikum nicht nur einen Point Of View an, sondern erklärt auch in langen Hintergrundstücken, wie man zu diesem Standpunkt gelangen musste. Wöchentlich spricht Klein in seinem Podcast mit Autoren über ihre neuen Bücher über Politik und Gesellschaft, indem er über mehr als eine Stunde den Eindruck erweckt, jedes Buch tatsächlich gelesen zu haben. Kleins Fairness-Doktrin lässt sich so beschreiben: Wer ein Argument vorzubringen hat, hat einen Platz im öffentlichen Diskurs. Dabei lädt er auch konservative Denker ein, zieht dort aber eine Grenze zum „Denker“. Sprich: Trump-Fans wird man bei ihm nicht hören. Klein hat die These der Demokraten, dass „government“ eine positive Kraft ist, die das Leben der Menschen verbessern soll, auf seinen Journalismus übertragen.

In Impeachment, Explained gibt es zirka einmal pro Woche einen Podcast, der die Hintergründe des Impeachment-Prozesses erläutert. Es ist in gewisser Weise ein Best Of der Berichterstattung der vergangenen Woche bei VOX. So erklärt Klein in „What’s wrong with the Republican Party?“ eine seiner liebsten Thesen: Der politische Prozess hat sich hauptsächlich geändert, weil sich die republikanische Partei geändert hat — von einer werteorientierten Partei nach europäischem Vorbild zu einem prinzipienfreien Kampagnentool, das mal von Abtreibungs-Gegnern, mal von der NRA, mal von radikalen Steuer-Gegnern genutzt wird und sich zu ständig neuen Extremen aufschaukelt.

Klein beleuchtet die Situation aus demokratischer Perspektive, separiert sich aber klar von den institutionellen Demokraten selbst. Dadurch, dass er immer einen Schritt vom aktuellen Geschehen zurücktritt, kann er Unterschiede klarer benennen. So wird bei ihm deutlicher als bei anderen, dass EU-Botschafter Gordon Sondland, einen wichtigen Punkt für eine Impeachment-Anklage gerade nicht unterstützt wollte — nämlich, dass die Militärhilfe für die Ukraine aus politischen Gründen zurückgehalten werden sollte.

 

Crooked Media: Rubicon – The Impeachment of Donald Trump.

Ein Gegenstück zu Ezra Klein ist Crooked Media. Doch statt sich dem Journalismus zu verschreiben, haben die Gründer, die allesamt Posten in der Obama-Regierung hatten, eine andere Strategie gewählt: Sie betreiben politischen Aktivismus mit den Mitteln des Journalismus. So wie Trump-Anhänger sich einst stolz als „deplorables“ präsentierten, hat „Crooked Media“ den Vorwurf angenommen, dass die Medien immer auf Seiten der Demokraten seien. Und produziert Shows, die sich durchweg an „the Resistance“ reden.

Immerhin macht Chefredakteur Brian Beutler aus diesem Umstand kein Geheimnis. Trumps Getreue werden etwas durchweg als „henchmen“ bezeichnet. Wenn er einen O-Ton von David Nunes einspielt, blendet er auch gleich künstliches Gelächter ein, um keinen Zweifel daran zu lassen, wie lächerlich er die Argumente der Gegenseite findet. Das zentrale Thema des Podcasts ist eine unbändige Wut. Wie der Titel sagt: Donald Trump hat den „Rubicon“ überschritten. Und wie vermutlich jeder mit großem Latinum weiß, war das der Punkt, als Julius Caesar mit seiner Armee die römische Republik beendete und aus dem Imperium ein Kaiserreich machte.

Die Wut ist das Erfrischende an dem Podcast. Zuweilen machen Beutler und sein Gast einen Punkt, der im Wirrwarr der aktuellen Berichterstattung unterging. Etwas lähmend wird es dann jedoch meist im zweiten Teil der Sendung, wenn es nicht mehr um Empörung geht, sondern um eine Art Brainstorming: Wie kann man die Blöße des Präsidenten am effektivsten im politischen Prozess gegen ihn einesetzen? Es ist eine kleine Planungs-Session inoffizieller demokratischer Strategen. Und wenn man Wut im Bauch hat — will man dann wirklich durch den legislativen Kalender blättern? Hier zeigt sich, dass Crooked Media nicht etwa das Geschöpf von Aktivisten wie AOC ist, sondern eine Bastion im Clinton-Lager darstellt: Zentristisch, institutionell, leidenschaftlich und zutiefst awkward.

 

WNYC: Impeachment: A Daily Podcast

Brian Lehrer ist ein Urgestein des NPR-Rundfunks in den USA. Seit 1989 hat er eine Call-In-Show, in der die insbesodnere politischen Themen des Tages besprochen werden. Dabei hat er Autoren zu Gast, Experten und einmal die Woche den Bürgermeister von New York City Bill de Blasio. Die Gesprächspartner dürfen zuerst über ihre Arbeit sprechen und müssen sich dann einigen Hörerfragen stellen.

Screenshot Brian Lehrer Podcast

Lehrers Heimatstation WNYC ist grade voll auf den Podcast-Zug aufgesprungen und hat auch meinen Lieblings-Podcasts-Client Pocket Casts gekauft. Deshalb gibt es nun einen eigenen Impeachment-Podcast. Der ist freilich nur eine Auskopplung aus Lehrers täglichen Sendung, die sich in mindestens einem Segment mit der Amtsenthebung und dem Neuen aus Washington beschäftigt.

Wer wissen will, was an dem Tage grade die Geschichte ist, über die jeder sagt, dass jeder über sie spricht, ist bei Brian Lehrer richtig. Seine väterliche, immer freundliche Stimme geht leicht ins Ohr, er leitet die Gäste gekonnt durch alle wichtigen Argumente und bringt auch mal Widerspruch an, wenn dieser bereits medial hörbar war. Beim Anruf-Part muss man sich aber auch auf Schocks gefasst machen. Denn wie die scheinbar so klaren Narrative bei dem anrufenden Publikum aufgenommen werden, ist oft genug überraschend. Hier hat die Redaktion sogar eine neue Form der Interaktion gefunden: Hörer sollen ihren eigenen „Article Of Impeachment“ gegen Trump schreiben, auf die dann die Trump-Unterstützer und Konservative schließlich live auf Sendung antworten können sollen.

Der wichtigste Werbemarkt

Es gibt zwei gänzlich verschiedene Werbemärkte. Der vielleicht unwichtigere Teil des Geschäfts ist, wenn Kunden überzeugt werden für ein Produkt Geld auszugeben. Die Milliarden Dollar Werbeumsätze kommen aber zusammen, weil die Werbetreibenden überzeugt werden, für Werbung Geld auszugeben. The Correspondent hat einen schön zu lesenden Artikel über die Welt der Onlinewerbung veröffentlicht. Kurzum: Die Zahlen, die aufgeregt herumgereicht werden, sind oft wertlos. Das kann ich absolut unterschreiben.

Leider wird der Artikel in der zweiten Hälfte etwas über-aufgeregt. Aus Anekdoten wird geschlossen, dass es quasi unmöglich ist, Werbeausgaben rational zu verteilen. Und es wird der Eindruck erzeugt, dass quasi alle Zahlen wertlos sind. Was natürlich nicht stimmt, weil die Kronzeugen des Artikels ja selbst Zahlen errechnen – nur halt andere.

Die Anekdote, dass Ebay viel Geld verschwendet hat, indem Manager Suchanzeigen für den eigenen Markennamen gekauft haben, ist anschaulich und zeigt die Lächerlichkeit des Geschäfts. Wenn man keine Werbung kauft, dann zeigt Google den Link zur eigenen Website schließlich umsonst an. Ha, was für Idioten!

Mit etwas Kontext wird das vermeintlich idiotische Geschäft von Ebay weniger lächerlich: In den Anfangszeiten des Suchmaschinenmarketings konnte ein Ebay-Konkurrent einfach das Suchwort Ebay kaufen und Werbung für die eigene Plattform darüberschalten. Über die Rechte an Keywords wurde hart und lange gerichtlich gestritten. Wenn Ebay nicht Anzeigen mit dem eigenen Namen kaufte, machte es womöglich jemand anders. Zudem lieferte sich Ebay mit Amazon über Jahre einen Anzeigenkrieg um die bloße Sichtbarkeit. Egal welche Ware man suchte, man sollte zuerst zu Ebay gelangen. Zudem operieren viele Unternehmen auch mit der Annahme, dass ein großes Werbebudget ihnen den guten Willen Googles oder Facebooks erkaufen kann.

Die Grundthese des Artikels ist, dass sie verschiedenen Marketing-Verantwortlichen durchweg davon profitieren, von viel zu hohen Zahlen auszugehen. Selbst wenn man für die Firma arbeitet, die Millionen Euro an Werbebudget verschwendet, ist das nicht unbedingt das Problem des zuständigen Managers. Denn mit dem Etat steigt seine Bedeutung. Von diesem Phänomen wurde mir schon öfters berichtet.

„Bad methodology makes everyone happy,” said David Reiley, who used to head Yahoo’s economics team and is now working for streaming service Pandora. „It will make the publisher happy. It will make the person who bought the media happy. It will make the boss of the person who bought the media happy. It will make the ad agency happy. Everybody can brag that they had a very successful campaign.“

Ja, die Werbebranche operiert mit schamlosen Übertreibungen. Sie operiert aber auch recht schamlos mit Adtech, mit der es möglich ist, Nutzer ziemlich weit zu verfolgen. Die im Artikel beschriebenen Werbemethoden sind eigentlich völlig veraltet. Heute versuchen Giganten wie Google nicht einfach nur darauf zu gucken, wo ein Nutzer auf einen Link geklickt hat. Google erfasst auch, wie oft der Kunde die Anzeige im eigenen Netzwerk vorher schon gesehen hat. Wenn der Werbetreibende entsprechende Dienstleister hat, geht das sogar über die Grenzen von Googles Werbenetzwerk hinweg.

Zudem gehören A/B-Tests zur Branchenpraxis und sind keine Geheimpraxis von wenigen eingeweihten Ökonomen. Wer wissen will, ob eine Anzeigenkampagne wirkt, kann zum Beispiel nur Nutzer in Düsseldorf buchen und anschließend schauen, was sich in den lokale Filialen tut. Anschließend werden die Daten es mit anderen Fillialen verglichen. Wenn man das Experiment nicht in Düsseldorf, sondern zum Beispiel in Albuquerque startet, kann man zudem einige interessante zusätzliche Daten auswerten. Zum Beispiel kann das Shopsystem die Blootooth-ID des Handies des Kunden identifizieren. Seinen kompletten Weg durch den Laden erfassen. Seine Kreditkartendaten gehen an einen Dienstleister, der die Daten wieder der Werbeindustrie zur Verfügung stellt.

Natürlich kommt man mit all den Daten nicht gänzlich um die Kausalitätslücke herum. Vielleicht kauft der Kunde ja nicht wegen der Anzeigen, sondern zum Beispiel weil es grade regnet. Das ist sicher möglich — aber natürlich wird längst auch schon das lokale Wetter für Werbenetzwerke erfasst.

Neben der Vielzahl an Datenquellen gibt es auch eine Vielzahl von Geschäftsmodellen. Wenn man ein Handelskonzern ist, der drei Radiokampagnen und 15 Online-Kampagnen parallel laufen hat, wenn man ein weltweites Netz von 5000 Filialen hat, ist es natürlich unmöglich den genauen Nutzen eines Werbe-Dollars zu errechnen. Doch die meisten Unternehmen sind viel, viel kleiner.

Wir können uns beispielsweise an die Groupon-Hysterie erinnern, wo Restaurants und kleine Onlineshops weltweit von der Wirksamkeit des Portals schockiert waren und die buchstäblich pleite gingen, weil die viel zu hohen Rabatte viel zu häufig in Anspruch genommen wurden. Es herrschte keine Verwirrung woher die Kunden kamen — schließlich hatten sie Gutscheine. Ob die Kunden dann zurückkamen, war im Extremfall nicht mehr wichtig. Denn der Laden war ja bereits pleite. Werbung wirkt manchmal sogar zu viel.

Fight Club – ein gewaltiger Film

Ich habe den Film mindestens vier Mal gesehen — und immer entdecke ich neue Details. Doch „Fight Club“ hat derzeit keinen guten Ruf. So hat „The New Yorker“ den Film als ein Indiz toxischer Männlichkeit geoutet und schreibt über „The Men Who Still Love Fight Club“:

In the years that followed, I became a regular lurker on message boards not just in the PUA world but also across the networks of male resentment to which pickup artistry frequently functioned as a gateway drug: “men’s rights” activists, the anti-feminist hive called the Red Pill, incels, the amorphous “alt-right.” Browsing through this world, I saw “Fight Club” references and offhand worship of Brad Pitt’s character, Tyler Durden, all the time. Tyler is an alpha male who does what he wants and doesn’t let anyone stand in his way; “Fight Club,” then, was a lesson in what you had to do to stop being a miserable beta like the film’s other main character, a frustrated white-collar office worker played by Edward Norton.

Es ist kaum abzustreiten. In jeder Online-Community tauschen unweigerlich Leute auf, die sich „Tyler Durden“ nennen. Und Leute, die seine Tiraden begeistert zitieren. Und — ich wag mich mal auf ein ganz breites Brett — diese Leute kommen nicht immer sympathisch rüber.

Ich finde immer noch, Fight Club ist ein gewaltiger Film. Nicht nur gewalttätig, sondern ikonisch. Es ist glaube ich bis heute der einzige Mainstream-Film, der mir eine wirklich überraschende Wendung vorgesetzt hat, die ich nicht zum Fremdschämen empfand. Und der Einsatz der Filmmusik erst, der Rhythmus, die Szene mit dem begehbaren Ikea-Katalog… Einfach Klasse! I am Jack’s inflamed sense of fandom.

Doch mit der oben genannten Szene der Fight Club-Fans habe ich sonst eher nichts gemein. Denn für mich war Tyler Durden immer eine lächerliche Figur. Ein Primitivling, dessen Bravado abgeschmackt und pathetisch klingt. Der sich als Opfer geriert und Gefühlskälte zum Leistungssport stilisiert. Weil sein Papa nie zu Hause war.

Der Film funktioniert tatsächlich auf mehreren Ebenen. Einerseits kann man sich mit der Hauptfigur in diesen Testosteron-Rausch reinziehen lassen. Ha, Kapitalismus. Jetzt kommen die Aushilfskellner und räumen auf! Halbnackte Körper, von der verweichlichten Zivilisation befreit. Die reine Seife mischen. Und schließlich Nitroglycerin. Weil ihnen die Gesellschaft… ähm… weil sie in ihrem Leben… ähm…Weil halt. Frag nicht so doof.

Man kann den Film aber auch interessiert bestaunen. So zum Beispiel die Techniken der Gehirnwäsche, die hier besonders dicht erzählt werden. Natürlich bange ich im Film mit dem namenlosen Charakter von Edward Norton. Der wird zuerst von seinem Lebensumfeld isoliert: Erst fliegt die Wohnung in die Luft, dann verlangt Tyler, dass er seine Arbeit aufgibt. Er verliert jeden Halt und wird mit Schlafentzug, Schmerz und Gaslightning dazu gebracht, eine widersinnige Realität zu akzeptieren. Ein abgeschmackter Zeitschriften-Text wird plötzlich zu seinem Mantra, das ihm vermeintlich Halt gibt. „I am Jack’s Medulla Oblongata. I Am Jack’s inflamed sense of rejection.“ Tatsächlich ist er im freien Fall.

Und nicht nur ihm geht es so. Als schließlich ein ganzer Raum von Tylers Anhängern „His name is Robert Paulson“ skandiert, war das für mich der Punkt, wo sich Tyler Durden mit all seiner Bravado ins Nichts manövriert hat. Er hat zwar einen Haufen fanatischer Follower, hat ihnen aber nichts Bleibendes anzubieten. Er hat keine Mission, er hat keine Gegner. Außer vielleicht aufgeblasenen Chefs, die dienstags kornblumen-blaue Krawatten tragen. Oder Marla? Ja. Nein! — Kein Wunder, dass wir auf ein schnelles und drastisches Ende zusteuern.

Dass viele Leute quasi die gegenteilige Botschaft aus dem Film ziehen, ist kein Zufall. „The Matrix“ kann relativ wenig dafür, dass der Begriff „redpilled“ zu einem Meme für die ekligsten Verschöwungstheoretiker des Netzes wurde. David Fincher hingegen zelebriert in Fight Club die vermeintlich überschäumende Männlichkeit in mal überästhetisierten und mal drastischen Bildern. Damals sprach man noch nicht von „toxischer Maskulinität“, aber wer hat sie seither eindrucksvoller im Bild eingefangen?

Dem vermeintlich prototypischen Fan von Fight Club ist ein ganzes Genre gewidmet. Boxer, Kämpfer, Krieger en masse. Clint Eastwood-Filme. Bruce Willis-Filme. Sylvester Stallone-Filme. Full Metal Jacket. American Psycho. Goodfellas. Clockwork Orange. V for Vendetta. Taxi Driver. Scarface. The Joker. Der Mann wird durch Leiden zum Helden gestählt und gebiert einen Übermenschen.

Vielleicht sind diese Helden aber alle eher so etwas wie Don Quichotte. Forrest Gumps mit mehr Muskeln, traurige Hulks. Wenn man diese Möglichkeit nicht mehr sehen kann, handelt es sich vermutlich um keinen besonders guten Film. Bei Fight Club sehe ich sie allenthalben.