Die Blockchain ist ein Stempel

Da der Bitcoin-Kurs grade abgestürzt ist, gibt es grade in den Breitenmedien eine ganze Reihe von Artikeln und Berichte zum Thema Bitcoin und Blockchain. Was war die Idee hinter Bitcoin? Ist sie nun gescheitert? Und: Ist die Technik nicht sehr viel größer als diese Exotenwährung? Leider rollen sich mir bei vielen Berichten die Zehennägel auf, weil die Kollegen zwar allerhand Leute interviewen, aber diese Äußerungen nicht in Kontext setzen können.

Sie haben sich offenbar damit abgefunden, dass die Blockchain nicht nur etwas ist, was sie ihrem Publikum nicht erklären können: Mehr als das: Sie selbst sehen sich außerstande das Grundprinzip zu begreifen. Blockchain ist Krypto. Und Krypto ist fortgeschrittene Mathematik. Und wer versteht schon fortgeschrittene Mathematik?

Für diese Kollegen habe ich eine einfache Formel, die ihre Fragen im Allgemeinen und auch im Speziellen erklärt.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Es klingt allzu einfach, ist aber so. Die Blockchain ist eine Technologie, die einem Stempel gleicht, oder eher: einem System von Stempeln. Noch einfacher: Eine Blockchain ist — ganz wie das Wort aussagt — nichts weiter als eine Kette aus Datenblöcken. Jeder dieser Blöcke bekommt einen kryptographischen Stempel aufgedrückt. Und nun kommt der Clou dieser Stempeltechnik: Mit jedem weiteren Stempel wird die Authenzität der gesamten Kette abgesichert.

Das Prinzip ist eigentlich schon alt. Wer mit Verträgen umgeht, wird es vielleicht ab und zu schon gesehen haben: Eine Ecke eines Papierstapels wird umgeknickt, und ein Stempel darauf gedrückt. Folge: Statt nur die erste Seite wird so der ganze Stapel abgestempelt. Niemand kann einfach ein Blatt Papier nachträglich ohne weiteres hinzufügen oder entfernen.

Der Trick hinter der Währung Bitcoin ist: Alle Bitcoins stehen quasi auf einem gemeinsamen Kontoauszug. Die „Miner“ speichern diesen gewaltigen Kontoauszug und stempeln ihn in Etappen immer wieder neu ab. Wie das genau geht, ist nicht so wichtig – diese Erklärung reicht schon, um zu verstehen, wie Bitcoin und weitere Crypto-Währungen funktionieren.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Ein großer Teil des Unverständnisses, das ich in der alltäglichen Berichterstattung sehe: Die Blockchain hat den Ruf dezentral zu sein. Nun — das sind Stempel auch. Wenn wir zum Beispiel früher die Kopie eines Zeugnisses beglaubigen lassen mussten, konnten wir zu jedem Menschen mit einem Amtssiegel gehen, um aus der Kopie quasi ein Original zu machen: Das Bürgeramt, der Schulleiter oder gar der Gemeindepfarrer haben Zeugnisse von mir beglaubigt. Keiner davon war graphologisch ausgebildet, keiner hätte gemerkt, wenn ich mein Zeugnis mit einem teuren Farbdrucker und einer rudimentären Bildverarbeitung manipuliert hätte. Wir als Gesellschaft vertrauen Stempeln — selbst wenn sie gefaxt werden.

Dieses Prinzip wurde auf die Blockchain übertragen. Zwar stempeln die Miner diesen riesigen Kontoauszug ab – es kümmert sie aber nicht, was darauf steht. Das erklärt auch die vielen spektakulären Diebstähle und Betrugsnummern, die immer wieder Schlagzeilen machen. Sofern die vorgelegten Werte dem richtigen Format entsprechen, dann drücken die Miner ihren Stempel drauf und bekommen dafür Stempelgeld. Deswegen dauert es immer eine gewisse Zeit bis Bitcoin-Transaktionen abgeschlossen sind. Man schreibt die Transaktion auf den einen riesigen, riesigen Kontoauszug und wartet, bis genug Stempel darauf sind. Ob nun auf dem Kontoauszug die Erpressungsgelder eines Krypto-Trojaners oder der Kaufpreis einer Pizza stehen, ist den Stemplern ziemlich egal.

Ein Stempel

Die Blockchain ist ein Stempel.

Oder: Ein ganzen Haufen Stempel. Eine Idee aus der Frühzeit von Bitcoin ist es, dass sich quasi jeder an der Berechnung der Blockchain beteiligen kann. Das kann man zwar noch immer – um tatsächlich zu stempeln, muss man aber so viel Rechenzeit investieren, dass Privatleute ohne Profitmotiv längst ausgebootet worden sind.

Es ist ganz wie mit Amtssiegeln. Theoretisch könnte man auch ein System schaffen, wo jeder Bürger so ein Siegel hat und die Leute sich gegenseitig einen Stempel geben, wenn sie etwas richtig bescheinigt haben. Doch wer will sich schon die Arbeit machen für jeden Stempel riesige Bände mit Stempelkarten durchzugehen? Es kam, wie es kommen musste: Die Blockchain von Bitcoin ist mittlerweile hoch zentralisiert – viel zentraler als unser deutsches System von Amtsstempeln.

Neue Blockchains sind in der Regel komplett zentralisiert. Ein Konzern entscheidet, was er abstempeln will und welche Preise er dafür verlangen will. Ganz selten mal findet sich ein Konsortium zusammen, das mehrere gleichwertige Stempel untereinander verteilt und verspricht, sie gegenseitig anzuerkennen. Der Normalfall ist aber inzwischen: Eine Organisation bestimmt die ganze Blockchain.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Viel wird darüber orakelt, ob nun für die Blockchain neue Anwendungsmöglichkeiten gefunden werden. Kann höhere Mathematik unser Leben verändern? Wer will das schon ausschließen? Kann jedoch neue Stempeltechnologie unser aller Zusammenleben umkrempeln? Ich glaube, die meisten würden sagen: Stempel sind nützlich, aber nicht grade neu. Eine Revolution erwarte ich hier also nicht.

Und in der Tat muss man sich nicht lange fragen, ob die Technik hinter Blockchains nützlich sein kann. Denn sie ist es schon viele Jahre. Seit 2005 zum Beispiel gibt es das Programm Git, das vom Linux-Schöpfer Linus Torvalds geschaffen worden war, um die vielen Millionen Zeilen Programmcode von Linux besser zu verwalten. Und kryptografische Signaturen – sprich: Stempel — gehören so selbstverständlich zum System, dass es lange Zeit niemandem aufgefallen ist.

Glaubt jemand, dass Git den Handel mit Online-Medien revolutionieren wird? Natürlich nicht. Wird es unser Zusammenleben revolutionieren? Nun, für Softwareentwickler hat Git eine enorme Bedeutung. In der Nische sind Stempel wichtig. Aber dafür braucht man ein System, in dem sich Leute aufeinander verlassen können.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Die Grundphilosophie von Bitcoin war, dass die komplexe Mathematik Vertrauen unter Menschen ersetzen können. Die Werbemasche der Blockchain-Buden: Smart Contracts sollen (korrupte) Mittelsmänner ablösen. Was die Buden nicht verraten: Sie selbst wollen die neuen Mittelsmänner sein. Und bei vielen würde ich das Wort „korrupt“ nicht in Klammern schreiben.

Eine Masche ist zum Beispiel, dass die Stempler gar nicht mehr offen Provisionen oder Stempelgeld verlangen. Stattdessen verkaufen sie eine weitere Krypto-Währung, mit denen man die Stempler künftig bezahlen soll. Das vorgebrachte Kalkül: Die Kunstwährung wird mehr und mehr wert, weil der Markt ja wächst. Die Realität: Die Kunstwährung wird so schnell wie möglich unter Spekulanten gebracht, die dann jeweils neue Kreise suchen, denen sie die neue Kunstwährung unterjubeln können. Jeder macht dabei satte Gewinne, bis der letzte Käufer schließlich in die Röhre guckt.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Ja, es gibt durchaus auch Leute, die tatsächlich an die Anwendung von Blockchains glauben und nicht korrupt und gekauft sind. Wobei: gekauft sind sie meist doch: Denn dank des Buzzwords Blockchain können sie Investorengelder einsammeln, die sie für eine langweiligere Datenbanktechnik nicht bekämen. Die langweilige Technik wäre in den meisten Fällen sinnvoller, sparsamer, problemloser als eine Blockchain, könnte aber mangels Investoreninteresse nicht verwirklicht werden. Aber wenn das Endprodukt im Prinzip Sinn ergibt — warum nicht? Nachher kann man das Projekt immer noch auf eine bessere technische Basis stellen. Vielleicht.

An alle Kollegen — und auch an Politiker — appelliere ich daher: Nehmt jeden Vorschlag, der Euch unterbreitet wird und ersetzt überall das Wort „Blockchain“ durch „Stempel“. Klingt der Vorschlag dann lächerlich, dann ist er es höchstwahrscheinlich auch. Klingt der Vorschlag nicht lächerlich, fragt Euch, ob denn die Begleitumstände stimmen. Braucht dieser neue Stempel-Startup-Sektor wirklich eine komplett neue Gesetzgebung? Ist die neue Stempel-Technik von Walmart nicht exakt das gleiche, was ALDI Süd schon seit zehn Jahren auf seine Frischfleischpackungen stempelt? Hat der brandneu innovative Stempelanbieter die Kompetenz und Infrastruktur, um die Werte, die er abstempeln will, tatsächlich zu garantieren? Lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Die Radfahrer und die Ampeln

Wann immer die Rede auf die Anpassung der Verkehrs-Infrastruktur an den Radverkehr kommt, schäumen die Kommentarspalten vor gerechtem Zorn. Die Radfahrer! Fordern und fordern — dabei halten die sich eh nie an die Regeln! Sollen sie doch schieben!!!

Tatsächlich kann man es in vielen deutschen Städten kaum leugnen: Viele Radler halten sich nicht an viele Regeln. Wie zum Beispiel rote Ampeln. Hier in Köln haben sich viele gar angewöhnt, vor der Ampel stehenzubleiben. Da sie eh losfahren, wie sie lustig sind, brauchen sie das grüne Licht ja gar nicht abzuwarten. Also erübrigen sich Umbauarbeiten, um bessere Radwege und fahrradgerechtere Ampelschaltungen zu etablieren? Absolut nicht.

Bonus für Rotfahrer

Fangen wir von vorne an. Warum fahren so viele Radfahrer bei rot? Eine Antwort ist ganz einfach: Weil sie es können. Sie werden nicht nur selten von der Polizei kontrolliert, sondern sie beschleunigen auf der kurzen Strecke auch deutlich schneller als Autos, brauchen dabei wesentlich weniger Platz und haben den besseren Überblick. Sprich: bevor sie jemandem im Weg sein können, sind sie auch schon wieder weg. Wem ist damit geschadet? (Dazu später mehr.)

Das Vertrackte an der Situation: Radfahrer, die sich nicht an rote Ampeln halten, werden strukturell belohnt. Denn in der Regel sind Ampelschaltungen ganz auf den Autoverkehr ausgerichtet, der ohne Probleme auf 50 Stundenkilometer beschleunigt. Radfahrer sind deutlich langsamer unterwegs. Folge: Insbesondere wo der Durchgangsverkehr eine möglichst grüne Welle hat, hangeln sich Radler von Rot zu Rot zu nochmal Rot.

Insbesondere wo die Rechtsabbiegerspur dem motorisierten Verkehr eine Extra-Grünphase spendiert, ist der Unterschied enorm. Wer hingegen taktisch geschickt jede zweite oder dritte Ampel ignoriert, kann hingegen diesen Takt durchbrechen. Wer einmal bei Rot fährt, hat plötzlich eine grüne Welle. So etwas merken sich Leute. Und so sehe ich viele Radler, die sich nicht mehr um Ampeln scheren, sondern sich davor stellen. Wenn die Verkehrssituation günstig aussieht, fahren sie halt.

Der Radweg führt ins Nichts – wo geht es nun weiter?

Der Unwillen sich an rote Ampeln zu halten hängt auch daran, dass die Verkehrsplaner eine ganz ähnliche Attitüde haben. In den letzten zwei Jahren hat sich in Köln zwar viel verbessert — aber immer noch komme ich alltäglich an Stellen vorbei, wo Radfahrer schlichtweg raten sollen, wie sie sich denn verkehrsgerecht verhalten sollen. Radwege enden unvermittelt, Haltestreifen werden nach dem Zufallsprinzip platziert und Ampeln sind so angebracht, dass sie vom Fahrradsattel nicht zu sehen sind. Baustellen werden präventiv mit Fahrrad-Verbotsschilder ausgeliefert — selbst wenn es dazu offensichtlich keinen Grund gibt.

Es ist wie ein ungeschriebener Vertrag: Ja, das Schild ist sinnlos, die Rotphase ist inakzeptabel lang — wir machen das nur wegen des Anscheins. Ihr braucht Euch ja nicht wirklich dran zu halten. So wie das Ordnungamt auf vielen Straßen Falschparker toleriert.

Das skaliert nicht!

Das Problem daran: Das Fahrrad leidet unter dem eigenen Erfolg. Wo früher ab und zu mal ein Radfahrer alleine unterwegs war, zieht sich jetzt oft eine lange Karawane von Radlern hintereinander die Radwege entlang. Wenn der einzelne Radfahrer immer noch meint, dass er sich schadlos durchschlängeln kann, klappt das in der Masse nicht mehr. Man kann diesen Effekt auch schön bei Fußgängerampeln sehen. Wenn die Ampel ewig auf Rot steht, drängt sich plötzlich ein einzelner Fußgänger auf die Straße – weil er eine Lücke im Verkehr gesehen hat. Und plötzlich laufen alle Fußgänger los obwohl da überhaupt keine Lücke mehr ist. Gehupe. Gemecker. Frust.

Radler müssen sich neu orientieren. Wir sind nicht nur viel mehr, wir sind auch wesentlich schneller als früher. Wer auf ein E-Bike steigt und plötzlich mit einem Schnitt von 25 Stundenkilometern im Berufsverkehr unterwegs ist, muss sich andere Bremspunkte angewöhnen, insbesondere wenn man bisher eher nur am Wochenende in Naherholungsgebieten spazierengefahren ist. Wer an Radfahrer an einer roten Ampel steht, muss sich klarmachen, dass er nicht mehr nur auf den Autoverkehr achten muss. Slalomfahren auf dem Radweg ist auch kein akzeptables Verhalten mehr – also holt die Hände aus den Jackentaschen und zieht Euch Handschuhe an. Der Schulterblick ist wichtiger als jemals zuvor.

Das gilt natürlich auch für die anderen Verkehrsteilnehmer. Wer auf einen Radweg tritt oder fährt, muss wissen: Das ist eine Hauptverkehrsstraße, keine ruhige Raucher-Ecke. Und erst recht keine erweiterte Abbiegespur.

Die Blockchain und die Zensur

Ich mach mich ja oft über Blockchain-Enthusiasten lustig — und ab und zu denke ich: Ja, absolut zurecht. Jetzt springt auch noch die US-Bürgerrechtsbewegung ACLU auf den Blockchain-Zug auf — und lässt Edward Snowden erklären, warum die Technik so super ist.

Einer der Punkte, der aufkommt: Die Zensurresistenz der Blockchain. Wenn einmal ein Artikel mit der Technik veröffentlicht ist, kann er nicht mehr getilgt werden.

Ben Wizner: So even if Peter Thiel won his case and got a court order that some article about his vampire diet had to be removed, there would be no way to enforce it. Yes? That is, if Blockchain Magazine republished it.

Edward Snowden: Right — so long as Blockchain Magazine is publishing to a decentralized, public blockchain, they could have a judgment ordering them to set their office on fire and it wouldn’t make a difference to the network.

Peter-Thiel-resistant?

Das ist natürlich Quark. Gerichte stecken keine Büros in Brand. Sie können aber Leute zu Geldstrafen verurteilen oder sogar ins Gefängnis stecken. Nehmen wir an, es gäbe ein Blockchain-Magazin, das total dezentralisiert ist. (Eine theoretische Annahme, denn die meisten Blockchains sind sehr zentralisiert oder tendieren nach kurzer Zeit dorthin.) Die Technik verhindert nicht wirklich, dass ein Artikel herausgestrichen werden. Es ist halt schwer und teuer. Und zwar teuer für die Leute, die diese Blockchain betreiben. Sie müssen quasi alle Blöcke löschen, die seit dem zu zensierenden Artikel herauskamen und dann die Blockchain neu berechnen.

Der Blockchain-Idealist sagt nun: Ha, aber niemand kann sie zwingen! Es ist ja dezentral!!

Dazu sagt der hypothetische Peter Thiel aber: Das ist mir ziemlich egal.

Wir erinnern uns, wofür der reale Peter Thiel der Allgemeinheit bekannt wurde. Er hatte einen Konflikt mir dem Klatsch-Portal Gawker, fand einen Schwachpunkt und stellte seine enormen Ressourcen der Klage von Hulk Hogan zur Verfügung. Ergebnis: Gawker existiert nicht mehr.

Wie würde der hypothetische Kläger gegen den Artikel im Blockchain-Magazin vorgehen? Nun, er würde einfach alle die verklagen, die mit dem Blockchain-Magazin assoziiert sind. Den Autor des Artikels, den Betreiber der Website, den Payment-Provider, die Anzeigenkunden des Magazins. Er würde in London Klagen, in Delaware, in Hamburg. Er könnte auch eine PR-Agentur engagieren, die ein paar Artikel in das Blockchain-Magazin stellen, die in China wirklich nicht gut ankommen. Und die Behörden dort ihren Job machen lassen.

Dezentralität als Stärke?

Dezentralität mag als Stärke erscheinen — die Kehrseite ist aber: Der Einzelne in diesem Netz ist verdammt schwach. Die einzelnen Nodes haben keine Rechtsabteilung mit Millionenbudget. Hat ein Kläger einen Schwachpunkt gefunden, kann er so viele Beteiligte des Netzes sehr effektiv attackieren und ausschalten. Er kann jedem Autoren und Redakteur klarmachen: Sobald du dich mit diesem Magazin assoziierst, wird es verdammt teuer für Dich.

Die Argumentation beißt sich an allen Punkten selbst in den Schwanz. Wenn die Gemeinschaft des Blockchain-Schwarms den einzelnen Nodes einen Anwalt zur Verfügung stellen würde, die die Kläger in die Knie zwingen kann, wäre das Blockchain-Magazin gerettet – aber gleichzeitig auch wieder überflüssig.

Ein anderer Punkt: Das Blockchain-Magazin löst vermeintlich ein Problem, das wir derzeit effektiv nicht haben. Mit mittlerem finanziellen Aufwand wäre es kein Problem, einen Gawker-Mirror mit allen Geschichten der Klatschseite online zu stellen. Einige haben sogar damit angefangen. (PS: Ein archiv von Gawker Valleywag ist tatsächlich noch unter der Urspungs-Domain online.) Nur wer interessiert sich wirklich für den Quatsch und Tratsch von vor drei Jahren? Wer wühlt sich durch die Textberge und entscheidet nachträglich: Dies hier war korrekt, dies hingegen nicht? Wenn wir optimistisch sind: Ein paar Historiker. Gawker ist jedoch nach wie vor tot und Vergangenheit.

(Hier sollte ich noch ergänzen: Die Blockchain selbst ist kein zensurresistentes Kommunikationsprotokoll wie beispielsweise Tor. Die vermeintliche Dezentralität beruht darauf, dass jeder Teile der Blockchain abrufen und auf eigenen Ressourcen neu veröffentlichen kann. Wenn das allerdings nur normale Websites sind, können sie auch genau so einfach gesperrt werden, wie gewöhnliche Websites. Gegen die Große Firewall von China ist die Blockchain deshalb absolut kein Rezept.)

No crypto for you!

Zur Ehrenrettung von Snowden muss man aber sagen. In dem vom ACLU promoteten Interview sagt er, auf die Frage, dass die Ablösung von Technikgiganten durch die Blockchain-Technik „wishful thinking“ ist. Dann aber kommt es nochmal dicke.

If a teenager in Venezuela wants to get paid in a hard currency for a web development gig they did for someone in Paris, something prohibited by local currency controls, cryptocurrencies can make it possible. Bitcoin may not yet really be private money, but it is the first “free” money.

Snowden mag zurecht frustriert darüber sein, dass US-basierte oder von den USA abhängige Zahlungsprovider Spenden für Organisationen wie Wikileaks sehr schwer machen. Das Problem ist aber: Der Teenager in Venezuela hat von den Cryptocurrencies ziemlich wenig zu erwarten. Denn seine Regierung kontrolliert die Bäckereien. Und sie hat eine eigene Krypto-Währung, den Petro. Und sie hat sich ein Ausweis-System aus China eingekauft, mit dem kontrolliert werden kann, was der Teenager kauft – und ob er es überhaupt kaufen darf.

Am Schluss sagt Snowden etwas, dem ich mich anschließen kann.

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bullshitfreie Version zu ersetzen.

Die Legende von mythischen Datenschätzen

Gestern bin ich auf Twitter in eine interessante Diskussion geraten: Soll man Geschäftsmodelle wie Uber und AirBnB erlauben, wenn diese Unternehmen dafür versprechen, ihre Daten öffentlich freizugeben? Schließlich kann man so vieles mit öffentlichen Daten machen. Denn Daten sind Wissen. Und Wissen ist Macht. Und all die innovativen deutschen Startups, die niemals an Google und Facebook verkauft werden, könnten so die Wertschöpfung vom Silicon Valley zurückholen.

Obwohl ich offene Daten, bzw Open Data prinzipiell sehr unterstütze, muss ich hier sagen: Nein!

Erstens: Man gibt Unternehmen keinen Bonus, wenn sie Transparenzpflichten erfüllen. Man sorgt für vernünftige Regulierungen und dann haben sich die Unternehmen dran zu halten. Punktum.

Regulieren, aber richtig

Neulich habe ich mal die AirBnB-Hilfsseiten durchstöbert, wie denn Gastgeber dabei unterstützt werden, sich an örtliche Regulierungen zu halten. Und das Ergebnis war: fast gar nicht. Es gibt ein paar schwer auffindbare und kaum verständliche Hilfstexte und den ultimativen Hinweis, dass das der Gastgeber doch bitte selbst mit den Behörden zu klären habe.

Nein, AirBnB — wenn ihr Provision kassiert, solltet ihr hier eine aktive Rolle übernehmen. Zumindest eine kostenlose Hotline, wo juristisch gebildete Mitarbeiter Einzelfälle kompetent bewerten können und auch im Zweifelsfall eine Haftung von AirBnB auslösen. Das ist meine persönliche Meinung, die konkrete Umsetzung wäre eine Sache der Politik. Denn mein Anspruch kollidiert natürlich mit solchen Dingen wie dem Rechtsberatungsgesetz.

Der zweite Punkt ist aber: Ich möchte AirBnBs Daten nicht. Ich will auch nicht wirklich dringend die Daten von Uber haben. Denn: Diese Daten mögen höchst praktisch für die Marktaufsicht sein, um eben diese Unternehmen zu überprüfen und nachzufragen, ob auch jeder Teilnehmer seine Steuern brav bezahlt. Ansonsten sind sie weitgehend nutzlos für die Allgemeinheit.

Marketing, nicht Daten!

Denn diese Unternehmen sind nicht so groß geworden, weil sie Datenanalyse auf einen neuen Gipfel gehoben hätten. Uber zum Beispiel hat es geschafft, sich als billige und gastfreundliche Alternative zum Taxi zu etablieren — mit Marketing. (Und mit den verbrannten Milliarden von Investoren, die diese beim baldigen Börsengang zurückhaben wollen.) AirBnB hat auch keinen geheimen Algorithmus, der neue Wohnungen generiert – Leute melden sich freiwillig auf der Plattform an, weil mittlerweile keine US-Sitcom mehr ohne eine Folge über die erstaunlichen Verdienstmöglichkeiten auskommt.

Wenn ihr Ubers Daten haben wollt, um mehr über den Verkehr in Eurer Stadt zu erfahren, kann ich nur sagen: Ihr seid auf dieses Marketing reingefallen. Denn Uber ist nur ein vergleichsweise kleiner Over-the-top-Player, der einen winzigen Ausschnitt des Verkehrsgeschehens wahrnimmt und sich auf Daten von anderen verlässt. Wisst ihr, wer sehr viel mehr Daten über innerstädtischen Verkehr erfasst? Busse. Denn sie müssen fast überall hin und sind nicht bevorzugt unterwegs um Millennials vom Club nach Hause zu bringen.

Die Daten liegen näher als das Silicon Valley

Aber selbst die Busse sind eine unterlegene Datenquelle. Wenn ihr heute zum Beispiel das WDR-Radio einschaltet, werdet ihr alle halbe Stunde die Verkehrsnachrichten überhören. Falls ihr aber mal wirklich zuhört, wird Euch auffallen, dass dort nicht mehr nur die physische Länge eines Staus durchgegeben wird, sondern auch wie lange die Verzögerung voraussichtlich dauern wird. Diese Daten werden aus den Bewegungsdaten errechnet, die notwendigerweise in Mobilfunknetzen anfallen. Denn fast jeder Autofahrer hat ein Handy dabei, das konstant seinen Standpunkt an die umliegenden Funkmasten sendet.

Oder anders formuliert: Alle Daten, die bei Uber anfallen, fallen auch bei Apple, Google und den Mobilfunkherstellern an. Also: Wozu soll Uber zur Verfügung stellen, was sie eh nur nachnutzen? Sicher: Wenn man sie bekommen kann und ihre systematischen Mängel berücksichtigt – warum nicht? Aber: Wollen wir wirklich, das all unsere Bewegungsdaten öffentlich werden? Zwar kann man Daten aggregieren und verschleiern, aber gerade in Randbereichen ist die nachträgliche Identifikation nicht hundertprozentig zu vermeiden.

Unterirdische Datenqualität

Eine weitere These: Die Datenqualität von kommerziellen Unternehmen ist oft unterirdisch. Schaut mal in Eure Werbeprofile bei Facebook und Google. Darunter wird vieles sein, was erstaunlich korrekt sind: Alter, Geschlecht, Interessen. Doch wann immer ich in solche Profile gucke, sind lächerliche Fehlannahmen darunter. Facebook meinte zum Beispiel, ich höre als liebstes Blues-Musik. Was nicht stimmt. Facebook ist das jedoch ziemlich egal. Aufgrund meiner vermeintlichen Vorlieben wird mir Werbung gezeigt. Wenn mir eine Werbung angezeigt wird, die mich nicht wirklich interessiert, muss sie dennoch bezahlt werden. Und selbst wenn nicht: Ab einem gewissen Punkt rechnet sich die Optimierung auf meine tatsächlichen Interessen nicht mehr.

Es ist aber nicht nur das Desinteresse von kommerziellen Entitäten an durchweg korrekten Daten – der profitorientierte Ansatz produziert andere Daten als Entitäten, die das Gemeinwohl im Blick haben. Beispielsweise veröffentlichte Forbes neulich einen Artikel darüber, wie Fodoora entdeckt hat, das Fahrräder das effizientere Verkehrsmittel sind, weil sie im Stadtverkehr Autos und sogar Motorroller hinter sich lassen.

Dabei darf man jedoch nicht vergessen, worum es hier geht. Die Lieferfahrer haben ein sehr spezielles Bewegungsprofil. Zum einen: Sie fahren immer nur wenige Kilometer. Wenn jemand vom anderen Ende der Stadt eine Pizza bestellt, wird sie auch von dort geliefert. Für mich als Radfahrer in Köln sind diese Daten nur beschränkt übertragbar. Denn ich kann mich nicht in die nächste Lieferpizzeria teleportieren lassen, um von dort meinen Weg zu meinem Ziel fortzusetzen.

Gut genug ist nicht genug

Doch die Daten, die ein Unternehmen produziert, sind auch auf andere Weise verzerrt. Wenn ich in den Straßenverkehr schaue, wird recht deutlich, dass sich Lieferfahrer deutlich anders verhalten als andere Verkehrsteilnehmer. So sind sie ökonomisch motiviert, jede Art von Abkürzung zu nehmen, sie wissen besser als andere, wo sie was können. Dadurch werden die Daten sozusagen verseucht: Nur weil ein Lieferfahrer eine Straße langgefahren ist, ist es noch lange kein Beweis dafür, dass es sich um keine Einbahnstraße in anderer Richtung handelt — nicht einmal, wenn es 100 Lieferfahrer machen. Eine Navigation, die auf solchen Daten aufzusetzen versucht, wird notwendigerweise Probleme bekommen.

Kurzum: Für Privatunternehmen ist die Maxime: Es reicht, wenn Daten gut genug für meinen Zweck sind. Öffentliche Daten sollten jedoch einem höheren Anspruch genügen.