Ich habe den neuen Comic-Con-Trailer der neuen Star Trek-TV-Serie „Discovery“ gesehen und bin ein wenig erschüttert. Ich sehe: Explosionen. Ich sehe: Eine einsame Heldin, die eine Katastrophe verhindern muss. Ich sehe viel Dunkelheit und Panik. Was ich nicht sehe: Star Trek.
Ich hab neulich mal auf Netflix nach Filmen gesucht, die den Zuschauer nicht herunterziehen und gleichzeitig keine intellektuelle Beleidigung sind. Dabei fiel mir auf: Wir haben einen erschreckenden Mangel an Visionen, die sich tatsächlich um Menschen und nicht um irgendwelche Idole drehen. Sicher: Tom Cruise kann Aliens niederringen, aber hat das etwas mit uns zu tun? Nein. Nur Superhelden und Supermenschen haben das Recht auf ihre Zukunft.
Star Trek war einst eine andere Vision. Die Original-Serie lieferte inmitten des Kalten Kriegs einen gesellschaftlichen Gegenentwurf: Menschen von allen Kontinenten sollten mit Hilfe moderner Technik zusammenarbeiten, um gemeinsam etwas Neues zu schaffen und neue Grenzen zu suchen. Die Menschheit sollte ihr Potenzial ausschöpfen anstatt sich gewaltsam selbst zu vernichten.
The Next Generation griff das Thema zum Ende des Kalten Krieges zunächst chaotisch, dann gekonnt auf. Besonders gelungen sind die Doppelfolgen, in denen wir als Zuschauer zum Beispiel die Kultur der Klingonen jenseits ihrer Angriffskreuzer kennenlernen konnten. Aber natürlich war die Serie voller Widersprüche: So erzählen die Figuren pausenlos von ihrer individuellen Freiheit, aber wir sehen quasi nur Leute, die in einer militärischen Kommandostruktur zwölf Stunden am Tag arbeiten. Auch lernt die Sternenflotte nie etwas von ihren Begegnungen mit fremden Kulturen, sondern macht immer in obskuren Marine-Traditionen aus dem 18. Jahrhundert weiter.
Deep Space Nine brach mit diesem Überlegenheitsdenken. Captain Sisko muss Spiritualität lernen, Dax wird zur Klingonin ehrenhalber und alle lernen viel von den Ferengi. Der Zuschauer widerum lernt erstmals das Star Trek-Universum wirklich kennen. Statt nur ein übellauniges Kardassianer-Schiff im All zu sehen, wissen wir nun eine Menge über Gesellschaft, Gesetze und Familienwerte. Und das gilt quasi für alle Völker. Deep Space Nine zeigte, dass auch dann, wenn beide Seite nur das Beste wollen, das Ergebnis Zerstörung und Verzweiflung sein kann. Wenn man sich hingegen mit Unterschieden arrangiert, wartet eine faszinierende Welt auf Entdeckung.
Willkommen bei den Kirk-Festspielen
Es ist eine Banalität, die immer wieder vergessen wird: Science Fiction spielt nicht wirklich in der Zukunft, sondern in der Gegenwart. Im letzten Jahrzehnt scheinen wir laut Star Trek jedoch keinerlei Gegenwart mehr zu haben. Der alte Kirk musste sich wenigstens ab und zu mit realen Problemen auseinandersetzen: Gentechnik, Umweltzerstörung, Religion. Die kriegerischen Klingonen werden in einen historischen Frieden gezwungen, weil ihre Energieversorgung zusammenbricht.
Seit dem Reboot (und schon davor) ist das Star Trek-Universum jedoch zu einem kontextlosen Sammelsurium verkommen: Bösewichter kommen aus dem Nichts, um von Kirk mit viel Klopperei wieder ins Nichts verbannt zu werden. Vulkan wird zerstört — nur um zu sehen, ob Spock (der Anti-Kirk) zu einer Emotion fähig ist. Der Rest ist ein Wettbewerb darum, wer denn der beste Buddy von Kirk ist.
Der Trailer zu Discovery verspricht einen phaserscharfen Fokus auf eine Person, die ohne Fehl und Tadel ist und sich dann von einer Herausforderung zur nächsten kämpfen muss. Ihre inneren Dämonen wurden direkt zu anderen Charakteren umgeschrieben. Wenn der durchscheinende Vulkanier mal wieder ein Zeitreisender ist, wird das Universum mal wieder von den Folgen jeder Handlung, von jeder Entwicklung und jedem Fortschritt immunisiert.
Was bleibt, ist eine Handvoll Supermenschen, die ihr Recht auf eine Zukunft erkämpfen. Der Rest — also: wir — können allenfalls zusehen. Dabei könnten wir doch gerade heute ein bisschen Zukunft für uns selbst gebrauchen.