Willkommen in der Alkoholmetropole Köln

Das Festkomitee Kölner Karneval hat einen Flyer herausgegeben, der insbesondere Flüchtlinge über den Karneval informieren soll. Ich erinnere mich noch halbwegs gut an meine Anfangszeit in Köln und glaube, dass das Komitee einen bemerkenswert schlechten Job gemacht hat, Karneval für Außenstehende zu erklären.

So erfahren die Leser, dass Karneval seit 1823 gefeiert wird, dass es über 100 Karnevalsvereine gibt und wie viel ungefähr der Eintritt für eine Karnevalssitzung kostet. Das ist für Touristen sicher interessant. Doch wer hier zum ersten Mal hier lebt, und noch nie von Karneval gehört hat, sollte meiner Meinung nach ein paar andere Dinge zuerst erfahren. Zum Beispiel wann Ämter geschlossen sind. Oder was es mit den „Alaaf“-Rufen auf sich hat. Warum die Leute Strohpuppen verbrennen.

Vor allem über ein Thema sollte man jedoch ausführlich sprechen: Alkohol. Den Punkt verschweigt das Festkomitee zwar nicht völlig, die Aufklärung lässt aber zu wünschen übrig.

Muss man Alkohol trinken, um mitfeiern zu können? Viele Kölner trinken zwar an Karneval Bier oder andere alkoholische Getränke, das ist aber natürlich keine Pflicht. Spaß haben, singen und tanzen kann man ohne Alkohol mindestens genauso gut.
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Ich finde es nicht fair, die Leute anzulügen. Wer einmal gänzlich nüchtern in einem Raum voller Betrunkener war, kann eindrücklich bestätigen, dass das Erlebnis nicht „mindestens genauso gut“ ist. Wie wäre es mit einer etwas wahrheitsgetreueren Version, die den Leuten tatsächlich Orientierung bietet? Ein paar Vorschläge:

Der Karneval ist ein riesiges Massenbesäufnis. Leute kommen aus Hunderten Kilometern Entfernung nach Köln, um drei bis fünf Tage sich dem Alkoholrausch hinzugeben, zu singen und zu tanzen. Das ist weitgehend legal. Allerdings darf man alkoholisiert keine Autos oder Motorräder fahren, auch Fahrräder sind ab einem gewissen Alkoholpegel Tabu.
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Passen Sie auf. Menschen unter Alkoholeinfluss werden oft aggressiv oder verlieren die Selbstkontrolle. Wir haben uns bemüht, Kinder vor Alkohol zu schützen, indem wir zum Beispiel Händlern bei Strafe verbieten, alkoholische Getränke an Kinder zu verkaufen. Doch es klappt nicht völlig. Jedes Jahr landen Kinder und Jugendliche wegen Alkoholvergiftung im Krankenhaus. Sollte Ihr Kind zu viel Alkohol getrunken haben und nicht mehr ansprechbar sein, wenden Sie sich an einen Arzt. Es gibt auch Veranstaltungen in denen Jugendliche beaufsichtigt ohne Alkohol feiern können. Karnevalsvereine erteilen gerne Auskunft.
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Alkoholkonsum führt zu anstößigem Benehmen. Obwohl an vielen Stellen öffentliche Toiletten aufgebaut werden, urinieren manche Feiernde auf offener Straße oder übergeben sich. Bitte tun Sie es ihnen nicht gleich. Vor den Toiletten bilden sich lange Schlangen, also gehen Sie lieber zu früh als zu spät. Bedenken Sie immer: Es ist unklug, sich auf einen Streit mit alkoholisierten Menschen einzulassen. Wenn Sie in der Innenstadt wohnen, kann es bis in die Nacht laut sein. Allerdings geht das in einigen Tagen vorbei.
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Ein Wahlspruch der Kölner zum Karneval ist „Trink doch ene mit“ – wenn Sie in Köln Karneval feiern, werden Sie freundlich genötigt werden, Alkohol zu trinken. Sollten Sie Alkoholkonsum nicht gewohnt sein, lehnen Sie höflich ab. Falls Mitfeiernde Sie weiter bedrängen, behaupten Sie, dass sie ein Medikament nehmen und deshalb nichts trinken dürfen. Wollen Sie dennoch mitfeiern halten Sie sich am besten an Kölsch, das relativ wenig Alkohol hat.
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Der Karneval scheint omnipräsent und manchmal bedrohlich zu sein — doch keine Angst: Das normale Leben geht weiter. Busse und Bahnen fahren meist normal oder nach dem Feiertagsfahrplan. Allerdings dürfen Sie nicht damit rechnen, dass Dienstleister und Geschäfte geöffnet haben. Erkundigen Sie sich vorher, wann die Lebensmittelgeschäfte und Ämter geöffnet haben. Meist stehen die Karnevals-Öffnungszeiten auf Aushängen am Eingang.

Political correctness für Dummies

Immer wieder wird über Gutmenschentum oder „political correctness“ gelästert. Bis zu einem Punkt kann ich das verstehen. Der Punkt ist jedoch nicht besonders fern. Inzwischen halte ich die meisten Leute, die an erster Stelle darüber lästern, für Idioten.

„Political correctness“ ist im Prinzip ein shortcut, eine Kurzanleitung mit dem Titel „Wie rede ich ohne Leute zu verletzen für Dummies“: Wenn Du Wort X statt Y verwendest, wirst Du schon keinen Anstoß erregen, steht darin. Und Du willst doch keinen Anstoß erregen?

Es ist beschämend, aber wir brauchen solche Anleitungen. Über Generationen unter der Prämisse gelebt haben, dass gewisse Gruppen keine Ohren haben. Zum Beispiel: Behinderte, Homosexuelle, Frauen in bestimmten Situationen. Sie hatten jedoch sehr wohl Ohren – sie hatten lediglich keine Stimmen. Worte wie „Spasti“ oder „Krüppel“ gehen einem leicht von den Lippen, wenn man niemanden kennt, der damit angesprochen sein könnte. „Schwul“ war in meinen Kindertagen schlicht das Gegenteil von „cool“.

Wie jeder Generalisierung generiert auch die political correctness viele Missverständnisse, sie verkauft den öffentlichen Diskurs als dümmer, als wir uns individuell fühlen. Warum soll ich ein hässliches Binnen-I verwenden, wenn doch klar ist, dass ich alle Geschlechter meine? Warum soll ich keine harmlosen schlüpfrigen Witze machen – alle meine Freundinnen sind schließlich selbstbewusste Frauen? Warum soll ich mich nicht ans Schaufenster setzen und über die lästern, die draußen vorbeigehen? Man nennt es Mode!

Wenn wir nicht über andere lästern, wie sollen wir unseren eigenen Wertekanon aufbauen? Wie kann es sein, dass jemand für einen schlechten Witz gefeuert wird? Ist nicht der Punkt erreicht, wo wir um unser Recht kämpfen müssen, schlechte Witze zu machen? Wo es die verdammte Pflicht ist den Leuten, die der political correctness aufgesessen sind, ihre Augen zu öffnen?

Nein, ist es nicht. Zum einen: Die Bürden der political correctness sind im Alltag nicht wirklich hoch. Ich verdiene meinen Lebenunterhalt mit Schreiben und niemand verlangt von mir mich als „Cis-Mann“ zu bezeichnen oder auch nur das Binnen-I zu verwenden. (Im Gegensatz zum Binnen-P in iPhone und iPad.) Zum zweiten: Ich spüre zwar, dass ich als heterosexueller weißer Mann, einfacheres Ziel eines schlechter Witze bin — aber viel beleidigender finde ich die Dieter Nuhrs der Nation, die sich scheinbar vor mich stellen.

Zum Dritten: Auch wenn viele meinen, dass die veränderte Sprache Diskurs verhindere, sehe ich in meinen Zirkeln tatsächlich noch viel Diskurs. Ein viel diskutierte These der letzten Jahre zum Beispiel war: Man darf keine Witze über Vergewaltigung machen. Nun, Bullshit. Nur die schlechten Witze zu diesem Thema müffeln schon nicht mehr, sie stinken. Es gibt Leute wie Louis CK oder Broad City, die sehr wohl noch den Witz aus den Themen rauskitzeln, ohne dass man sich dafür schämen muss. Dass Jimmy Fallon auf das Thema verzichtet, empfinde ich nicht wirklich als Verlust.