Liebe PR-Branche

Ich habe eine ganz einfache Bitte. Bevor ihr mich in einen Presseverteiler / Newsletter aufnehmt, fragt mich einfach.

Ich habe eine separate E-Mail-Adresse für Pressemitteilungen, die ich tatsächlich auch lese. Ich sag Euch an was ich interessiert bin und was nicht. Zum Beispiel: Personalien sind meist uninteressant für mich. Neue Produkte gewisser Art hingegen sind interessant, wenn es tatsächlich neue Produkte sind und nicht nur ein neuer Dreh etwas altbekanntes als neu zu verkaufen. Prozesse sind oft spannend — aber ich verstehe, dass ihr darüber nicht reden wollt. Ich sage oft am Telefon zu einem Sprecher: „Wenn sich genau in dieser Sache etwas Neues ergibt — können Sie mir eine E-Mail schicken?“

Wenn ihr hingegen meinen Namen unter einem Artikel seht und dann im Web nach meiner E-Mail-Adresse sucht und mich dann fortan ungefragt mit jeder schlechten Idee / Infografik / Billig-Umfrage belästigt, weil das ja legal sei (eben tatsächlich gehört!), dann seid ihr Spammer.

So ganz unrecht hat er nicht? Doch!

In dem allgemeinen Nondiskurs zu gesellschaftlichen Themen, der daraus besteht, das zwei oder mehr Seiten ihre Standpunkte per Megaphon verkünden und dabei die Finger ganz fest in die eigenen Ohren stecken, um ja nicht von Gegenargumenten getroffen und vermutlich tödlich verletzt zu werden, im allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs, bei dem jemand um Teufel komm raus provoziert und den Provozierten dann ihre Erregung vorwirft, da begegnet mir das Scheinargument recht häufig:

So ganz unrecht hat er doch nicht!

Meist kommt dieser oder ein ähnlicher Satz von Leuten, die prinzipiell der Meinung eines Megaphonträgers sind, aber die nicht mehr leugnen können, dass das, was der Vorsprecher sagte, zum großen Teil erstunken, erlogen und nicht verstanden ist.

So ganz unrecht hat er doch nicht. Man muss ja die gesellschaftlichen Realitäten sehen…

Als Journalist kann ich sagen: komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge lassen sich unmöglich in 4000-Zeichen-Texte verpacken, die die objektive Wahrheit umfassend abbilden und von niemandem missverstanden werden können. Und dass unveränderbare Kennzeichen von komplexen gesellschaftlichen Fragen ist, dass es immer jemand gibt, der missverstehen will.

So ganz unrecht hat er doch nicht. Seine Meinung ist halt seine Meinung. Und darf man nicht mehr seine Meinung sagen?

So schwer es ist, auch nur über überschaubare Strecken alleine die objektive Wahrheit zu sagen und zu schreiben; so schwer ist es, konsequent die objektive Unwahrheit zu sagen. Zwei plus zwei ist gleich elf und der erste bekannte US-Präsident war ein Velociraptor. Das ist falsch, aber waren nicht Velociraptoren in Amerika? Und die Grammatik stimmt doch? Und seien wir ehrlich: der Raubtierkapitalismus der USA hat etwas von einem gefräßigen Saurier. Und die Mathe ist nicht schlimmer als das, was Kuba macht!

So ganz unrecht hat er ja nicht!

Doch. Wer Anekdoten erfindet, Lügen und Verschwörungstheorien verbreitet, wer Verachtung verspritzt, der hat für alle praktischen Erwägungen unrecht. Komplett. Er kann ja nochmal versuchen ohne den Quatsch seinen Punkt zu machen.

Lasst uns unterdessen jemandem zuhören, der kein Megaphon hat und sich kein heißes Wachs in die Gehörgänge träufelt, um ja kein Gegenargument zu hören.

Das finale Update

„Guten Tag“
„Hallo?“
„Wir sind von dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Wir wollen mit Ihnen über ihren Router sprechen.“
„Meinen was?“ 
„Router. Oder sagen Sie ‚Rauter‘?“
„Ich habe keine Ahnung…“
„Der Plastikkasten zwischen Telefondose und Computer.“
„Ach so. Das Ding. Was ist denn mit dem los?“
„Nun — ihr Router…ihr Ding ist zu alt. Keine Sicherheitsupdates mehr. Dürfen wir rein?“
„Ich hab nicht aufgeräumt.“ 
„Kein Problem, kein Problem. Sehen Sie mein Kollege hat den Router schon gefunden.“
„Ja. Und nun?“
„Nun werden wir ein Sicherheitsupdate vornehmen.“
„Mit einem Hammer?“
„Natürlich. Wie auch sonst? Meinen sie, F-Link würde für das alte Ding noch Updates herausgeben?“
(Aus dem Flur hört man, wie Plastikgehäuse und Platine mit einigen wuchtigen Schlägen zermalmt werden.)
„Hey, Sie können doch nicht!“
„Doch wir können. Sie sind nun sicher.“
„Aber ich komme doch jetzt nicht mehr ins Internet.“
„Stimmt. Wir nennen es das Enzensberger-Update. Sie können sich nun einen neuen Router kaufen und kommen wieder ins Internet.“
„Na hören sie mal!“
„Gern geschehen. Wir kommen dann in fünf Jahren nochmal vorbei. Und immer dran denken: Surfen Sie sicher!“
„Ja, Sie mich auch.“