Auch ich bin ein Urheber

Ich bin ein Urheber. Ich schreibe Texte über das Internet, meist sogar in das Internet. Damit unterscheidet sich meine Lebens- und Arbeitsrealität deutlich von der derer, die sich unter dem Slogan „Wir sind die Urheber!“ zu Wort melden.

Wie sieht das aus? Ich bekomme kein Geld von der GEMA und meine Werke sind nicht bei thepiratebay.org aufgelistet. Private Kopien schrecken nicht wirklich, denn für die bekomme ich Pauschalentschädigungen von der VG Wort. Eine willkommene Ergänzung des Einkommens, aber nicht mehr.

Zwischen meinen Verwertern und mir gibt es auch keine großen Differenzen. Total-Buy-Out ist heute kein riesiges Problem mehr, da ich meine Arbeiten eh nicht mehr zwei Mal verkaufen kann. Und meine Auftraggeber auch nicht. Wer bitteschön zahlt 650 Euro, um einen FAZ-Text ein halbes Jahr zu publizieren? Vor Jahren waren Zweitverwertungen für freie Journalisten noch eine substantielle Einnahmequelle, der Markt ist aber tot. Wer früher zum Beispiel Hörfunkbeiträge an fünf ARD-Veranstalten verkaufte, muss nun mit einem Honorar auskommen. Nicht das Netz ist schuld, aber die Vernetzung hat gewaltige Umwälzungen zur Folge. Wer glaubt, dass solche Umwälzungen ohne Verlierer stattfinden können, lügt sich selbst an.

Probleme bereiten mir die vielen, die meine Recherchen einfach umformulieren und abschreiben, vielleicht noch eine skandalisierende Überschrift darüber setzen. Gleichzeitig kann ich ohne die Offenheit der Fakten nicht arbeiten. Recherche baut fast immer auf den Recherchen anderer auf. Und eine „Edelfeder“ bin ich weiß Gott nicht.

Sorgen habe ich, dass jeder zwar den neutralen Journalismus beschwört, aber dann doch lieber tendenziöse Stücke liest, die der eigenen Meinung entsprechen. Oder dem Gegenteil. Was denkt der Schmierfink sich eigentlich!! Das ist weiß Gott nicht neu, Medien sind vor dem deutschen Recht „Tendenzbetriebe“, bei denen die Unternehmensspitze die Leitlinien vorgibt. Bisher war ich aber in der privilegierten Situation, dass meine Auftraggeber vor allem sauberen Journalismus von mir verlangten.

Dankbar bin ich, dass ich davon leben kann, darüber zu schreiben, was mich interessiert — ohne PR-Aufträge nebenher. Das erlaubt mir auch, meine eigenen Blogs ohne Gewinnabsicht zu führen oder für Redaktionen zu arbeiten, die nicht viel zahlen können. Dankbar bin ich auch für die gute Zusammenarbeit mit vielen Redaktionen. Zwei standen mir kürzlich auch bei einem Rechtsstreit beiseite und hielten den Rücken frei. Ohne solche Deckung ist das Publizieren heute ein russisches Roulette. Ob berechtigt oder unberechtigt: motivierte und finanzstarke Kläger können immer Ärger machen. Dagegen hilft nur Rückgrat, eine Haltung. In den letzten 10 Jahren musste ich es aber schon mehrfach erleben, dass solche Redaktionen geschlossen wurden, weil sich ihr Journalismus nach Auffassung der Verleger nicht lohnte.

Sorgen macht mir auch, wenn unreflektiert die Verschärfung oder die Reduzierung von Urheberrechtsdurchsetzungen gefordert werden. Was 70 Jahre nach meinem Tod mit meinen Texten passiert, die oft schon nach einem Tag nicht mehr vermarktbar sind, weil sie aktuell geschrieben wurden, ist jenseits jeder rationellen Überlegung. Dass man heute immer noch nicht Kästners Augenzeugenbericht der Bücherverbrennung zum Jahrestag wiedergeben kann, ist nicht erst durch das Internet widersinnig geworden. Gleichzeitig sehe ich auch auf der Gegenseite wenig valide Konzepte. Eine reine Pauschalfinanzierung ist gerade in Zeiten des Internets nicht durchsetzbar, da die Urheberrechtsmärkte nicht mehr fein säuberlich getrennt sind. Und Konstrukte, die auf die Unterscheidung zwischen „kommerziell“ und „privat“ aufbauen, sind im Zeitalter der Aggregation weitgehend sinnlos. Dieser Punkt betrifft genau so die Vorstellungen der Piratenpartei wie die der Leistungsschutzrechtslobby.

Ach ja: Das Leistungsschutzrecht hilft mir nicht und selbst wenn es das ein bisschen täte, würde ich es immer noch ablehnen. Aber da ich nicht für Springer arbeite, ist auch das kein wirklicher Gegensatz zu meinen „Verwertern“.