Stefan Tomik kommentiert auf FAZ.net zum Ende der Websperren:
Nur einzelne Unionspolitiker blieben bis zuletzt dabei, dass solche Sperren das Löschen der Inhalte an der Quelle hätten ergänzen können. Dafür wurden sie als Ewiggestrige abgestempelt. Dabei hätte nichts dagegen gesprochen, beides parallel zu betreiben. Wenn es jetzt heißt, das Löschen funktioniere schneller als noch vor Beginn der großen Debatte über „Zensursula“, dann liegt das auch an einer verbesserten Zusammenarbeit im Kampf gegen Kinderpornographie, die es ohne diese Debatte wohl nicht gegeben hätte.
Da hat Tomik einen richtigen Halb-Gedanken. Denn eigentlich ist die Frage unvermeidlich: Warum benötigten wir die Debatte um Netzsperren um die internationale Zusammenarbeit zu verbessern? Ich schreibe nun schon seit 10 Jahren zum Thema — und kein Fachmann äußerte je einen Zweifel daran, dass die internationale Zusammenarbeit der Polizeibehörden dringend verbessert werden musste. Die wichtigsten juristischen Hürden waren bereits vor knapp fünf Jahren weitgehend beseitigt: Kinderpornografie war international geächtet und Microsoft vertrieb sogar schon ein Tool um Hashwerte von Missbrauchs-Bildern auszutauschen. Dennoch tat sich wenig.
Stattdessen bauten nach und nach Länder wie Großbritannien, Schweden, Italien in den letzten Jahren ihre eigenen Sperrsysteme auf — und plötzlich war die internationale Zusammenarbeit nicht mehr so drängend. Die Diskussion um Websperren in Deutschland hat enthüllt, dass nicht Mal in Europa ein geregelter Austausch von essentiellen Informationen bestanden hat. Der Erfolg der Maßnahmen wurde nie überprüft. Wenn ein Kinderporno-Ring mit Hunderten und Tausenden Verdächtigen in ganz Europa enttarnt wird, fragt niemand: wie kamen diese Menschen an den Sperren vorbei? Kein Wissenschaftler darf die Sperrlisten ansehen. Die für die britischen Internetsperren zuständige Internet Watch Foundation verweigerte mir gar Auskunft darüber, ob sie jemals eine Seite gesperrt habe, die schon zwei Jahre offline war. Die Botschaft: alles ist in guten Händen. Gehen Sie weiter. Es gibt nichts zu sehen! Und es gibt nichts, womit man Gipfeltreffen oder Fachkonferenzen belasten sollte. Unser System funktioniert jedenfalls prima! Sperren und Löschen? Die Frage stellte sich nicht. Sperren reichte ja schon.
Selbst wenn Websperren keinen negativen Effekt hätten, selbst wenn Staaten das Mittel nicht dazu nutzen wollten ihre Glücksspieleinnahmen oder Staatsdogmen zu sichern, selbst dann ist die Frage zu stellen: haben die Websperren nicht dazu beigetragen, sinnvolle Schritte zu verhindern?