„Datenschutz aus dem 18. Jahrhundert“

Die neue Digital-Staatsministerin Dorothee Bär wird grade wegen ihrer unbestreitbaren Kompetenz mit Vorschuss-Lorbeeren überschüttet. Ich weiß ehrlich gesagt nicht so viel über sie. Aber ich bin eben zufällig über ein Interview mit ihr gestolpert.

Da steht aber – wie so oft – der gute alte deutsche Datenschutz davor. Bär: Richtig! Wir brauchen deshalb endlich eine smarte Datenkultur vor allem für Unternehmen. Tatsächlich existiert in Deutschland aber ein Datenschutz wie im 18. Jahrhundert.

Ich weiß, das ist nicht wörtlich gemeint. „Wie im 18. Jahrhundert soll eigentlich nur heißen: „Das ist gaanz, gaaaaanz veraltet“. Und „wie im 18. Jahrhundert“ klingt halt gebildeter, ministerieller. Und doch…

Und doch wünsche ich mir, dass eine Digitalministerin weiß, dass unser Datenschutz ausdrücklich aus dem 20. Jahrhundert stammt. Aus Gründen. Da gab es zum Beispiel ein Regime, das Großkunde von IBM war und damit das staatliche Großprojekt namens Holocaust organisierte. Und dann gab es noch das andere Regime, dessen minutiöse Aufzeichungen über Millionen Bürger immer noch aus Fetzen zusammengesetzt wird. Daher stammt unser Datenschutz. Und wir sind noch im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts — also ist das viel zu früh, das 20. Jahrhundert zu vergessen oder es einfach mit kleinen Witzchen beiseite zu wischen.

(Ich würde mir auch wünschen, dass eine Politikerin der Partei, die ein Heimatministerium durchgesetzt hat, ein wenig Kenntnis deutscher Literatur hat. Im 18. Jahrhundert bestand der Datenschutz darin, dass man Geheimnisse besser gut versteckte und wenn es nicht klappte, musste man halt sein Dorf verlassen oder in einen fernen Krieg ziehen.)

Aber ich weiß, das ist nicht wörtlich gemeint. Genau so wie solche Sätze: „Könnten Daten deutscher Patienten mit weltweiten Datenbanken abgeglichen werden, wäre eine Diagnose oft schneller da, als sie zehn Ärzte stellen können.“ Das ist eine Metapher, denn um zehn Ärzte zu sehen, braucht man mindestens ein Jahr.

Da diese Platitüde aber auch der Slogan des neuen Gesundheitsministers ist, können wir uns schon mal drauf einstellen, dass unsere Gesundheitsdaten tatsächlich um die Welt geschickt werden sollen. Drüben über dem Atlantik wurde grade versucht, die Krankenversicherung für Lehrer in West Virginia an ein modernes Programm namens Go365 zu knüpfen. Wer da Fitness-Ziele nicht erfüllt, keinen Fitbit mit sich führt und auch kein automatisiertes Schlaf-Logbuch anlegt, muss halt für die Krankenkasse etwas mehr bezahlen. Das wurde per Streik zwar grade noch verhindert, aber es war halt auch nur der erste Versuch.

Wer ist der Big Brother?

Pressemitteilung von gerade eben:

Die Vorsitzende des Arbeitskreises für Netzpolitik (CSUnet), Vorsitzende des CSU-Netzrates und 
stv. CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär, MdB zum morgigen europaweiten Aktionstag gegen INDECT:
„Ich wünsche mir vom morgigen Aktionstag gegen INDECT ein klares Zeichen und einen ähnlichen Weckruf wie den, der letztendlich zum Ende von ACTA geführt hat. INDECT bedeutet Überwachung ohne Maß und Ziel und sprengt alles, was wir bisher an präventiven Sicherheitskonzepten diskutiert haben. Die Tatsache, dass Daten aus Überwachungskameras mit Daten aus dem Internet wie zum Beispiel sozialen Netzwerken verglichen und ‚abnormales‘ Verhalten erkannt werden soll, erzeugt bei mir ein regelrechtes Schaudern. Allein die Begrifflichkeit muss alle demokratischen Alarmglocken klingeln lassen. Was bitte soll ein solches Verhalten sein und wer legt fest, wann sich jemand nicht normal verhält?

Wer ist eigentlich für diese ganzen Überwachungsprojekte und -gesetze verantwortlich, wenn nicht Mal die CDU/CSU dahinter steht?

Offliner-Unterdrückung ist nicht christlich

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat einen Beitrag von Stephan Eisel online gestellt, der viele bekannte Stichwörter zu den Piraten wiederholt: Lückenhaftes Programm, linke Protestpartei, Clowns mit Internetfixierung und Pseudo-Transparenz.

Das Fazit jedoch ein Knaller:

Gerade beim Kernthema der Internetpartei tritt dabei die problematische Grundausrichtung der Piraten offen zu Tage: Ihr Menschenbild ignoriert die Verschiedenartigkeit und Gleichwertigkeit der Menschen. Denn wer mit dem Internet nichts anfangen kann oder will, passt nicht in ihr digitales Weltbild und gehört nicht zu den „Auserwählten“ der neuen Zeit. Das Weltbild der Piraten verweigert sich zudem konsequent dem unverzichtbaren und unauflösbaren Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung. Vor einem christlichen Menschenbild kann aber elitäres Gebaren ebenso wenig bestehen wie die bedingungslose Vergötterung eines neuen Mediums.

Die nukleare Vernunft des Franz-Josef Strauß

CDU-Generalsekretär Gröhe geht in die Offensive. Nicht die CDU, sondern die sozialliberale Koalition unter Helmut Schmidt habe die Atomkraftwerke nach Deutschland gebracht. Eine historische Tatsache. Und wer hat im Dienste der Vernunft gegengesteuert?

Welt Online: Das ist doch, was viele Ihnen heute vorwerfen: Wenn die Stimmung umschlägt, ändert die CDU über Nacht ihre Politik.

Gröhe: Wir reagieren auf eine schreckliche Katastrophe, nicht auf bloße Stimmungen. Angesichts der täglichen Nachrichten aus Japan wäre es fatal gewesen, rechthaberisch mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Im Übrigen haben schon Franz Josef Strauß und Ernst Albrecht politische Entscheidungen in Sachen Kernenergie verändert, weil sie um die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz wussten.

Franz-Josef Strauß, gesellschaftliche Akzeptanz und Nukleartechnik — da fällt mir vor allem ein Kapitel ein: Der Atom-Granatwerfer Davy Crocket, den Strauß damals für die Bundeswehr kaufen wollte. Oder um die Wikipedia zu zitieren:

In der Praxis zeigten beide Antriebe M-28 und M-29 eine geringe Treffergenauigkeit; demnach hätte die Waffe vor allem über die sehr starke Radioaktivität gewirkt: Selbst bei Einstellung auf geringe Sprengkraft produzierte die M-388 eine direkte Anfangsstrahlung mit einer letalen Strahlendosis von über 100 Sievert innerhalb von 150 Metern, und eine ebenfalls meist halb-letale Dosis von etwa 50 Sv innerhalb von 430 Metern.

Auf Grund der Ungenauigkeit der Waffe, der geringen Entfernung der Geschützmannschaften zum Ground-Zero und folglich der nur schwer kalkulierbaren Zugrichtung eines möglichen Fallouts (Radioaktiver Niederschlag), war davon auszugehen, dass die bedienende Geschützmannschaft bei der Explosion des atomaren Sprengkopfes auch schwere Strahlenschäden erleiden könnten. Daher war der Einsatz dieser Waffe lediglich als letzter Ausweg aus einer verzweifelten Bedrohungslage vorgesehen.

Politiker sahen bei der Verwendung der Davy Crockett nicht die Gefahr der Auslösung eines Atomkrieges. Daher wollte unter anderem der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Strauß den Mangel an Soldaten der Sowjetunion gegenüber durch die Davy Crockett ausgleichen. Aus Angst, die Kontrolle über den Einsatz von nuklearen Waffen zu verlieren, verkauften die Vereinigten Staaten keine nuklearen Kleinstwaffen an NATO-Partner.

Lange Rede, kurzer Sinn: im Kampf gegen den Kommunismus hätte Strauß Deutschland notfalls in eine atomare Wüste verwandelt. Keine Politik der verbrannten Erde, sondern eines verstrahlten Landes. Aber anders als beim Starfighter, lieferten die USA einfach nicht. Ein Sieg der Vernunft und der Weitsicht des großen CSU-Vorsitzenden.

„Mein Internet“

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus – und so trifft die Ankündigung des CSU Netzkongresses gerade auf Twitter auf freudige und gespannte Erwartung.

Das Programm lässt einiges erhoffen. Nach einer Einleitung durch Dorothee Bär, MdB, Stv. Generalsekretärin der CSU, wird der Parteivorsitzende Horst Seehofer seine Aufwartung machen und eine inspirierende Rede halten. Thema: „Mein Internet“.

Dank der jüngst gegründeten Viralvideo-Abteilung der junggebliebenen bayerischen Volkspartei kann hier schon ein exklusives Preview präsentiert werden.

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PS: Des Englisch mächtige Zuschauer können sich den O-Ton ansehen.

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Auf zur Merk-Befreiung

Die bayerischen Justizministerin Beate Merk will verrohte Videos aus dem Internet löschen, sperren, verbieten – kurzum: die Gesellschaft von dem Schund befreien. Wer könnte etwas gegen diesen Vorstoß der Vernunft einwenden?

Ich hab auch schon den passenden Namen für das Gesetz: die Merk-Befreiung.

Vermissen Sie etwas, Herr Herrmann?

Heute tickert über die dpa:

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung mehren sich die Stimmen, die vor Risiken für die Sicherheit warnen. Bis der Gesetzgeber eine neue Regelung auf den Weg gebracht habe, könne der rechtlose Zustand Menschenleben kosten, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.

Wie viel sicherer hat es sich doch im verfassungslosen Zustand gelebt.

Die gefährliche Lust nach Daten

Die NZZ hat unseren neuen Obersten Datenschützer Karl Theodor zu Guttenberg interviewt:

Ich glaube, dass man hochsensibel damit umgehen sollte und auf beiden Seiten, insbesondere aber bei uns, rechtsstaatliche Massstäbe beachten sollte und manche vorauseilende Lust auf Daten auch einer solchen Überprüfung standhalten muss. Diese Prüfung ist vorzunehmen, und wenn ich Herrn InnenFinanzminister Schäuble richtig verstanden habe, hat er sich schon sehr skeptisch geäussert. Ich kann diese Skepsis nur teilen.

Ach ja: es geht nicht um unsere Daten, nicht um SWIFT und Terrorlisten, sondern um die Kontoinformationen von Steuerbetrügern.

Der Strauß

Auch an solchen Tagen findet man etwas zum Lachen. Ich habe mich heute über eine Partei-Posse amüsiert. Eine CSU-Ministerin hat doch tatsächlich gesagt dass Franz-Josef Strauß nicht unbedingt immer unmittelbar ohne Fehl und Tadel gewesen sein könnte. Ein Sakrileg: Die eigene Partei schäumt, andere Parteien jubeln, die Sünderin muss Abbitte leisten. Richtig kurios wird es jedoch am Ende:

„Das sehe ich gelassen“, sagte Sohn Franz Georg Strauß. Für ihn sei es „überhaupt keine Frage“, dass sein Vater ein Vorbild sei. Mit Blick auf Haderthauer fügte er hinzu: „Sie kann ja versuchen, es besser zu machen als Strauß. Ich wünsche ihr viel Glück und Erfolg dabei.“

Wer nennt bitte seinen Vater beim Nachnamen? Was sagt das über die Familienverhältnisse? Oder ist „Strauß“ eine Marke? Ein Ehrentitel? Ein religiöses Amt?