Widde-widde

Früher war es einfach: selbst wenn man die Lokalzeitung bis auf die letzte Zeile lesen wollte, konnte man noch ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft sein – mit Beruf, Familie, Stammtisch und auslaufsbedürftigen Hunden.

Kaum hat man einen Internet-Anschluss, geht das nicht mehr. Alle zwei Minuten neue Nachrichten – und das gilt nur nur für sehr eng gefasste Zielgruppen wie portugiesische Apple-Fans. Die einzige Lösung: man muss, filter, filtern, filtern.

Was kommt also durch den Wahrnehmungsfilter? Wohin klicken wir? Interessante Neuigkeiten? Ein breites Spektrum der Nachrichten zu den Themen, die uns wirklich interessieren? Nein: wir suchen uns die Neuigkeiten aus, die uns in den Kram passen. Die unserer Meinung entsprechen. Ab und zu auch Nachrichten, die uns aufregen – aber nicht zu viel davon.

Mich erinnert das immer an einen Vers des Pippi-Langstrumpf-Lieds:

Ich mache mir die Welt,
Widde-widde wie sie mir gefällt.

Ein Beispiel dafür ist das Zentralorgan der Islamhasser: Pi-News. Dort hält man zwar (nicht wirklich) merkwürdige Beulen im Phaeton von Joerg Haider für berichtenswert – sucht man jedoch nach den wirklichen Ursachen des tödlichen Unfalls, die nicht mal von Haiders eigener Partei und Familie angezweifelt werden, bekommt man dieses Ergebnis:

Es ist nicht so, dass den Machern des Blogs die Trunkenheit ihres Idols entgangen wäre – Google fördert zahlreiche Blogkommentare hervor, die genau das thematisieren. Merkwürdigerweise keiner davon bei den Artikeln über Haider.

Widde-widde.

Die Musikindustrie zeigt den Finger

Eben erreicht mich eine Pressemitteilung:

Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) präsentiert sich ab sofort in neuem Gewand. Zentrale Elemente des komplett überarbeiteten Corporate Designs sind das neu entwickelte Logo und die runderneuerte Website unter www.musikindustrie.de. Übersichtlich gegliedert in die Bereiche Politik, Recht, Kultur, Statistik, Verbraucher, Publikationen, Presse und Über Uns liefert das neue Internetangebot themen- und zielgruppenorientiert eine Fülle von Informationen rund um den deutschen Musikmarkt.

Aha, denke ich und klicke doch schnell einmal dahin. In der Tat: die neue Seite sieht wesentlich besser aus als die alte. Modernes Design, ein animiertes aber nicht zu aufdringliches Logo, dezente Farbgestaltung. Sogar eine kleine Tag-Wolke ist am Fuß der Seite zu finden.

IFPI-Redesign

Und oben der Dauerbrenner des Bundes der Steuerzahler: die Schäm-Dich-Uhr. Ein kleiner Flash-Zähler zeigt an, wie viele illegale Downloads seit Anfang des Jahres 2007 nach Verbandsberechnung über den Internet-Äther gingen. Natürlich nach Verbandsberechnungen. Jede Sekunde springt er um 12 bis 13 Zähler nach oben.

Da HTML auch in Zeiten von Web 2.0 noch nicht verdongelt und verDRMt ist, kann man sich das den Zähler auch separat anzeigen lassen. Dank Flash passt er sich immer optimal der Fenstergröße an:

IFPI- Dowloadzähler

Moment mal, was ist denn das links oben? Auf der Webseite war das doch eben nicht zu sehen? Zoomen wir etwas näher heran.

IFPI- Dowloadzähler

Die Botschaft ist klar: Die Musikindustrie zeigt uns den Finger. Und das nicht mal offen, sondern versteckt.

PS: Der Stinkefinger ist am Dienstag wieder verschwunden.

Eine Cola Light, bitte.

In der brand eins las ich etwas zum immer dümmeren intelligenteren Fernsehen.

Die erfolgreichen Unterhaltungsformate im Fernsehen werden immer intelligenter. Johnson vergleicht die klischeebeladenen Geschichten aus Denver und Dallas mit ihren simplen Charakteren und Plots mit den aktuellen Folgen der „Sopranos“: In der Mafia-Serie werden pro Episode oft fünf Geschichten parallel erzählt, und der Zuschauer muss Dutzende Figuren im Auge behalten, um folgen zu können.

Das ist doch nur die Hälfte der Wahrheit – viel interessanter sind meines Erachtens die Querbezüge. In der Pilotfolge von Life On Mars bestellt der Hauptcharakter – ein in die Vergangenheit versetzter Polizist – in einer Kneipe als erstes eine Cola Light. Nach einer Pause, in der allemal kräftig staunen dürfen, ergänzt er: War nur ein Witz. Nun – um den Witz zu kapieren, muss man wohl Back to the Future gesehen haben. „Eine Cola ohne? Ohne zu bezahlen?“ hieß es da – wenn ich mich recht erinnere – in der deutschen Übersetzung. Sprich: der Witz geht nur dem auf, der einen Film von 1985 so internsiv geguckt hat, dass er eine Anspielung darauf sofort erkennen kann. Was ja wohl auf meine Altersgruppe zutrifft, aber nicht auf die wesentlich Älteren und die wesentlich jüngeren.

Thomas Ramge schreibt weiter:

Der Dauer-Quotenbringer „Simpsons“ baut seine Gags auf subtile Andeutungen aus Politik, Geschichte oder Pop-Kultur auf. Den Drehbuchautoren der Comicreihe gelingt sogar, verschiedene Humor-Ebenen für verschiedene Altersgruppen einzubauen.

Glaubt ihr daran? Ich nicht. Sicher: man kann zeitlose Slapstickelemente mit Anspielungen der Zielgruppe verknüpfen. Aber so richtig aufgehen werden die Anspielungen und Querverweise nur in einer bestimmten Zielgruppe. Und deshalb kann ich die Simpsons auch schon ein paar Jahre nicht mehr sehen.