„Schreit das nicht nach der Vorratsdatenspeicherung?“

Heute morgen schaltete ich kurz das ZDF-Morgenmagazin ein, als es Mal wieder um die Zwickauer Terrorzelle ging. Der Interviewer hatte einen FDP-Minister zu Gast, der sich offenbar gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hatte. Der Moderator erwähnte, dass laut BKA nur ein bestimmter Anteil von Auskunftsersuchen nach Telekommunikationsdaten der Verdächtigen erfüllt wurde. Und dann setzte er zum vermeintlichen Todesstoß an. Er fragte: „Schreit das nicht nach der Vorratsdatenspeicherung?“

Nein, das tut es nicht. Denn alleine aus dem Nicht-Vorhandensein von Spuren auf vermeintliche Ermittlungserfolge zu schließen, ist unseriös. Denn will man tatsächlich darauf hoffen, dass die untergetauchten Terroristen mit falschen Pässen immer brav ihr eigenes Handy benutzt haben? Dass die erstellten Bewegungsprofile nicht völlig falsche Spuren gelegt hätten?

Zudem: das BKA war schon in der Vergangenheit unehrlich, wenn es um die Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung ging. Fälle, die auch mit Vorratsdatenspeicherung nicht gelöst werden konnten, wurden falsch deklariert. Man tat einfach so, als ob die Gesetzesänderung Fälle lösbar gemacht hätte, obwohl dies nicht stimmte, weil die Daten auch mit Vorratsdatenspeicherung längst verloren gewesen wären.

Zudem: Wenn Vorratsdaten existieren, ist ein Fall nicht automatisch gelöst. Jeder kann ein Handy abschalten und stattdessen fällt sein Nebenmann ins Raster. Gerade Terroristen wissen das. Berufsverbrecher wissen das. Aus dem Nicht-Vorhandensein von Spuren kann man nicht schließen, dass Gesetze verwertbare Spuren herbeigezaubert hätten. Schon vor Jahren hat bei DNA-Spuren eine Betriebsblindheit eingesetzt, die die Ermittler bei dem Mord an einer Polizistin auf die völlig falsche Fährte führte.

Eine Vorratsdatenspeicherung würde mit Sicherheit die Anzahl der Verdächtigen erhöhen. Dass sie auch die Aufklärungsquote verbessern würde, steht bisher als Behauptung dahin. Sicherheit bedeutet nicht, mehr Verdächtige zu produzieren.

Ein Ausflug ins Audiovisuelle

Für den Elektrischen Reporter habe ich einen Blick auf die Währung Bitcoin geworfen:

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Beruf: Opfer

Ich habe eben aus Versehen die heute-Nachrichten im ZDF angeschaltet. Dass die „Deutschenfeindlichkeit“ als Top-Thema angeteasert wurde, ließ mich verharren. Was dann über den Bildschirm flimmerte, war zutiefst kurios.

Als Vorzeige-Beispiel für die Deutschland-Feindlichkeit dient „Domitian E.“. Als nur einer von zwei deutschstämmigen Schüler in einer Klasse voller Muslime Ausländer Mitschülern aus fremden Kulturkreisen wurde er diskriminiert, wechselt in den Herbstferien die Schule.

Screenshot: ZDF.de

Ob das Bild von ihm in einer national ausgestrahlen Nachrichtensendung mit der Bauchbinde „Opfer“ zu seinem neuen Schulerfolg beitragen kann, wage ich zu bezweifeln.

Die Relevanz des Fernsehens

Die Zeit hat eine Geschichte über moderne archäologische Methoden, die offenbar von Paparazzi inspiriert wurde: Man durchwühlt den Müll von Martin Luther.

Martin wer? Für ZEIT-Leser mit schlechtem Gedächtnis wird die historische Tragweite des maximo großen Reformators so erklärt:

Luther, der bei der ZDF-Show Unsere Besten hinter Adenauer auf den zweiten Platz der bedeutendsten Deutschen gewählt wurde, ist ein Mythos.

Sperrfristen FTW

Ich bin wirklich beeindruckt: Obwohl heute inzwischen jeder vom Eklat bei der Verleihung des Deutschen Fersnehpreises berichtet, rückt niemand damit heraus, mit wem der große Marcel Raich-Radetzky nicht in einer Reihe stehen wollte.

Auswahl gibt es ja genug: Vom unsäglichen Kerner über den leider zur Räuberpistole abgedrifteten Kriminaldauerdienst bis zu vielen Leuten und Sendungen, von denen ich nie gehört habe – und falls ich davon gehört habe, würde ich sie nicht einschalten.

Ist das Ganze ein Debakel? Kaum. Mehr Berichterstattung hat dieser Preis wohl nie gehabt, selbst ZDF-Verweigerer wollen heute abend einschalten.

Die Mainzer planen übrigens schon eifrig an der versprochenen Sendung. Ob die parallel zu Schmidt und Pocher auf Sendung geht? Falls ja: im Anschluss könnte das ZDF doch bitte diesen Film zeigen.

PS: Eine wollte dann doch Spielverderberin sein. Elke Heidenreich verrät auf FAZ.Net, zum Beispiel, dass „Deutschland sucht den Superstar“ zur besten Unterhaltungssendung gekürt wurde und wo ihre Prioritäten liegen, in dem sie von sich selbst nicht nur ersten, sondern auch in der zweiten Person spricht:

12. Oktober 2008 Ich kann mich auf meinen Sechsten Sinn verlassen. Er sagte mir: geh’ hin zum Deutschen Fernsehpreis, schließlich kriegt den Marcel Reich-Ranicki, dem hast du viel zu verdanken, zeig’ und sag’ ihm das, aber geh’ nicht zu früh, es ist immer grässlich da, und du bist selbst fernsehberühmt, und sie setzen dich in Reihe vier und filmen ununterbrochen deine Reaktionen.

Ich kam also schön zu spät, nachdem das Stehpalaver vorbei war, meine Plätze (ja! Reihe vier!) zum Glück vergeben waren, und ich konnte mit meinem Mann ganz friedlich und von Kameras unbelästigt irgendwo hinten sitzen. So.

PPS: Auf Spiegel Online erinnert Christian Buß daran, dass Reich-Ranicki mit seinem literarischen Quartett selbst der Unterhaltungsmaschinerie zuzurechnen ist, der er sich so mutig medienwirksam widersetzt hat. Zurecht. (Der Gag mit Atze Schröders Schamhaarperücke ist aber unnötig.)

Ob der Auftritt des erzünten Kritikers tatsächlich so kalkuliert war wie Buß nahe legt – ich weiß es nicht. Es interessiert mich aber auch nicht wirklich. Wer in der Inszenierung das Wahre sucht, findet halt oft nur den besseren Schauspieler.

Personalisierte Werbung oder werbonalisierte Personen?

Grade habe ich Jan Schmidt im ZDF-Interview zu Selbstdarstellung im Internet gehört. In einem Nebensatz ging er kurz auf personalisierte Werbung ein und erklärte, dass die Werbung an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst wird.

Ist nicht schon der Begriff „personalisierte Werbung“ eine ganz große Lüge? Denn in Wahrheit läuft es ja genau andersherum. Die werbenden Unternehmen suchen sich die Beworbenen aus, nicht umgekehrt. Wenn ich einen Werbevermarkter einschalte, kann ich auswählen, ob sie akademisch gebildete Menschen zwischen 23 und 30 Jahren im Großraum Köln ansprechen will. Wenn ich als Kunde hingegen ein starkes Interesse am nächsten Ipod-Update habe, muss ich mich schon selbst bei Apple informieren. Oder die Fachpresse studieren.

Lange Rede, kurzer Sinn: der Begriff personalisierte Werbung ist eine Marketing-Lüge, es existiert bisher allenfalls Mikrotargeting. Wir Konsumenten sind Zielscheiben, keine Geschäftspartner.

Echte personalisierte Werbung wäre doch mal ein Geschäftsmodell. Aber das verlangt Arbeit. Und solche Werbungen wie „Sie wurden auserwählt!!!!11!!!“ kann man dann nicht mehr verkaufen.

Nennt mich TV-Flüsterer

Wer wäre auf die Idee gekommen, das Sat1-Programm mit der Tour-de-France zu verknüpfen? Me, that’s who! Und siehe da, es ist passiert:

Sat.1 steigt ab sofort in die Berichterstattung der Tour de France ein / ProSiebenSat.1 hat hierzu soeben die Rechte erworben

Berlin (ots) –

Sat.1 steigt mit sofortiger Wirkung in die Berichterstattung der
Tour de France ein. Hierzu hat ProSiebenSat.1 gerade die Rechte
erworben. Bereits heute ab 15.00 Uhr wird Sat.1 die 11. Etappe (von
Marseille nach Montpellier, 182,5 km) zeigen.

Zwar nicht exakt wie vorhergesagt – aber immerhin. Da beißt der Turi keinen Faden ab.

Ein Sendeplatz für Sat1 am Mittag

ARD und ZDF haben heute die Berichterstattung von der Tour de France eingestellt. Tja. Trotzdem läuft grade im Ersten noch die angekündigte Sportschau – vier Stunden, die jetzt wohl mit Doping-Berichten gefüllt werden. Hauptsache, es sind keine radelnden Apotheken zu sehen. Das ist nicht etwa lächerlich, sondern konsequent.

Da jetzt kurzfristig viel Sendeplatz frei wird, könnte man der entlassenen Redaktion von Sat1 am Mittag doch ein Asyl geben. Die engagierten Mitarbeiter haben sich noch ein paar Straps-Tests vorproduziert und können sicher kurzfristig für das angeblich ältere öffentlich-rechtliche Publikum über Themen wie „Kamasutra bei Blasenschwäche“ improvisieren.