Die Demontage von Trump – und warum das keine guten Nachrichten sind.

Aktuell gehen Gerüchte um, dass Trump den Special Counsel Robert Mueller feuern will, der ja im Auftrag von Trumps eigenem Justizministerium eine unabhängige Untersuchung wegen Russlandkontakten leiten sollte. Problem dabei: Formell müsste Trump dazu auch quasi die ganze Leitungsebene des Justizministeriums herauskegeln.

Dass das von Republikanern bestimmte Parlament jetzt eingreift, scheint angesichts des bisherigen Verhaltens von Paul Ryan naiv zu sein. Die gewählten Abgeordneten hatten viel vor und sie sind in Zeitverzug. Als nächstes wollen sie ein Gesundheitsgesetz durchbringen und das wird sich auf Dauer wohl nicht verhindern lassen. Am vom Trump vorgelegten Budget werden sie herumstreichen, aber wohl kein Impeachment beginnen. Tax cuts, tax cuts, tax cuts.

Für 2018 sieht es derzeit nicht besonders gut für die Republikaner aus. Die wähler‘ erwartet einen ständigen Strom von neuen Erfolgen wie einen neuen Verfassungsrichter, Abschaffung von Obama-Programmen oder neue Law&Order-Gesetze. Am besten jedoch: Arbeitsplätze. Diese Erfolge müssen wohl aus den ‚red states‘ selbst kommen, denn die US-Bundesregierung ist personell derzeit offensichtlich nicht in der Lage bundesweite Programme zu entwerfen und auch umzusetzen. Problem dabei: Einige dieser Staaten stehen seit der „Tea Party“-Bewegung unter streng ideologischer Kontrolle und sie können nicht liefern, was sie versprachen. Kansas zum Beispiel steckt wegen der ach so wachstumsfördernden Steuerpolitik in einer riesigen Budget-Krise.

Bullies sind keine tollen Verwalter

Viele munkeln, dass der US-Präsident eine Art Präsidialdiktatur aufbauen wolle. Falls er das vorhatte, hat er die Chance vertan. Dazu bräuchte er breite Unterstützung aus dem Parlament und aus allen Regierungsbehörden. Wir haben gesehen wie viele Leute Erdogan entfernen musste, selbst nachdem er Wahl um Wahl gewonnen hat, selbst nachdem es einen Putschversuch gegeben hat, der von der breiten Bevölkerung abgelehnt wurde. Es ist zu befürchten, dass Trump seine Rolle als Oberbefehlshaber der Streitkräfte nutzt, um die patriotische Stimmung zu Krisenzeiten zu heben. Doch das wird ihm meiner Meinung nach keine jubelnden Mehrheiten bescheren.

Mir scheint daher eine andere Variante wahrscheinlicher: Das Präsidialamt und die US-Bundesregierung wird Stück um Stück entmachtet. Wer freiwillig für nicht überaus großzügige Regierungsgehälter arbeiten will, wenn er weiß dass seine Bosse Bullies sind, ist wahrscheinlich selbst ein Bully. Insofern wird es in Washingtoner Regierungsapparat von Abzockern nur so wimmeln, die anderen Leuten das Leben schwer machen.

Wer irgendwas politisch durchsetzen will, wird sich andere Wege suchen müssen. Wer eine Schule bauen will oder eine Brücke reparieren, wer ein Investitionsprogramm in Gang setzen will, hat aus Washington keine Unterstützung zu erwarten. Wenn die Feds etwas tun, machen sie es wohl schlecht und verlangen dafür horrend hohe Gegenleistungen.

Red states and blue states

Im Gegenzug können lokale Staatsanwälte, die Jeff Sessions neuen War on Drugs für idiotisch halten, ihre Drogenfälle fern von der Bundeszuständigkeit halten. Im Bereich Legal Marihuana haben wir bereits einen absoluten Konflikt zwischen Staats- und Bundesgesetzen, den die Bundestaaten weitgehend gewinnen. Und um alle Staatsanwälte in allen Bundesstaaten an die Kandare zu nehmen, bräuchte Trump die unermüdliche Arbeit der Leute, die er über kurz oder lang wohl feuern wird. Die andere Seite der Medaille: Leute wie Sheriff David A. Clarke können ihre Machtfantasien wohl ohne große Hindernisse ausleben.

Gleichfalls gestärkt werden die ungekrönten Könige ihrer jeweiligen Regionen: Die Koch Brothers beispielsweise können tun, was sie wollen. Keine Umweltauflagen mehr, nicht mal Leute, die Umweltauflagen verfolgen. Oder Gesetze über poltische Geldspenden. Und das ist eigentlich das Ziel der vielen Kampagnen der Finanziers der Ultrarechten: Eine ohnmächtige Bundesregierung.

Ermäßigter Privatsphärensatz

Immer wenn uns Journalisten nicht wirklich etwas einfällt, um die Absurditäten des Staatswesens zu beschreiben, zücken wir die Mehrwertsteuer-Karte: 19 Prozent auf Windeln, 7 Prozent auf Trüffel. Wie absurd! Dass das Problem unterschiedlicher Steuersätze nicht konsistent zu lösen ist, ignorieren wir. Wenn das Prinzip durchgesetzt wird, beklagen wir den Einzelfall. Werden für den Einzelfall Ausnahmen gemacht, beklagen wir das Prinzip.

Eine ähnliche Situation existiert grade bei der Privatsphäre. Ist Streetview der Untergang des Abendlandes? Ja: unser Fassaden, unsere Adressen! Die Einbrecher, die SCHUFA! Nein: der Falk-Stadtplan mit Patentfaltung hat uns auch nicht die Privatsphäre geraubt. Soll Facebook wissen, wo ich bin? Klar: so können mich meine Freunde finden. No way: Facebook vermarktet die Daten und Dritte melden unseren Standort ohne zu fragen.

Okay: diese digitalen Medien sind so neu, im Analogen war es so viel einfacher. Da wusste man noch, was öffentlich und was sehr, sehr privat ist. Den Chef oder die eigene Oma nackt sehen? Nicht mal im Traum! Doch wenn ich arte glauben darf, ist das in finnischen Saunen Alltag. Polizeiberichte einsehen? Doch nur mit Presseausweis oder Anwaltsmandat, sagt der Deutsche! Ich bin Steuerzahler und ich muss kontrollieren ob King George nicht wieder die Regierung an sich reißt, sagt der Amerikaner! Selbst auf die Frage ob wir mit offenem oder geschlossenen Mund kauen, ob wir uns dezent räuspern oder herzlich rülpsen sollen, scheint keine universelle Antwort zu existieren.

Kurz gesagt: Was privat ist und was nicht, ist nicht gottgegeben. Wir alle haben zwar irgendwie dringenden Bedarf nach Feigenblättern – aber wir sind uns nicht sicher, ob wir damit lieber unserer Scham oder über unseren Kontoauszug verdecken sollten. Jede Gesellschaft hat ihre eigenen Antworten gefunden. Und da diese Antworten sehr, sehr verschieden sind, lassen sie sich nicht einfach auf eine globale Plattform übertragen.

Eine einigermaßen konsistente Antwort auch nur für unsere bundesdeutsche Gesellschaft zu finden, wird uns noch fünf, zehn Jahre beschäftigen. Mindestens. Und definitive Lösungen wird es auch nicht geben – im besten Fall angreifbare Gesetze und schon bald überkommene Konventionen.

Steuerschätzung

Man kann viele Worte über die ach so überraschende Steuerschätzung und ihre Auswirkungen auf die politische Gemütslage verlieren. Aber wozu? Ich schnappe mir lieber eine kurze Szene aus The West Wing, Staffel 2, Folge 20:

JANE: The CBO’s gonna issue a new estimate of the surplus.

SAM: They’re projecting it down?

JANE: Yeah.

SAM: We don’t have as much money as we thought?

JANE: No.

SAM: That’s great news.

RICHARD: Yeah.

SAM: It’s not great news that we have less money. I’m saying…

RICHARD: Yeah.

SAM: ’Cause the floor fight’s gonna be easier.