Internet jetzt mit ohne Porno

Palimm-Palimm

„Guten Tag, ich hätte gerne ein Internet.“
„Aber sicher doch. Ich hol es gleich aus dem Lager.“
„Prima. Hier wird man noch gut bedient.“
„Nur eine Frage: soll es mit Porno sein, oder eins ohne Porno?“
„Gibt es das?“
„Ja, sicher.“
„Ich hätte doch gerne ein vollständiges Internet.“
„Sind Sie sicher?“
„Ja.“
„Ich kann Ihnen auch ein paar Pornos dazu packen. Cheerleader. Ganz frisch! Die sind grad im Angebot.“
„Das ist nicht nötig.“
„Also ein Porno-Internet. Aber keine Pornos?“
„Ja.“
„Wie wäre es mit etwas Speziellerem?“
„Was meinen Sie?“
„Wir haben da auch was neues reinbekommen. Für den besonderen Geschmack. Ich würde mir so etwas ja nie angucken, aber es steht Zoosex auf dem Karton“
„Könnten sie mir jetzt bitte mein Internet aus dem Lager holen?“
„Aber sicher… Wie wäre es mit Transsexuellen? Sie wissen schon. Die haben Mördertitten, aber trotzdem einen prächtigen Schwa…“
„Bitte einmal Internet ohne Pornos“
„Aber gerne doch.“

JMStV auf britische Art: Netzsperren für Pornos

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident hat es schon klar gemacht – wenn die schöne Illusion des staatlichen Jugendmedienschutzes nicht durchsetzbar ist, muss man zu härteren Mitteln greifen: Sperrverfügungen – auch bekannt als Netzsperren.

Die britische Regierung — nicht gehindert durch ein föderales System — ist offenbar schon weiter, wie ein Artikel der Sunday Times beschreibt:

THE UK Government is to combat the early sexualization of children by blocking internet pornography unless parents request it, it was revealed today.

[…]

Instead of using parental controls to stop access to pornography – so-called „opting out“ – the tap will be turned off at source. Adults will then have to „opt in.“

Sprich: die Provider sollen sämtliche Internetseiten weltweit nach Porno-Gehalt qualifizieren und für ihre Kunden sperren. Zugang erhält nur, wer sich einem — wie auch immer gearteten — Alterscheck unterzieht. Die Erfahrung lehrt, dass solche Klassifikationen sehr verschieden ausfallen können. Selbst beim relativ gut abgegrenzten Begriff Kinderpornografie gibt es zum Teil große Schwierigkeiten.

Kurios ist die Begründung:

It follows the success of an operation by most British internet service providers (ISPs) to prevent people inadvertently viewing child porn websites. Ministers want companies to use similar technology to shut out adult pornography from children.

Sprich: die Kinderporno-Sperren sind das Vorbild. Was bei Kinderpornos funktioniert, muss ja auch für Pornos klappen.

Dazu gibt es zweierlei zu sagen. Erstens: Ob die Kinderporno-Sperre in Großbritannien ein Erfolg ist, hat bisher niemand wirklich untersucht. Einige Provider sperren, andere sperren nicht. Die Zahl der Sperren wird registriert – und das war es auch schon. Ob die Maßnahme irgendeine Wirkung hatte, ist auch fast ein Jahrzehnt nach Einführung unbekannt. Dass sich Leute unabsichtlich Kinderpornos ansehen, ist nach meiner Erfahrung lediglich eine oft verwendete Schutzbehauptung — ob im Gegenzug die Bemühungen der britischen Polizei zur Löschung von Kinderporno nicht so ausgeprägt sind, wie sie sein könnten, wurde sicherheitshalber auch nicht untersucht.

Das Argument ist: das Mittel ist erfolgreich, weil das Mittel existiert. Mit der gleichen Begründung könnte man sagen, dass der Wintereinbruch in Deutschland keinerlei Verkehrsprobleme verursacht hat. Schließlich fahren ja regelmäßig Streufahrzeuge und die Enteisungs-Teams an den Flughäfen sind dauernd im Einsatz.

Zweitens: Aufgrund der enormen Menge an Pornografie im Netz sind die Maßnahmen sehr schwer umzusetzen. Die Kinderpornografie-Sperren betreffen im Höchstfall ein paar Tausend Seiten – legale Porno-Seiten gibt es hingegen im Millionenbereich. Hier zu filtern führt entweder zu dramatischen Über- oder Unterreaktionen. Entweder werden nur ein paar Seiten gesperrt oder die Ausmaße sind so dramatisch, dass selbst die Wikipedia riskiert, blockiert zu werden. Kinderpornografie und Pornografie sind nicht vergleichbar – im einen fall wird oft realer Kindesmissbrauch gezeigt, im zweiten Fall haben Erwachsene Sex, eins der fundamentalsten Rechte der Menschen. Ob freiwillig, unfreiwillig, ob aufklärend oder schädlich ist für Zugangsprovider schlicht nicht zu unterscheiden. Sexuell aufgeladene Nacktheit, Aufklärung, der obere Reihe im Zeitschriftenregal, der Graubereich ist enorm.

Doch was spielen Fakten für eine Rolle, wenn man öffentliche Empörung zur Entscheidungsgrundlage macht?

„In the past, internet porn was regarded as a moral issue or a matter of taste. Now it has become a mental health issue because we now know the damage it is causing. We are seeing perverse sexual behavior among children. Legislation is both justifiable and feasible.“

She quoted the example of two underage brothers sentenced to at least five years‘ detention this year for a sadistic sex attack on two other boys in South Yorkshire. The brothers were said to have had a „toxic“ home life where they were exposed to pornography.

Die Diagnose gesellschaftlicher Probleme anhand des Extremfalls ist ein üblicher politischer Schachzug — ob und welche Auswirkungen Internet-Pornografie auf die Jugend im Allgemeinen haben, ist bisher keinesfalls erwiesen.

Was werden diese Politiker wohl vorschlagen, wenn sie erkennen, dass Pornografie trotz ihrer Netzsperren weiterhin über P2P-Tauschbörsen oder gar Handies ausgetauscht werden? Wann kommt die Forderung, dass man doch auch Wikileaks sperren sollte? Wenn man Millionen Porno-Seiten sperren kann, sind 2000 Wikileaks-Mirror ja auch kein Problem.

Deutsche Netzsperren-Gegner können sich erst Mal freuen. Ihr Argument, dass Netzsperren einer Art recht schnell zu Sperren anderer Art und damit zu einer umfassenden Internet-Zensur führen werden, wurde einmal mehr bestätigt. Nicht in Saudi-Arabien, China oder der Türkei, sondern in MittelEuropa, in der Geburtsstätte der parlamentarischen Demokratie.

Jugendmedienschutz, fiktiv

Jetzt, wo sogar Hinz und Svensson endlich „The West Wing“ entdeckt haben, kann ich ja meine Gewohnheit aufnehmen, jede politische Situation mit einem Quote aus der Serie zu kommentieren. Thema Jugendschutz und Meinungsfreiheit:

Reverend Van Dyke: If our children can buy pornography on any street corner for five dollars, isn’t that too high a price to pay for free speech?
President Bartlet: No.
Reverend Van Dyke: Really?
President Bartlet: On the other hand, I do think that five dollars is too high a price to pay for pornography.

Wiki-wiki heißt schnell

Im Juni beauftragte die Wikimedia Foundation eine Art Schlichter für eine sehr kontroverse und offenbar drängende Frage: Wie viel Bein (oder eher: Penisringe, Vulven und FFK-Fotos) darf eine Enzyklopädie zeigen?

Zwei Monate später kommt der Schlichter Robert Harris zu diesem vorläufigen Ergebnis:

So far, the immediate result for me of the dialogue has been to recognize that the question of whether there is any problem to solve at all is a real question that will need a detailed and serious response, as well as a recognition that the possibility of unintended consequence in these matters is high, so caution and modesty is a virtue.