Tschüss Windows 8

Als Recherche für einen Artikel habe ich Windows 8 getestet. Mein Thinkpad war leider der einzige Rechner, auf dem sich das Betriebssystem installieren ließ — zwei andere versagten den Dienst ungeachtet des OKs des Windows8-Installationsassistenten. Und so habe ich die neue Windows-Inkarnation nicht nur unter Laborbedingungen getestet, sondern sechs Wochen alltäglich genutzt. Das Ergebnis: Obwohl mir eine Windows-Neuinstallation so angenehm ist wie ein Zahnarzttermin ist, habe ich am Wochenende wieder Windows 7 auf dem Rechner installiert.

Mein erster Eindruck war: Microsoft hat eine verdammt mutige Entscheidung getroffen, den Nutzern ein neues Bedienkonzept aufzudrücken. Millionen Nutzer haben ein Jahrzehnt lang im ComputerBild-Stil gelernt hat, erst auf diese Schaltfläche zu klicken und dann auf jene — und wurden nun wieder eines guten Teils ihres Erfahrungsschatzes beraubt. Ich gehöre nicht zu der Gruppe und dennoch muss ich sagen: Windows 8 nervte mich gewaltig.

Warum? Nun: Windows bemüht sich seine neue Plattformstrategie auf dem Rücken der Nutzer auszutragen. Kacheln auf dem Windows Phone, Kacheln auf Tablets und Kacheln auf der XBox — das weckt Synergien. Wenn sich alle Geräteklassen ähnlich bedienen lassen, dann kann man Kunden binden. Apple machte es vor.

Die Machtbasis von Microsoft ist aber der Desktop-Markt. Der schwindet zwar ganz allmählich, ist aber immer noch Milliarden schwer. Das Problem: Man kann eine Machtbasis nicht so einfach ändern. Zehntausende Treiber und Programme müssen angepasst werden, wenn man ein paar alte Zöpfe abschneidet. Und deshalb schleppt Windows seit 15 Jahren Altlasten mit sich, weil man die alten Nutzer nicht vergrätzen will. Also entschied sich Microsoft für die vermeintlich salomonische Lösung: Windows 8 ist bekam auch Kacheln, konnte aber gleichzeitig seinen normalen Desktop behalten.

„Gleichzeitig“ ist irreführend: Der Nutzer schaltet dauernd zwischen den beiden Benutzeroberflächen hin und her, die nicht nur komplett anders aussehen, sondern sich auch komplett anderes bedienen lassen. Hier das nach rechts rausscrollende Startmenü, das auf Fingerbedienung optimiert wurde, dort der alte Desktop, Heimat der Mausbenutzer, Lebensraum von Office-Programmen und allen Browsern außer IE. Es ist keine frage, wo sich die alten Windows-Nutzer wohl lieber aufhalten mögen. Also entschied sich Microsoft für eine pädagogische Maßnahme und nahm den Nutzern die Startleiste weg — bis dahin eins der zentralsten Bedienelemente von Windows. Wer Programme öffnen will, soll zum Kachelbildschirm wechseln. Wenn ihr Euch erst an die bunten Kacheln gewöhnt habt, wollt ihr sie schon nicht missen!

Ein Microsoft-Mitarbeiter versicherte mir, dass die neue Startseite an Stelle der Startleiste doch viel praktischer wäre: Der Nutzer müsste eh eintippen, welches Programm man starten will — auf der Kacheloberfläche spart man sich dafür sogar einen Klick. Doch bei mir stimmt das einfach nicht: Ich habe ein paar Programme, ich die oft brauchen und suche sehr selten per Tastatur nach Startmenü-Einträgen. Und falls doch: Wozu soll ich dazu auf einen anderen Bildschirm wechseln?

Leider hat neue Startseite keinerlei Funktionen für mich geboten, die mich dort hinzog. Nur wenige Programme bieten überhaupt dynamische Kacheln, die aktuelle Inhalte auf der Metrooberfläche in einem Überblick präsentieren können. Ein aktueller Wetterbericht ist zwar schön, aber das war es denn schon. Die neusten Skandalnachrichten im MSN-Netzwerk sind eher ein Grund, schnell wegzuklicken. Meine E-Mails habe ich nicht bei Hotmail oder Outlook. Auch die Programme seitwärts über den Bildschirm hinaus zu positionieren, ist für Mausbenutzer höchst nervig. Ich habe keinen Touchscreen-Bildschirm am Thinkpad und deshalb ist eine Touch-Oberfläche für mich dann nicht nützlich. So einfach ist es manchmal.

Die neuen Apps waren allesamt nutzlos auf meinem Thinkpad. Angry Birds mag nett sein, aber das Spiel macht ohne Touch einfach nicht so viel Spaß. Bing Maps — nett, aber warum will ich dazu eine eigene App öffnen, wenn der sowieso dauernd offene Browser es doch auch kann. Ein Programm, dass Passworte zwischen Windows Phone Nutzern und dem Desktop synchronisiert? Ich habe kein Windows Phone. Und so weiter und so fort. Auch die unvermeidliche Furz-App fand in mir keinen begeisterten Nutzer. Ist das wirklich alles, was man auf den Surface-Tablets machen kann? Hier muss Microsoft noch viele Entwickler dazu bringen, neue Anwendungen zu entwickeln. Ein Twitter-Client für 10 Dollar? Seriously?

Immerhin: Es gibt wohl mittlerweile einige ausgereifte Lösungen, die die Kacheln aussperren und dem Nutzer wieder seinen Desktop zurückgeben. Doch Microsoft hat offenbar nicht davor halt gemacht, dem Desktop auch seinen Desktop-Stempel aufzudrücken. Auffälligstes Zeichen: Der möglichst gut versteckte Ausschalter. Wie schaltet man Windows 8 aus? Man muss ganz nach rechts scrollen, in dem neuen Menü den untersten Eintrag auswählen, kommt auf einen neuen Bildschirm und kann dort erst wählen, dass man diese exotische Funktion aktivieren will. Klar: Tablets sollen die ganze Zeit angeschaltet bleiben, kräftig Daten aufbereiten und den Besitzer rufen, wenn neue Tweets kommen. Aber ich wiederhole: Ich habe kein Tablet.

Richtig übel genommen habe ich aber eins: Windows 8 raubte mit meine mittlere Maustaste. Mit ihr öffne ich zum Beispiel neue Tabs im Browser, sie ist an vielen Stellen der Joker, der neue Aufgaben erfüllt. Doch der neue Treiber für mein Touchpad und Thinkpoint killt die Funktion. Schließlich passt der mittlere Mauszeiger nicht zur Tablet-Oberfläche. Dazu müsste ich eine externe Maus anschließen. Aber ich wiederhole: Ich habe kein Tablet.

Windows 8 war ein mutiger Schritt von Microsoft, der Konzern hat viele Zöpfe abgeschnitten. Ich gehöre wohl dazu.

Hauptsache Zensursula

Bei manchen wirkt das Wort „Kinderporno“ merkwürdig. Emotionen übermannen jede Logik, und der Betroffene ist ganz in einer eigenen Welt gefangen, in der es Bösewichter gibt, die allesamt aus einem Wallander-Krimi zu stammen scheinen.

Das gleiche passiert offenbar auch mit dem Wort „Zensursula“. Wenn ich mir ansehe, welche Behauptungen Behauptungen in dem Zensursula-Lager aufgestellt, gelobt und beklatscht werden, raufe ich mir manchmal die Haare. Die Realität ist komplex, lasst sie uns auf ein Schwarz-Weiß-Schema herunterbrechen.

Aktuelles Beispiel: Diese Meldung, an der auch Ralf Bendrath seine Zweifel angemeldet hat. Da glaubt jemand, dass er über den First-Level-Support und eidesstattliche Versicherungen einen vorzeitigen Beginn der Sperrungen nachweisen kann. Das ist schon merkwürdig. Dann kommt aber als Update

Arcor hat in einem Online-Artikel des BKA am 10. Juli kundgetan, dass ab dem 1. August 2009 Stopp-Schilder vor Kinderpornoseiten gesetzt werden. Dieser Artikel wurde inzwischen gelöscht und ist nur noch über den Google-Cache erreichbar. Was hat Arcor nur dazu bewegt?

Was da als „Online-Artikel des BKA“ einen amtlichen Anstrich bekommt, ist in Wahrheit eine simple dpa-Meldung. Und sie ist nicht von der Webseite verschwunden, weil Arcor etwas verbergen wollte, sondern weil alle dpa-Meldungen auf Arcor.de nach relativ kurzer Zeit verschwinden. Den letzten Part will ich bei niemandem voraussetzen, aber wie verwechselt man eine simple Newsticker-Meldung mit einem BKA-Dokument oder einer Erklärung zur Firmenpolitik von Arcor/Vodafone? Und warum ist keine soziales Korrektiv vorhanden, das den Autoren auf die richtige Bahn schubst?

Aber diese Schwarz-Weiß-Malerei betrifft nicht nur unerfahrene Blogger, sondern auch Leute, die eigentlich genug Medienkompetenz besitzen müssten, um Zusammenhänge, Kontexte und logische Argumentationen zu erkennen. Zum Beispiel der viel gelobte Spiegelfechter, der von der Leyens Indien-Panne aufgreift und dann plötzlich Inzidenz mit Evidenz verwechselt. Die Argumentation verläuft ungefähr so: Das Bundesfamilienministerium zitiert eine veraltete ICMEC-Studie, also ist ICMEC fragwürdig und integraler Bestandteil des Zensursula-Komplexes. Microsoft hat ICMEC einst 1,5 Millionen Dollar gespendet, also steckt der alt bekannte Bösewicht Microsoft hinter dem „System Zensursula“. Skandal!

Blöderweise hat die ICMEC mit den von unserer Bundesfamilienministerin aufgestellten Behauptungen sehr wenig zu tun. Dass es in Indien keinerlei Ächtung von Kinderpornografie gäbe, hat die Organisation nie behauptet. Dass ICMEC mit einer falschen Darstellung der Gesetzeslage in Indien der Regierung dort Microsoft-Systeme verkaufen will, wäre wirklich eine Meisterleistung des Lobbyismus – Indien mag nicht ganz so durchorganisiert sein wie Deutschland, aber die eigenen Gesetze wird die indische Regierung doch kennen? Und zuletzt: Das kritisierte Microsoft-Produkt „Child Exploitation Tracking System“ (CETS) ist ungefähr das Gegenteil vom „System Zensursula“ – geht es hier doch um die Identifizierung von Opfern. Natürlich gibt es geschäftliche Interessen, Lobbyismus und Fehlinformationen, aber die bei Spiegelfechter aufgezeigten Zusammenhänge sind Google-Artefakte und sind von der Realität so weit entfernt wie der Glaube, dass man mit der Blockade von Webseiten heute Kriminelle nachhaltig behindern kann.

Auch kurios war letztens der Beitrag von Thomas Knüwer, in dem er die Lügen der Bundesfamilienministerin als „amtlich“ bezeichnete. Das Kuriosum: Als Beleg verwendet Knüwer ausgerechnet ein Zitat, das zwar etwas an Sarah Palin erinnert, aber eben nicht dem Dokument widerspricht, das Knüwer als Beleg für die amtlichen Lügen verwendet.

Die Liste ließe sich beliebig lange weiter führen. Stören solche Kleinigkeiten? Nein, natürlich nicht. Es steht ja Zensursula drüber und wenn es um die große Sache geht, darf man solche Kleinigkeiten nicht allzu wichtig nehmen. Das Problem: exakt so argumentiert vermutlich auch von der Leyen.

Falsches Bing

In meinen Zugriffs-Statistiken tauchen neuerdings auch Referrer von Microsofts neu aufgelegter Suchmaschine Bing auf. Der vermeintliche Google-Killer scheint ja richtig populär zu werden, könnte man denken. Aber von wegen. Ein kleiner Ausschnitt aus meiner Logdatei von heute:

/2007/08/29/offentlicher-druck-funktioniert/
Http Code: 200 Date: Jun 29 10:41:55 Http Version: HTTP/1.1 Size in Bytes: 26124
Referer: http://search.live.com/results.aspx?q=youtube
Agent: Mozilla/4.0 (compatible; MSIE 6.0; Windows NT 5.1; SV1; .NET CLR 1.1.4325; .NET CLR 2.0.50727; .NET CLR 3.0.30729; .NET CLR 3.5.30707; MS-RTC LM 8)

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als habe jemand bei Microsoft Live nach „YouTube“ gesucht und sei auf mein Blog gestoßen. Doch von wegen: unter dem angegebenen Referrer ist mein Blog nicht zu finden und die IP-Adresse gehört zu MSN. In Wahrheit ist der Surfer mit dem komischen Browser ein MSN-Bot, der in meinen Statistiken falsche Referrer hinterlässt.

Besonders auffällig: der korrekt gekennzeichnete MSNBot war ein paar Sekunden vorher da:


/robots.txt
Http Code: 200 Date: Jun 29 10:41:08 Http Version: HTTP/1.1 Size in Bytes: 165
Referer: -
Agent: msnbot/1.1 (+http://search.msn.com/msnbot.htm)

/2007/08/29/offentlicher-druck-funktioniert/
Http Code: 200 Date: Jun 29 10:41:08 Http Version: HTTP/1.1 Size in Bytes: 26098
Referer: -
Agent: msnbot/1.1 (+http://search.msn.com/msnbot.htm)

Und das nicht nur bei mir. Was ist da los? Betreibt Microsoft Referrer-Spam oder sind ein paar Bots falsch programmiert?

PS: Wie in den Kommentaren angemerkt, soll es sich bei dem getarnten Bot um eine Maßnahme zur Qualitätssicherung handeln. In die offizielle Dokumentation von Bing hat es diese Information offenbar nicht geschafft.

Schnell & gut

Kurz nach dem ersten Start des Internet Explorer 8 muss man einige Entscheidungen treffen.

Kleine Entscheidungshilfe: ich habe die Beta 2 auf MSN/Live Search gesucht und bekam das geliefert:

Der erste nicht gekaufte Link führt einen nicht zur Beta 2, sondern zur Beta 1.

Die 15-Milliarden-Dollar-Lüge

Immer wieder ärgere ich mich über Textstellen wie diese:

Heute, vier Jahre später, gilt Zuckerberg mit Facebook als der Internetpionier schlechthin. Von ConnectU oder houseSYSTEM spricht niemand mehr. Facebook hat 46 Millionen aktive Nutzer und wächst rasant. Gerade verkaufte Zuckerberg 1,4 Prozent seines Unternehmens für 240 Millionen Dollar an Microsoft – was rein rechnerisch einen Gesamtwert von rund 15 Milliarden Dollar ergibt.

Das stimmt einerseits. Rein theoretisch, mathematisch und mit Scheuklappen ist Facebook durch den Microsoft-Deal 15 Milliarden Dollar wert. Ein nettes Detail, nichts, was man – wie hier – ohne Kontext in die Überschrift packen will.

Realistisch betrachtet stimmt die Hochrechnung überhaupt nicht. Denn Microsoft hat nicht nur einen Mini-Anteil von Facebook gekauft, sondern sich auch weitgehende Vermarktungsrechte gesichert. Für einen ähnlichen Deal zahlte Google dem Facebook-Konkurrenten MySpace 900 Millionen Dollar. Wieviel von den 240 Millionen Dollar tatsächlich für die Beteiligung am Unternehmen Facebook fließen, ist unklar – es dürfte aber nur ein Bruchteil sein.

Wer 15 Milliarden für Facebook zahlt, gibt auch 70000 Euro für ein Mercedes-Ersatzrad aus – ob das passende Auto dazu geliefert wird, ist dabei eher unwichtig.

Microsoft-Bot auf Google-Trip?

In den letzten Tagen habe ich in meinen Domainstatistiken Hunderte Anfragen, die angeblich von blogger.com kommen sollen. Ein Blick in die Roh-Statistiken zeigt den Urheber: Ausgerechnet der Bot von Microsoft surft angeblich die ganze Zeit im Angebot des Konkurrenten Google herum und findet Hunderte von Links auf meine Blogs. Und zwar ausschließlich dort – andere Referrer gibt der Bot nicht an.

„GET /fiction/ HTTP/1.0“ 200 59643 „http://www.blogger.com/“ „MSRBOT“

Im Domain Tools Blog habe ich einen Beitrag zum Thema gestoßen. Immerhin bin ich nicht alleine betroffen.