LSR-Disclaimer, Kurzfassung

Auf diesem Blog bleibt das Zitatrecht unangetastet.

Fußnote: Das bedeutet, das Leistungsschutzrecht in der heute in Kraft getretenen Form tastet das Zitatrecht in meinen Augen an. Das Gesetz widerspricht fast allen Kriterien, die ich an gute Gesetzgebung anlege. Dass ich keine Rechtschreibfehler im Gesetzestext gefunden habe, ist schon das Beste, was ich darüber sagen kann. Bis heute habe ich keine Deutung des Leistungsschutzrechts gefunden, die irgendjemandem irgendetwas bringt, schon gar nicht dem Journalismus. Selbst die Anwälte, die sich nun mit dem Wirrwarr beschäftigen müssen, haben vermutlich besseres zu tun.

Leistungsschutzrecht? Das Internet wird nicht sterben.

Sollte am Freitag das Leistungsschutzrecht verabschiedet werden, kann ich Sie hiermit beruhigen: Das Internet wird nicht sterben. Google wird nicht sterben. Ob die Verlage leben werden? Ich bin nicht so sicher.

Die Wahrheit ist: Die, die es beschließen sollen, wissen gar nicht so recht, was mit dem Leistungsschutzrecht bewirkt werden soll. Sie haben keine Ahnung, was denn nun konkret der Gegenstand des Gesetzes ist, wie sich die Neuregelung in der Praxis auswirken wird oder welche Prinzipien sie denn schützen. Vorgestern hatte ich noch auf Twitter ein paar Parlamentarier nach dem Leistungsschutzrecht befragt. Sie haben die vage Hoffnung, dass Google, der Datenmoloch, der US-Milliardenkonzern, der Web-Fastmonopolist künftig für die eine Dienstleistung zahlen wird, die wichtig ist für die Demokratie: Verlässliche Information, Debattenraum jenseits der Schreierei. Google-teilfinanzierte Medien sind doch besser als noch mehr GEZ-finanzierte Medien?

Aber: Google wird auch nicht zahlen — zumindest nicht mehr als für die Anti-Leistungsschutzrecht-Kampagne, für die Google massenhaft Werbeplätze bei den Verlagen buchte, gegen die der Konzern kämpfte. In Frankreich hat der US-Konzern nur ein Pseudo-Geschäft abgeschlossen — eine Gesichtswahrung für die Verleger. Ob das in Deutschland möglich ist — ich bezweifle es. Google will nicht noch mehr Präzendenzfälle schaffen.

Fest steht: Kein Verlag, der im Internet tätig ist, kann es sich derzeit leisten, dass Google ihn ausschließt. Rupert Murdoch hat es versucht, die belgischen Verleger haben es versucht — ohne Erfolg. Google hat sich auf vielen Ebenen unentbehrlich gemacht. Mit Android. Mit Chrome. Vor Jahren habe ich mit Entsetzen beobachtet, wie Leute neben mir die simpelsten Webadressen nicht in die Adresszeile des Browsers eingaben, sondern immer den Weg über Google gingen. „Googeln“ steht im Duden, doch können die Sprachwärter kaum erfassen, wie sehr Google hierzulande mit dem Internet verwachsen ist. Wer auf Google Maps falsch eingetragen ist, bekommt keine Besucher mehr, muss selbst seinen freunden Anfahrtsskizzen schicken. Wer sein Gewerbe auf Google+ nicht eingetragen hat, ist ein nackter Datenpunkt, unattraktiv und alt. Wer nicht auf YouTube ist, kann auf das GEMA-Videoportal warten. Lange.

Doch wie sieht es aus für die anderen? Sie haben keine Ahnung. Es wird Abmahnungen geben von Idioten, die zehn vermeintlich kopierte Wörter als schutzwürdig erachten. Gerichte werden ihnen recht geben, weil im Gesetz schlichtweg nicht drin steht, was denn nun der Schutzgegenstand ist. Im Vertrauen darauf, dass das die Verlage schon verantwortungsvoll regeln. Doch schlechte Neuigkeiten: Verlage sind nicht die einzigen Mitspieler. Abzocker gibt es zu Hauf. Und sie finden Anwälte. Deutsche Suchmaschinen werden schließen — aber Moment mal: gibt es deutsche Suchmaschinen? Immerhin kann uns das Leistungsschutzrecht nicht wegnehmen, was wir nicht haben.

Google findet Atom-Endlager, Leistungsschutzrecht abgesagt

Mit einem spektakulären Geschäft haben sich der Viele-viele-Milliarden-Konzern Google und die Bundesregierung im Streit um das umstrittene Leistungsschutzrecht geeinigt: Die Regierungskoalition verzichtet auf das Leistungsschutzrecht im Austausch gegen die Benennung eines geeigneten Atom-Endlagers.

„Es war ein glücklicher Zufall“, schildert Google-Sprecher Stefan Keuchel der Nachrichtenagentur dpadpap. „Ich war im HSV-Stadion und traf plötzlich auf den Abgeordneten Thomas Jarzombek, der sich über die vielen E-Mails beschwerte“. Doch angesichts des spektakulären 3:1 gegen Schalke, kamen die Männer ins Gespräch. „Ich sagte: Ihr seid doch so gut darin, Dinge zu finden“, schildert der Abgeordnete Jarzombek (CDU) das Gespräch. „Da müsste sich doch etwas machen lassen.“

Dem Gespräch kam zu Gute, dass der Viele-viele-Milliarden Konzern in den letzten Jahren Deutschland systematisch kartiert hatte — mit Satelliten-Aufnahmen, mit Kamera-Autos, und jedem Hipster, der ein Android-Smartphone in seiner total schicken Lastwagenplanen-Laptoptasche trägt. „Wir haben uns immer gefragt, warum Google seine Autos immer noch patrouillieren lässt, obwohl wir StreetView doch so erfolgreich verhindert haben“, sagte Jarzombek. Die geheime Mission der Googleianer war es, die meistgesuchten Orte und Dinge Deutschlands zu finden. So wurde im Google-Büro München neulich das legendäre Bernsteinzimmer aufgebaut, und in der Betriebskantine gibt es Einhorn-Ragout.

Die wichtigste Entdeckung hatte Google aber erst gemacht, nachdem der Viele-viele-Milliarden-Konzern mit der so genannten Indoor-Kartierung begonnen hatte, bei dem nicht nur Umrisse und Fassaden, sondern auch die internen Pläne von Gebäuden erfasst werden. „Deshalb war ich auch im HSV-Stadion“ erklärt Keuchel heute. „Dass der HSV an dem Tag Schalke 04 so spektakulär den Hintern versohlt hat, war ein glücklicher Zufall.“

Unterdessen hat der HSV eine Internetkampagne gegen die Pläne gestartet, Atomabfälle in seinen Spielerkabinen unterzubringen. „Eine freie und offene Welt braucht freien und offenen Fußball“, sagte Reiner Calmund, der zwar nichts mehr mit Fußball zu tun hat, aber gerade sowieso vor einer Kamera stand. Der HSV ruft seine Fans auf, ihre Abgeordneten anzuschreiben. Abgeordneter Jarzombek macht dem Verein jedoch wenig Hoffnung: „Sie glauben mit ein paar E-Mails die Zukunft verhindern zu können? Ach bitte…“

Leistungsschutzrecht und elektronische Pressespiegel

Das viel diskutierte Leistungsschutzrecht könnte eingedampft werden. Das legt jedenfalls ein Interview mit der Bundesjustizministerin nahe, die keine Internet-GEZ für Büro-PCs will, sondern von einer Vergütungspflicht für gewerbliches Verlinken spricht.

Durch Twitter und Blogs erschallt der Spott: diese Verleger haben noch nichts von robots.txt gehört. Wenn sie nicht von Google ausgewertet werden wollen, können sie Google doch ganz einfach aussperren. Das Blöde daran ist: zumindest einige der Leute, die so etwas äußern, scheinen das durchaus ernst zu meinen. Dabei sollte der gesunde Menschenverstand und ein halbwegs waches Ohr zur unweigerlichen Erkenntnis führen, dass die Verleger (zumindest die große Mehrheit) absolut nichts gegen Google haben, wenn es denn zu neuen Einnahmen führt. Da Google im Bereich Online-Werbung eine durchaus bestimmende Marktstellung hat, haben die Verleger eigentlich einen legitimes Grund zur Beschwerde, zumindest zur rationalen Kritik des Ist-Zustandes.

Während einige Leute nun die Kommunikationsfreiheit als solche gefährdet sehen, hilft vielleicht einfach Mal ein entspannter Blick auf das jetzt geltende Recht. Denn Pressespiegel und elektronische Pressespiegel sind bereits heute kostenpflichtig, entsprechende Lizenzen werden von der Verwertungsgesellschaft Wort vermarktet. Während das Leistungsschutzrecht nach der Lesart von Keese und Co einer kaum zu begründeten GEZ-Gebühr für Büro-PCs gleich käme, die Online-Distribution gegenüber Offline-Distribution stark reglementiert, haben wir im durch den neuen Vorstoß der Bundesjustizministerin eine Chance über übergreifende Vorschriften nachzudenken, die das Urheberrecht modernisieren.

Ich glaube zwar nicht daran, dass dies passieren wird — aber die Chance will ich dem Justizministerium durchaus zugestehen.

PS: Um es nochmal klarer zu formulieren: Als es keine Links und Internetverwertung gab, entschloss sich der Gesetzgeber eine Möglichkeit zur niedrigschwelligen Nutzung von Inhalten der aktuellen Berichterstattung zu schaffen, die einerseits die Urheber und Verleger entschädigt und gleichzeitig die Weiterverbreitung der Information selbst rationalisiert. Wie würde man diesen Paragraph 49 des Urheberrechts heute formulieren, in einer Zeit, in der Pressespiegel durch Snippets und Links abgelöst wurden und die Verwertungskette nahtlos in den privaten Bereich übergeht?

Nachtrag: Thomas Stadler deutet Leutheusser-Schnarrenbergers Vorschlag in eine allgemeine Zahlpflicht für Links jeder Art um und findet das Ergebnis nicht gut. Verfassungsrechtlich ist er damit auf der sicheren Seite — nur mit der Realität hat diese Uminterpretation nichts zu tun. In dem Interview sagt die Bundesjustizministerin klar, dass es bei dem Vorschlag alleine um die Vermarktung von Inhalten geht, bei denen eine Verlinkung eines von mehreren Elementen sein kann. Wie gesagt: ich glaube derzeit nicht, dass diese Initiative erfolgreich sein wird. Um so wichtiger ist es, keine Worte aus dem Kontext zu reißen. Eine fundierte und ehrliche Debatte tut von beiden Seiten not.

The independent enterprise of the great newspapers

Golem berichtet über einen interessanten Vorschlag über die Umgestaltung des Urheberrechts in den USA

Clemons und Madhani sprechen sich dafür aus, selbst Zahlen und Fakten für 24 Stunden urheberrechtlich zu schützen. Schon die Wiedergabe der puren Fakten würde dann einen Urheberrechtsverstoß darstellen.

Die Begründung erinnert an die Debatte zum Leistungsschutzrecht in Deutschland:

Über Google News sei es möglich, „die wichtigsten Absätze fast jeder Story in der New York Times, der Washington Post und praktisch jedes anderen großen Nachrichtendienstes in Echtzeit zu lesen“. Es sei deshalb, schreiben Clemons und Madhani, nicht verwunderlich, dass „die traditionellen Medienpublikationen sterben“.

Was finde ich daran so interessant? Nun – das Ganze gab es schon Mal. Als sich die Telegrafie in den USA verbreitete, machten sich viele Zeitungen einen Sport daraus die spannenden Nachrichten von anderen Zeitungen zu übernehmen. Zeitverschiebung sei Dank konnten die Blätter an der Westküste die geklauten Berichte am gleichen Tag publizieren wie die Kollegen von der Ostküste – ohne sich aufwändige Recherche-Arbeit zu machen.

The doctrine was given U.S. Supreme Court recognition in International News Service v. Associated Press, 248 U.S. 215 (1918). INS would take AP news stories from East Coast newspapers and wire them to the West Coast newspapers that had yet to publish. The Supreme Court held that INS’s conduct was a common-law misappropriation of AP’s property. (fn5). Congress recognized that the „hot news“ doctrine should continue as an exception to pre-emption of state law by the federal Copyright Act. The House Report for the 1976 amendments to the Copyright Act stated that „state law should have the flexibility to afford a remedy . . . against a consistent pattern of unauthorized appropriation by a competitor of the facts (i.e., not the literary expression) constituting „hot“ news, whether in the traditional mold of [International News Service] or in the newer form of data updates from scientific, business or financial data bases.“

Der Kampf wurde über mehrere Jahrzehnte geführt. Und die Rethorik des Ganzen erinnert doch sehr an heute. So begründet ein Richter im Jahr 1901 seine Entscheidung so:

Is the enterprise of the great news agencies, or the independent enterprise of the great newspapers, or of the great telegraph and cable lines, to be denied appeal to the courts, against the inroads of the parasite, for no other reason than that the law, fashioned hitherto to fit the relations of authors and the pul)Iic, cannot be made to fit the relations of the public and this dissimilar class of servants ? Are we to fail in our plain duty for mere lack of precedent ? We choose, rather, to make precedent-one from which is eliminated, as immaterial, the law grown up around authorship-and we see no better way to start this precedent upon a career than by aflirming the order appealed from.

Leistungsschutzpflicht

Während deutsche Verleger spannende Ideen zu einem Leistungsschutzrecht haben, scheinen es die Kollegen in den USA etwas anders zu handhaben: als die Geschichte des Rolling Stone Magazine über General McChrystal zum Politikum wurde, stellten die Redaktionen von Politico und Time.com den Artikel kurzerhand online – und scherten sich einen Dreck darum, dass sie keinerlei Rechte an dem Artikel hatten.

Die Begründung ist spannend:

“Time.com posted a PDF of the story to help separate rumor from fact at the moment this story of immense national interest was hitting fever pitch and the actual piece was not available,” a spokeswoman for Time wrote in an e-mail message. “We always had the intention of taking it down as soon as Rolling Stone made any element of the story publicly available, and we did. It was a mistake; if we had it do over again, we would only post a headline and an abstract.”

Sprich: wenn ein Verleger einen Artikel selbst noch nicht online stellt, übernehmen es halt andere Verlage – ungefragt und kostenfrei. Aus dem Leistungsschutzrecht wird eine Leistungsschutzpflicht.