Fasst die Bildblog-Terroristen!

Irgendjemand hat den Luxuswagen des BILD-Chefredakteurs Klaus Diekmann angezündet. Direkt nach dem Anschlag wussten die Kollegen in den Agenturen: Das hat mit G8 zu tun. Der Staatsschutz ermittelt, geht von einem politischen Hintergrund aus.

Im Zuge eines schnellen Ermittlungserfolges sollten die Behörden bei den Bildbloggern vorbeischauen. Ich bin mir fast sicher, dass sich auf den Computern von Stefan Niggemeier und den Kollegen sehr viele Hinweise auf Herrn Diekmann finden werden. Geht man nach diesem Telepolis-Artikel, reicht das ja als ganz heißer Verdachtsmoment aus. Mehr noch: die Bildblogger haben konspirativ öffentlich Diekmann hinterhergeschnüffelt. Ob sich da auch das Foto eines Autos findet? Das wäre fast ein Schuldeingeständnis.

Und so ist es auch nicht merkwürdig, dass ausgerechnet auf bild.de dieser Anschlag noch nicht zu finden ist – stattdessen wurde die aktuelle Wasserstandsmeldung von Seehofers Affäre zum Titel aufgeblasen: In vier Wochen ist der Geburtstermin. Wahrscheinlich eine ermittlungstaktische Maßnahme. Steigen die Bildblogger auf diese Vorlage ein, könnten sie sich verraten.

Zwei weitere Verdächtige will ich aber nicht verschweigen. Nummer Eins ist Steffi, das Girl von Seite 1. Provokativ hat sie dem BILD-Reporter ausgerechnet an diesem Tag das Statement „Ich bin Feuer und Flamme“ in den Steno-Block diktiert. Und natürlich darf man die Leute von Business News nicht vergessen. Die verkünden enttäuscht „Diekmann lebt!“ Wollten Sie ihm wegen der geklauten Idee des Berlin-Umzugs ans Leben?

PS: Knapp zwei Stunden nach meinem Eintrag erschien doch eine sehr kurze Kurzmeldung in dem bild.de-Newsticker. Keine Fotos, keine weiteren Infos. Schön, wenn selbst das Boulevard die Privatsphäre der Opfer schützt…

Nachtrag Diekmann-Paparazzi

Die Bildblog-Aktion hat viele Reaktionen hervorgerufen. Das Bildblog verlinkt Ablehnung und Zustimmung. (Kritik zu verlinken, ist ein Merkmal der „Guten“ der Blogosphäre.) Dass das „Blog“ Spiegel Online inmitten von gewöhnlichen Blogs verlinkt wird, kann wohl aus augenzwinkende Boshaftigkeit verstanden werden.

Seien wir realistisch: das Bildblog muss sehen wie es weitergeht. Die ewigen Korrekturen von Nichtigkeiten – ist der Trainer der venezualischen Nationalmannschaft 38 oder 53 Jahre alt? – hat seinen Höhepunkt überschritten. Mag das Bildblog auch zehn Mal auf den Top-Listen stehen – man muss sehen wie es weiter geht. Man kann sich auf einem Grimme-Preis ausruhen – aber nicht auf ewig.

Bildblog hat aus meiner Sicht verschiedene Optionen. Dass Bildblog einfach stur weitermacht wie bisher, ist keine Option. Jeder Bildblog-Leser weiß inzwischen von den Manipulationen der größten Boulevard-Zeitung Deutschlands. Repetita non placent – Wiederholungen gefallen nicht. Wenn man die tausendste Wiederholung der Litanei „Bild.de publiziert grenzwertige Inhalte“ oder „Bild anonymisiert nicht richtig“ gelesen hat, wird man die Seite nicht mehr aufrufen. Auch Bildblogger wollen leben.

Das Bildblog muss neue Methoden und neue Themen ausprobieren. Und natürlich müssen Blogs Grenzbereiche ausloten. Wer sich über die das Leserreporter-Experiment mokiert oder die Aktion hochjubelt, ohne die Seitenaspekte zu berücksichtigen, agiert blogtypisch eindimensional. Dafür oder Dagegen. Einige Blogger versehen den jeweiligen Standpunkt mit vielen Ausrufezeichen, aber selten mit Tiefe.

Einige der Seitenaspekte: wer meint, dass Diekmann plötzlich von Tausenden Hobby-Paparazzi belagert wird, überschätzt das Bildblog. Blog-Leser sind immer noch eine Minderheit – Leute, die tatsächlich wegen Blog-Postings aktiv werden sind noch bedeutend seltener. Dazu kommen die finanziellen Aspekte: Bildblog hat weder das Budget für Prämien auf Bild-Niveau, noch die Rechtabteilung des Springer-Verlags. Es gehen also bedeutend weniger Bilder ein und die Blogger werden bei der Auswahl etwas mehr Vorsicht walten lassen. Reichweite spielt eine Rolle. Wer Millionen Leser erreicht, hat mehr Verantwortung als der, der Tausende erreicht, Wer Geldprämien aussetzt, hat mehr Verantwortung als der, der schlicht um Mitwirkung bittet. Das bedeutet natürlich nicht, dass kostenlose Mitwirkung frei von jeder Verantwortung ist.

Die Aktion ist Teil einer Kampagne – sort of. Bildblog will Reaktionen von Bild provozieren. Reaktionen, die über die üblichen abfälligen Bemerkungen seitens der Springer-Verantwortlichen hinausgehen. Und Bildblog will Reaktionen seiner Leser provozieren – werden sie mehr machen als nur Links anzuklicken und „sachdienliche Hinweise“ zu mailen. Ansonsten würden die Bildblogger auf ewig als kostenloses Korrektorat des Springer-Verlags fungieren.

Das Leserreporter-Experiment hat sehr spannende Aspekte: Kann das Bildblog seine Leserschaft so motivieren, dass wirklich Bilder von Diekmann geschossen werden – ohne die 500 Euro Honorar? Werden die Bildblog-Leser etwas bewusster mit dem Persönlichkeitsrecht umgehen als die BILD-Leser? Wird das Bildblog verantwortungsbewusster umgehen als die BILD-Redaktion? Und: Wer will schon verantwortungsbewusste Inhalte lesen?