Schengen-Routing? Nur zu, aber ohne Gesetze

Als ich das erste Mal von „E-Mail made in Germany“ gehört habe, dachte ich: Nur zu. Warum habt ihr so lange gewartet? Die Erklärung von Telekom, United Internet und Freenet, dass sie ihre E-Mails endlich beim Transport verschlüsseln wollten, war zumindest ein Hoffnungsschimmer. Dass die Teilnehmer dieser „Allianz“ ein besonderes Symbol bekommen sollten, wo sie in Sachen E-Mail-Sicherheit zum Beispiel Google so weit hinterherhinkten, war zwar etwas gewagt — aber jeder kämpft mit seinen Mitteln um Marktanteile. Google installiert dafür Google Mail auf fast allen Smartphones.

Ähnlich dachte ich beim „Schengen-Routing“ oder dem verspotteten #schlandnet: Das Internet ist zwar sehr auf weltweite Verbindungen angewiesen. Aber die Router schießen Datenpakate aber nicht aus purer Freude und Übermut über den Atlantik. Sie sind so eingestellt, dass sie die schnellste oder günstigste Route nehmen. Wenn nun also die deutschen, europäischen oder schengenräumischen Anbieter mehr gute und günstige Verbindungen aufbauen wollen: Nur zu. Das könnte sogar etwas an den Abends stockenden YouTube-Videos ändern, die Google natürlich nicht jedesmal aus Amerika herübersendet, sondern aus den in Europa angesiedelten Rechenzentren und Zwischenspeichern. Und: Der GCHQ bekommt etwas weniger zum Schnüffeln — zumindest nicht direkt ins Haus geliefert.

Kein Telekom-Zwang per Gesetz!

Problematisch wird es aber dann, wenn dieses Routing in Gesetze gegossen werden soll. Dann wird es hoch problematisch. Die Deutsche Telekom verwies auf der Konferenz Cyber Security Summit zwar wiederholt daraufhin, dass auch andere Länder solche Routing-Regeln hätten. Mir fielen da spontan nur China, Iran, Kuba und Co ein. Auf wiederholte Nachfrage nannte der Telekom-Vorstand dann die USA als Beispiel. Da dort fast alle wichtigen Tier-1-Provider, Facebook, Google und Apple sitzen, dringt natürlich wenig Datenverkehr nach außen. Zudem gebe es im Telekommunikationsbereich Vorschriften, den Telefonverkehr nicht über anderen Länder zu leiten. Die Amerikaner wissen warum. Wenn man den Enthüllungen Snowdens glauben mag, nutzten sie Kooperationen ihrer eigenen Telekom-Konzerne, um in Netze anderer Länder einzubrechen.

Doch Telefonverkehr ist nicht das Internet. Es gibt keine Ländervorwahlen und viele der obsoleten Telekom-Vorschriften greifen nicht mehr. Der BND nutzt diese Erkenntnis angeblich, um das ganze Internet zur Auslandskommunikation zu erklären. Darüber sollten wir, darüber sollte der Gesetzgeber dringend reden. Auch mit Schengen-Routing kann man keine brauchbare Trennung zwischen geschützter und ungeschützter Kommunikation ziehen. Auch wenn ich per Facebook oder Skype kommuniziere, sollte meine Telekommunikation nach Grundgesetz vor dem deutschen Staat geschützt sein. Und ein Gesetz, das so tut, als ob Deutsche nur ihre T-Online-E-Mail nutzen, ginge an der Realität vorbei.

Das Internet muss flexibel sein. Man stelle sich vor, ein Gesetz zwingt die kleinen Anbieter mit dem einen großen deutschen Telekom-Konzern so weit zu kooperieren, wie es technisch und wirtschaftlich nie erreichbar wäre. Eine Störung bei der Telekom würde das gesamte deutsche Netz ins Wanken bringen. Denn die Verbindungen zu US-Anbietern wie Level3, die durch Telekom-Verbindungen ersetzt worden wären, wären flugs überlastet. Zudem wäre es ein bequemer Unterpfand für die Pläne der Telekom, für die Nutzung des eigenen Netzes von Content-Anbietern wie YouTube Geld zu kassieren. Denn wenn die US-Konkurrenz gesetzlich ausgesperrt oder gebremst würde, flösse mehr Verkehr über die Telekom. Wenn die an der einzigen Hochgeschwindigkeits-Anbindung ins deutsche Netz ein Mauthäuschen aufbaut, dann müssen die Großspediteure wohl oder übel zahlen. Gibt es mehrere gleich gut ausgebaute Zufahrten, wer soll ausgerechnet die Mautstrecke nehmen?

Eine AG kann keine Geschenke verteilen — und tut es nicht.

Natürlich hat die Telekom recht, wenn sie die vielen Forderungen nach Netzausbau, Qualität und Neutralität mit den Frage beantwortet: Wer soll das bezahlen? Die Politik hat entschieden, die Telekom zu einer Aktiengesellschaft zu machen, sie ist daher profitorientiert und kann nicht pausenlos Geschenke verteilen, weil es der Politik gefällt. Kapitalanleger verlangen, dass sich Investitionen in fünf Jahren bezahlt machen. So baut man kein Glasfasernetz. Vielleicht lernen Kapitalanleger ja dazu.

Die Umkehrseite heißt dann aber auch: Mit der Telekom gibt es kein informelles quid pro quo. Wenn die Politik dem Konzern Einnahmen in Höhe von einer Milliarde Euro zuschustert, darf der sich gar nicht in den deutschen Netzausbau pumpen, wenn ein Investment im Ausland so viel lukrativer erscheint. Wenn ich also lese, dass Bundesinnenminister Friedrich das Deutschland/Schengen-Netz in ein vermeintliches, höchstwahrscheinlich missverstandenes Sicherheitsgesetz gießen will und die Telekom gleichzeitig um umfangreiche Regulierungserleichterungen, sogar „Regulierungsferien„, lobbyiiert, liegt ein solcher politischer Tauschhandel nahe: Eine vermeintlich verbesserte Sicherheitsinfrastruktur wird gegen Wettbewerbsvorteile eingetauscht. Und der Bund muss nichts bezahlen, spart sogar ein paar Stellen bei der Bundesnetzagentur.

Ein solcher Handel wäre jedoch ein Kuhhandel. Die Sicherheitserhöhung ist nur marginal, wenn die Anbieter endlich aufwachen und ihre Verbindungen verschlüsseln — und was der BND tut, sollen wir eh nicht erfahren. Die Auswirkungen auf das Internet, den Wettbewerb und die Rechtssicherheit von Angeboten wäre jedoch beträchtlich. Wenn US-Anbieter auf unzulässige Weise in den Markt eingreifen, um Herrschaft über Datenleitungen zu bekommen, dann sind die Wettbewerbsbehörden gefragt.

De-Mail – ganz einfach

„Ja, Guten Tag. Mein Name ist Tina Kurz“

„Ja, ich rufe an, wegen der Rechnung die Sie mir per Mail geschickt haben. Da stimmt etwas nicht.“

„Tina Kurz.“

„Ja, ‚Kurz‘ wie ‚Lang‘.“

„Genau, das bin ich.“

„Mein Geburtsdatum? Ja, das ist der 16. März 1973.“

„Ja, also. Mit dem Rechnungsbetrag ist alles in Ordnung. Sie haben es nur an die falsche E-Mail-Adresse geschickt.“

„Ja, das muss an eine De-Mail-Adresse gehen“

„DEH-MAIL…ja.“

„Ja, sonst gilt das nämlich nicht“

„Würden Sie bitte meine richtige Adresse aufnehmen?“

„Ja, das ist tina PUNKT Kurz ÄTT geh-emm-ix PUNKT De-eh..“

„Ja, ich weiß, dass das die Adresse ist, an die sie die E-Mail geschickt haben. Aber das ist sie noch nicht ganz.“

„Ja, da fehlt was. Die Deh-Mail.“

„Ja, jetzt hören Sie mir doch Mal zu. Meine Deh-Mail-Adresse ist tina PUNKT Kurz ÄTT geh-emm-ix PUNKT De-eh MINUS — ja: Minus — Mail — ja, mit A I — PUNKT De- Eh.

„Ja, ist doch ganz einfach, nicht?

„Ja, Ihnen auch einen schönen Tag.“

Aus einer Pressemitteilung von heute:

Deutsche Telekom und United Internet schließen De-Mail-Allianz

Die großen deutschen E-Mail-Anbieter Deutsche Telekom und United Internet werden an ihre Kunden künftig Adressen mit dem Standard-Zusatz „de-mail.de“ vergeben. Die Adressen können dann zum Beispiel so aussehen: max.lang@t-online.de-mail.de, tina.kurz@gmx.de-mail.de, roy.raab@web.de-mail.de. Durch die Verwendung des Gesetzesnamens in der Domain wollen Deutsche Telekom und United Internet Verbraucher vor Verwechslungen schützen und zusätzliche Sicherheit geben.

 

 

 

 

Viral ist auch egal

Moin-Moin Social-Media-Manager der elbkind GmbH,

ich bin ganz sicher, dass ihr Euch viel, viel Mühe gegeben habt bei Eurer ganz, ganz tollen Kampagne für Telekom Recruiting, die ihr mir so fürsorglich per Mail geschickt habt.

Super auch, dass ihr einen „Viral Teaser“ zentral auf die Videoabspielplattform YouTube gestellt habt. Ich bin schon ganz hibbelig, wenn ihr mir ellenlang von dem „überraschenden Schockeffekt“ schreibt und in die Massenmail sogar die URL eines meiner Blogs und meinen Vornamen eingebettet habt. „Sympathische und zielgruppengerechte Ansprache“ nennt ihr das – beim Pitch in der Firmenzentrale in Bonn ist das bestimmt runtergegangen wie Öl. Und dass in dem total tollen Spot auch noch echte Telekom-Mitarbeiter mitspielen: authentischer geht es ja nur wenn auch noch Paul Potts mitspielt.

Es gibt da aber ein kleines Missverständnis. Ein „Viral Teaser“ ist eben nicht „viral“, wenn ihr Pressemitteilungen an Leute verschickt, zu denen ihr offenkundig keine sozialen Beziehungen habt, die ihr nicht kennt und deren Blog ihr nicht gelesen habt. Das ist dann auch keine „Social Media Kampagne“, es verdient wohl nicht Mal den Namen „Kampagne“. Vergleichbar wohl am ehesten mit den netten Damen von den Telekom-beauftragten Callcentern, die mich ständig anrufen, obwohl ich kein Telekom-Kunde mehr bin. Oder kurz gesagt: es ist alberne Zeitverschwendung.

Mit tuffigen Grüßen aus Köln

Netzneutralität? Gesundheit!

Die Pressearbeit der Deutschen Telekom hat sich zur Verteidigung des Angriffs auf die Netzneutralität ein schönes Thema ausgesucht: Gesundheitsanwendungen über das Internet. Wer würde auch gegen Gesundheit sein wollen?

Wo könnte latenzfreie Verbindungen wichtiger sein als bei Herz-OPs, bei denen der Operateur ein paar Tausend Kilometer entfernt ist, wie es in den weiten Steppen Deutschlands immer wieder der Fall ist. Wo?

Richtig: im Finanzsektor. Hier wird Diskriminierungsfreiheit und Latenz so groß geschrieben, dass die New Yorker Börse die Länge der Netzwerkkabel überprüfen muss, damit niemand eine Millisekunde mehr herausschlagen kann.

Warum hat die Finanzbranche also noch nicht den Abbau der Netzneutralität verlangt? Sonst sind die Ackermänner doch gar nicht schüchtern, wenn es um Forderungen geht.

Nun, einen Hinweis bietet eine Pressemitteilung von Level3, die mich heute erreichte.

Frankfurt/Main, 17. August 2010 – Level 3 bietet ab sofort eine direkte Anbindung an BATS Europe, den Betreiber einer europäischen Multilateral Trading Facility (MTF). Damit erhalten Level 3-Kunden aus der
Finanzdienstleistungsbranche Zugang zum internationalen Tier-1 Glasfasernetz von Level 3 und profitieren von niedrigen Latenzzeiten bei der Ausführung von europäischen Aufträgen in Nordamerika.

„Bei Finanztransaktionen zählen häufig Bruchteile von Sekunden, deshalb haben wir unsere Lösungen so ausgerichtet, dass sie auch den extrem hohen Ansprüchen der Finanzindustrie genügen“, erklärt James Heard, President European Markets bei Level 3. „Die an BATS angeschlossenen Händler haben jetzt Zugang zu Lösungen, die neun von zehn Top-Banken im Tagesgeschäft nutzen. Dazu gehören der Handel mit geringer Verzögerung, skalierbare Hochgeschwindigkeitszugänge und die Datenübertragung auf einem Sicherheitsniveau, das die wichtigen Industriestandards erfüllt.“

Aber über dieses Netz kann man sicher keine Herz-OPs ausführen. Welches Herz ist auch so viel wert, wie eine Million Finanzobligationen, die man 20 Sekunden später für einen Cent mehr weiter verkaufen kann?

De-Fax

De-Mail ist die Antwort auf die Frage: Wieso sind wir in Deutschland heute immer noch im Fax-Zeitalter? Warum gilt eine pixelige Unterschrift in Schwarz-Weiß als rechtsverbindlich, wenn sie über einen durchweg manipulierbaren Kommunikationsweg übertragen wird? Warum soll ich 24 Stunden am Tag einen Stromfresser betreiben, weil mir vielleicht zwei Mal im Jahr jemand ein Fax schickt?

Die typisch deutsche Antwort: wenn wir elektronische Kommunikation auch etwas unbequemer machen, dann darf auch E-Mail rechtsverbindlich sein. Also: keine normalen Mailprogramme mehr, es muss Geld kosten und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen die Sehnsucht nach dem guten alten Thermo-Papier wieder erwecken. Sicherheit ist nicht zentral, die Unbequemlichkeit ist offenbar das Haupt-Kriterium.

In Wahrheit ist das Fax den deutschen Regulatoren und Gesetzgebern wohl einfach nur durchgerutscht – vielleicht wollte man auch der Telekom in jungen Jahren noch etwas mehr Anschub in die schöne neue Welt von BTX und ISDN verschaffen? Ich weiß es nicht. Würde man die angeblich so notwendigen Regularien von De-Mail, bzw dem Vorläufer-Service E-Postbrief auf das Fax zurückportieren, müsste das wohl so aussehen:

  • Nur staatlich zertifizierte Hersteller dürfen Faxgeräte vertreiben. Das sorgt für eine enorme Markttransparenz, weil sich eh nicht mehr als drei bis vier Konzerne und Konsortien die Zertifizierung antun werden.
  • Statt dem Empfänger direkt zu faxen, sendet man alle Faxe zuerst an die staatlich zertifizierte Fax-Zentrale, die kostengünstig privat betrieben wird. Dort wird das Fax wie gewohnt ausgedruckt und danach an den Empfänger weiter geschickt.
  • Jeder Fax-Käufer muss sich mit Ausweis identifizieren, wenn er das Gerät in Betrieb nehmen will. Vorher klappt das Gerät nicht.
  • Vor jedem Fax-Versand muss eine TAN angefordert werden.
  • Faxe werden separat abgerechnet: Du magst eine Telefonflatrate haben, aber für jedes Fax zahlst Du extra. Und zwar nicht die billigen Telefonübertragungskosten, sondern das Snail-Mail-Porto. Mindestens. Wegen der Authentizität.

Lasst es uns so machen.

Netz der Netze

Vielleicht hat Obermann ja recht: der Telekom-Backbone ist leidlich gut und YouTube verbraucht eine Menge Traffic. Das muss doch bezahlt werden!

Aber eine Frage: YouTube-Videos abzuspielen verbraucht auch massig Strom, ohne Strom klappt weder T-Entertain noch das iPhone. Was zahlt die Telekom an RWE und Konsorten für den Stromverbrauch ihrer Kunden?

Tag der Abrechnung

Und wieder Mal die alte Leier

Die Deutsche Telekom will Anbieter von datenintensiven Diensten wie Google und Apple künftig stärker zur Kasse bitten. "Ein gut gemachtes Netzangebot ist am Ende auch kostenpflichtig", sagte Telekom-Chef René Obermann einem dpa-Bericht zufolge dem Manager Magazin. Wenn die Telekom besondere Netzsicherheit oder höchste Übertragungsqualität zum Beispiel für Musik oder Video biete, müsse dies "auch differenziert bepreist werden". Entsprechende Diskussionen mit Diensteanbietern wie Google seien angestoßen.

Das Lustige an der Diskussion ist, dass immer wieder Google als böser Traffic-Nassauer angekreidet wird. Wenn man aber sieht, welche Investitionen Google in die Infrastruktur gesteckt hat, ergibt sich ein ganz anderes Bild.

Teuer für Provider ist es, wenn sie Traffic über vier, fünf oder gar zwölf Hops in fremde Netze transportieren müssen. Wenn sie dagegen Traffic in ihrem eigenen Netz verteilen, ist der Kostenfaktor im Vergleich kaum erwähnenswert.

Nun hat Google aber nicht nur in der ganzen Welt seine Rechenzentren verteilt, sie haben sich auch an direkte Anbindung bei allen möglichen Providern bemüht. Google ist quasi sein eigenes Akamai-Netzwerk – wenn die Telekom mehr als einen Hop außerhalb ihres Netzes gehen muss, um Google zu erreichen, machen sie etwas falsch.

Wenn man also alles ökonomisch durchrechnet und die Trafficleistungen der Parteien genau beleuchtet, könnte – Achtung: das ist eine wilde Hypothese – Google tatsächlich Geld herausbekommen, statt es an die Telekom zu bezahlen.

Apple hingegen müsste hingegen wohl draufzahlen (sei es an die Telekom oder Akamai) – obwohl: die Telekom könnte als Vertriebspartner ja auch die lächerlich großen iPhone-Updates verteilen und so den Traffic ins interne Netzwerk verschieben.

Der Praktikant von der Telekom?

Der Spiegel hat mal wieder einen Scoop: Die Magenta-Schnüffler der Deutschen Telekom haben demnach ihre eigene kleine Vorratsdatenspeicherung gestartet und ihre eigenen Aufsichtsräte ausgeforscht.

Nicht nur das:

In dem Fax, das dem SPIEGEL vorliegt, ist sogar davon die Rede, dass in das Büro eines wichtigen Wirtschaftsjournalisten ein Maulwurf eingeschleust worden sei, der über mehrere Monate „direkt an die Konzernsicherheit“ der Telekom berichtet habe.

Wow.