Kommentatoren, die bellen

Der Aufreger von gestern: Basic Thinking will die RSS-Feeds kürzen, um die Leser zur lukrativeren Webseitenwerbung zu führen. Jürgen Vielmeier gibt sich enttäuscht wegen der Publikumsreaktionen.

Der größere Teil der – zur Stunde – rund 80 Kommentatoren hat hingegen einen Abschied auf nimmer Wiedersehen angekündigt.

Ich hab mal die Probe aufs Exempel gemacht: gestern abend hatte Basic Thinking im Google Reader 10550 Abonnenten. Heute morgen sind es 10562.

(Ich gehöre zu keiner der Gruppen)

Hauptsache Zensursula

Bei manchen wirkt das Wort „Kinderporno“ merkwürdig. Emotionen übermannen jede Logik, und der Betroffene ist ganz in einer eigenen Welt gefangen, in der es Bösewichter gibt, die allesamt aus einem Wallander-Krimi zu stammen scheinen.

Das gleiche passiert offenbar auch mit dem Wort „Zensursula“. Wenn ich mir ansehe, welche Behauptungen Behauptungen in dem Zensursula-Lager aufgestellt, gelobt und beklatscht werden, raufe ich mir manchmal die Haare. Die Realität ist komplex, lasst sie uns auf ein Schwarz-Weiß-Schema herunterbrechen.

Aktuelles Beispiel: Diese Meldung, an der auch Ralf Bendrath seine Zweifel angemeldet hat. Da glaubt jemand, dass er über den First-Level-Support und eidesstattliche Versicherungen einen vorzeitigen Beginn der Sperrungen nachweisen kann. Das ist schon merkwürdig. Dann kommt aber als Update

Arcor hat in einem Online-Artikel des BKA am 10. Juli kundgetan, dass ab dem 1. August 2009 Stopp-Schilder vor Kinderpornoseiten gesetzt werden. Dieser Artikel wurde inzwischen gelöscht und ist nur noch über den Google-Cache erreichbar. Was hat Arcor nur dazu bewegt?

Was da als „Online-Artikel des BKA“ einen amtlichen Anstrich bekommt, ist in Wahrheit eine simple dpa-Meldung. Und sie ist nicht von der Webseite verschwunden, weil Arcor etwas verbergen wollte, sondern weil alle dpa-Meldungen auf Arcor.de nach relativ kurzer Zeit verschwinden. Den letzten Part will ich bei niemandem voraussetzen, aber wie verwechselt man eine simple Newsticker-Meldung mit einem BKA-Dokument oder einer Erklärung zur Firmenpolitik von Arcor/Vodafone? Und warum ist keine soziales Korrektiv vorhanden, das den Autoren auf die richtige Bahn schubst?

Aber diese Schwarz-Weiß-Malerei betrifft nicht nur unerfahrene Blogger, sondern auch Leute, die eigentlich genug Medienkompetenz besitzen müssten, um Zusammenhänge, Kontexte und logische Argumentationen zu erkennen. Zum Beispiel der viel gelobte Spiegelfechter, der von der Leyens Indien-Panne aufgreift und dann plötzlich Inzidenz mit Evidenz verwechselt. Die Argumentation verläuft ungefähr so: Das Bundesfamilienministerium zitiert eine veraltete ICMEC-Studie, also ist ICMEC fragwürdig und integraler Bestandteil des Zensursula-Komplexes. Microsoft hat ICMEC einst 1,5 Millionen Dollar gespendet, also steckt der alt bekannte Bösewicht Microsoft hinter dem „System Zensursula“. Skandal!

Blöderweise hat die ICMEC mit den von unserer Bundesfamilienministerin aufgestellten Behauptungen sehr wenig zu tun. Dass es in Indien keinerlei Ächtung von Kinderpornografie gäbe, hat die Organisation nie behauptet. Dass ICMEC mit einer falschen Darstellung der Gesetzeslage in Indien der Regierung dort Microsoft-Systeme verkaufen will, wäre wirklich eine Meisterleistung des Lobbyismus – Indien mag nicht ganz so durchorganisiert sein wie Deutschland, aber die eigenen Gesetze wird die indische Regierung doch kennen? Und zuletzt: Das kritisierte Microsoft-Produkt „Child Exploitation Tracking System“ (CETS) ist ungefähr das Gegenteil vom „System Zensursula“ – geht es hier doch um die Identifizierung von Opfern. Natürlich gibt es geschäftliche Interessen, Lobbyismus und Fehlinformationen, aber die bei Spiegelfechter aufgezeigten Zusammenhänge sind Google-Artefakte und sind von der Realität so weit entfernt wie der Glaube, dass man mit der Blockade von Webseiten heute Kriminelle nachhaltig behindern kann.

Auch kurios war letztens der Beitrag von Thomas Knüwer, in dem er die Lügen der Bundesfamilienministerin als „amtlich“ bezeichnete. Das Kuriosum: Als Beleg verwendet Knüwer ausgerechnet ein Zitat, das zwar etwas an Sarah Palin erinnert, aber eben nicht dem Dokument widerspricht, das Knüwer als Beleg für die amtlichen Lügen verwendet.

Die Liste ließe sich beliebig lange weiter führen. Stören solche Kleinigkeiten? Nein, natürlich nicht. Es steht ja Zensursula drüber und wenn es um die große Sache geht, darf man solche Kleinigkeiten nicht allzu wichtig nehmen. Das Problem: exakt so argumentiert vermutlich auch von der Leyen.

Das Problem von Blogger-Jeopardy

Bei Re:Publica wird es ein Blogger-Jeopardy geben. Es gibt da allerdings ein Problem:

  • Blogger für 100: Dieser Blogger wäre sicher nicht in den Charts, hätte er eine Freundin.
  • Blogger für 200: Dieser Blogger hat sein vielbeachtes Blog im Jahr 2003 eröffnet und hat nach einhelliger Meinung im vergangenen Jahr stark abgebaut.
  • Blogger für 300: Dieser Blogger schreibt zu Rechtsthemen und hat das lustigste Posting zum Thema „Rechtsversicherungen“ verfasst. Werde ich mal abgemahnt, werde ich ihn anrufen.
  • Blogger für 400: Dieser Blogger hatte starke Meinungen, hat sich aber für die Werbung verkauft. Außerdem ist er auf jedem Blogger-Treffen.
  • Blogger für 500: Dieser Blogger ist Mitte 30 – oder schon Anfang 40? – Sternzeichen: Schütze, er ist Vater und er schreibt meistens langweiliges Zeug.

So viele Fragen….

Mailpolizei: Alles nur „Interpretation“

Der anonyme Blogger von neulich rudert zurück. Er hatte berichtet, dass ein Polizist in seiner Gegenwart ohne Passwort oder richterlichen Beschluss auf das Mailpostfast eines Schwarzfahrers zugegriffen habe – ich hatte so meine Zweifel.

Nun hat der vermeintliche Zeuge alle Blogbeiträge bis aus den ersten gelöscht und diesen überarbeitet. Nun steht dort vor dem entscheidenden Absatz:

Und was jetzt kommt, ist eine Interpretation der Geschichte und so nicht passiert.

Ich stufe das mal als nicht ganz logische Distanzierung vom ursprünglichen Beitrag ein. Zwar stehen da immer noch Tatsachenbehauptungen, aber so ganz sicher wie am Anfang ist sich der Autor offenbar nicht mehr, was er gesehen und gehört – und was er hinzugedichtet hat.

Dass ihm andere Weblogs seine „Interpretationen“ geglaubt haben, ist übrigens alleine deren Fehler. Er selbst hat nichts damit zu tun:

Ich distanziere mich von den Meinungen/Kommentaren die im anschließenden Folgen. Die Meinungen sind die, der jeweiligen Autor[en]_Innen und entsprechen nicht meiner. Desweiteren distanziere ich mich von den sg. “Pingbacks” von Fremdblogs, welche über diesen Beitrag berichten. Ich habe keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Fremdblogs und bin in keiner Hinsicht der dort vertretenen Meinung bzw. dem dort berichtetem. Dies gleicht geht für jegliche externe Links.

PS: Und nun ist das Blog ganz weg…

Gammelblog

In der Netzeitung ist ein Artikel über das Weblog Politically Incorrect erschienen. Leider wird man daraus nicht viel schlauer.

Auffällig ist, dass der Autor im Gespräch mit dem Blogger Stefan Herre wohl erstaunlich aufgeschlossen war und ihm wiederholt Glauben schenkt – etwa wenn der angeblich Fehler bereut oder wenn er sich zu Bushs Politik Gedanken macht. Irritierend ist, dass zu Beginn mehrmals von dem islamkritischen Weblog gesprochen wird, zum Schluss aber ohne weiter Begründung das laue Wortspiel vom „politisch inkompetenten“ Weblog als Fazit präsentiert wird. Auch vermisse ich viele Informationen: Wovon lebt Herre eigentlich? Wieviele Spenden hat er für Klagen gegen den politischen Gegner eingesammelt? Wie oft wurde er selbst schon wegen Volksverhetzung angezeigt?

Lediglich ein Absatz ist mir positiv aufgefallen:

Ein Thema wird zum nationalen oder religiösen Symbol erhoben und den Lesern suggeriert man damit, genau davon hinge das eigene Schicksal und die eigene Zukunft ab. Gammelfleisch in Dönerbuden wird mit dem Jihad, eine Schulhofsschlägerei mit dem iranischen Atomprogramm und der türkische Gemüsehändler um die Ecke mit den Taliban in Verbindung gebracht.

Watch out, blogger!

Der Kommentator – t – enthüllt

Leider war Herr Niggemeier mal wieder schneller:
„bildblogblog.de” hat er am 31. August 2007 bei der DENIC registrieren lassen, „bildwatchblog.de” am 13. Juli 2007.
„bildwatchblogwatchblog.de” ist noch frei.

Skandal! Da nutzt der Alpha-Watchblogger doch tatsächlich seine Werbemillionen, um die dringend nötige, überfällige – ich möchte sagen: natürliche – Kritik an seinem Tun und Lassen zu monopolisieren. Und die willfährige Denic schaut zu!!

Aber nicht verzagen: niggewatch.de ist noch frei.

Gibt es keine Blogger in Rheinland-Pfalz?

Am Wochenende fiel mir mal wieder eine Ausgabe der Rhein-Zeitung in die Hände: meine Heimatzeitung, bei der ich einst mein erstes Lokal-Praktikum absolvierte. Dabei sind mir zwei Artikel besonders aufgefallen.

Der erste war eine Lokalposse erster Kategorie: der CDU-Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters in Landau hatte sich fälschlich als Doktor ausgegeben und sich anschließend mit einem Hirntumor herausgeredet – ebenfalls eine Lüge. Der zweite war eine Geschichte aus dem Lokalteil: Unbekannter diffamiert Zeller. Offenbar fühlt sich ein Zugezogener im Moselstädtchen Zell nicht wohl und hat seinem Ärger in einem WordPress-Blog sehr unfein Luft gemacht.

Rhein-Zeitung Artikel

Die Artikel fielen mir nicht auf, weil sie besonders aufsehenerregend oder journalistisch überragend waren – mir erschienen sie aber als perfektes Spielfeld für den vielzitierten Bürgerjournalismus.

Man stelle sich vor: Ein leibhaftiger Hochstapler, der Wahlkampf macht. Der verlogene Politiker von nebenan. Ein Traumthema für den aufgeklärten Blogger. Er kann schildern, welchen Einfluss diese Blamage auf die Lokalpolitiker hatte, wie er dem vermeintlichen Doktor auf dem Marktplatz begegnet ist. Wieso die lokale CDU einen Berliner importieren musste, um überhaupt einen Kandidaten zu haben. Aber in Landau scheint es keinen Blogger zu geben – zumindest keinen, der sich im entferntesten für Lokalpolitik interessiert. Alles was sich findet: ein paar wenige hämische Bemerkungen von Ortsfremden, die sich samt und sonders auf Agenturberichte beziehen.

Auch der zweite Artikel ist eigentlich Blogger-Thema Nummer Eins. Wegen Beschwerden wurde ein Blog einfach gelöscht. Zensur!!! Die Polizei sucht nach Anwohnern, die den anonymen Blogger anzeigen wollen. Selbst wenn das Blog nur aus einem Eintrag bestand, selbst wenn das Blog nicht wie die Rhein-Zeitung berichtet von der Denic gelöscht worden ist – es wäre immer noch ein Thema. Zur Not könnte man auch darüber schreiben, dass ein Mensch, der an der Mosel Weinstöcke „wegen des Ungeziefers“ entfernen will, einfach keine Freunde findet. (Nachzulesen auch in „Der Generalstreik“ von Giovanni Guareschi.) Aber in diesem Fall schweigt die Blogosphäre einfach ganz und gar. In Zell scheint es keine Blogger zu geben. Und das, obwohl es hier nur eine Monopol-Zeitung gibt.

Kommerz gegen Authentizität?

Im krit-Interview erklärt der Spiegelfechter Jens Berger einen der großen Trends der Blogger-Szene.

Wir stehen an der Schwelle einer Aufteilung des Netzes in Kommerz und Authentizität – da machen auch die Blogs keine Ausnahme. Vom Nutzer wird in Zukunft noch mehr Medienkompetenz zu erwarten sein als jetzt. Blogger sind nicht per se bessere Menschen, sie sind ein Querschnitt durch die Gesellschaft.

Dem Schluss mag ich zustimmen – wie könnte ich auch nicht? Aber der Ausgangsthese möchte ich doch stark widersprechen. Warum sollen Authentizität und Kommerz ein Gegensatz sein?

Nehmen wir den Alltag des Journalismus: Gerade die dümmsten und manipulativsten Pressemitteilung empfinde ich als äußerst authentisch. Die Verfasser glauben den Stumpfsinn, den sie per HTML-Mails und Word-Dokumenten in meine Inbox gießen. Im Gegenzug sind die bestbezahlten Edelfedern des Journalismus ebenfalls höchst authentisch. Ihre Texte spiegeln ihre Person wieder – zumindest sollen sie den Anschein erwecken. Zahlreiche Kolumnen in Hochglanz-Zeitschriften spiegeln gleichzeitig Höhepunkte der Authentizität und der Kommerzialität dar. Der unauthentische Nachrichten-Stil hingegen ist für die Schreiber nicht sonderlich lukrativ.

Für mich als Blog-Leser sind weder Authentizität noch Kommerzialität ein Eigenwert. Ich lese Blogs, weil sie gut geschrieben sind, weil sie interessante Einblicke geben und Fakten gut aufbereiten. Natürlich werde ich immer im Kopf behalten, wenn eine Firma ein Weblog führt. Oder wenn ein Blogger von einer Firma engagiert wurde, ihre Produkte vorzustellen. Aber das ist Ausdruck der oben erwähnten Medienkompetenz. Ein Auswahlkriterium ist es aber nicht.

Wie steht es mit der Authentizität? Um es polemisch zu sagen: Welche Blogger war schon authentischer als Callboy Torsten? Wer authentisch ist, erzählt vielleicht seine Wahrheit – das ist aber noch lange nicht meine Wahrheit.

Und hier sehe ich auch eher die kommende Aufteilung des Netzes. Das Netz wird nicht in authentisch und kommerziell unterteilt, sondern in Weltbilder. Der islamfeindliche Kommerzblogger wird vom islamfeindlichen Privatblogger zitiert, der höchst authentisch seinen eigenen kleinen Geist dazu addiert. Der leidenschaftliche Filmsauger wird nur Blogs lesen, die auch schön kräftig gegen die Film-Mafia wettern – auch wenn die Seite mit Provider-Werbung vollgekleistert ist. Dank der Vielzahl der Blogs, Communities, Foren und social-media-Diensten kann man viel einfacher unpassenden Fakten oder Gegenargumenten aus dem Weg gehen und hat trotzdem den Eindruck gut informiert zu sein.

Interview mit einem Mecker-Blogger

Kleinz: Hallo, mein Name ist Kleinz. Ich bin freier Journalist und recherchiere zu „Mecker-Bloggern“. Haben Sie einige Minuten Zeit?“

Torsten: Interessantes Thema. Wie kann ich weiterhelfen? Soll ich Ihnen ein paar Mecker-Blogger aufzählen?

Kleinz: Eigentlich wollte ich eher Sie befragen…

Torsten: Mich? Als Mecker-Blogger? Wie kommen Sie denn darauf?

Kleinz: Nun, in den vergangenen Wochen haben Sie zum Beispiel in Ihrem Blog nahegelegt, dass Leute mit großen Autos ein kleines Hirn haben.

Torsten: Nun, diese Idioten wollten eine illegale Rallye auf nicht-abgesperrten Straßen fahren.

Kleinz: Zugegeben. Aber auch sonst scheinen Sie ja kein besonders positiver Charakter zu sein, wenn man ihr Blog als Maßstab nimmt. Ein Kollege schreibt einen wichtigen Artikel, der die Leser über Online-Durchsuchungen aufklärt, und Sie mäkeln an Details herum. Für die vielbeachtete Aktion der Gruppe Geld oder Leben haben Sie nur Häme und Polemik übrig. Fernseher bezeichnen Sie als Mülltonnen. Und das VIVA-Programm sogar als Berufsberatung für den Kinderstrich. Und das sind nur die Einträge aus den letzten Tagen.

Torsten: Ich sage nur meine Meinung. Wollen Sie mir das Recht dazu absprechen?

Kleinz: Nichts liegt mir ferner. Ich frage nur, wie diese negative Tendenz zu Stande kommt.

Torsten: Gut. Fragen Sie.

Kleinz: Sind Blogger prädestiniert dazu, alles und jeden zu kritisieren?

Torsten: Das kann ich nicht wirklich beantworten. Ich verfolge so ein, zwei Dutzend Blogs mehr oder weniger regelmäßig. Je nach Zählung gibt es aber Zigtausende oder Millionen Blogs, die ich niemals zu Gesicht bekomme.

Kleinz: Sie bloggen nun immerhin fast vier Jahre und gehen auch zu Blogger-Treffen wie re:publica. Irgend eine Ahnung müssen Sie doch haben.

Torsten: Nun, bei den so genannten „A-Bloggern“ kann man wohl eine Tendenz zu eher negativen Postings feststellen. Das ist jetzt nur meine subjektive Sicht. Und es ist ja kaum erstaunlich: Firmen decken Internetseiten mit Abmahnungen ein, die Gesetzgebung macht Online-Publizieren zum Minenfeld und viele Web 2.0-Firmen machen wirklich dumme Anfängerfehler.

Kleinz: Trotzdem gibt es doch sicher genug Positives zu berichten. Die Sonne scheint, fast stündlich werden spannende neue Projekte geboren, Menschen rücken aufeinander zu. Warum schreibt niemand darüber?

Torsten: Das stimmt nicht. Viele Leute schreiben Positives. Zum Beispiel hat Udo Vetter erst gestern ein Posting über Schokolade verfasst. Und Robert Basic findet ganz viele Sachen toll.

Kleinz: Aber als er sich vor kurzem über zickige Journalisten-Blogger echauffierte, bekam er mehr Feedback als bei den meisten seiner positiven Berichte.

Torsten: Das ist richtig. Es ist wohl so, dass man über negative Berichterstattung viel mehr unmittelbare Aufmerksamkeit bekommt. Besonders schön sieht man das an der altehrwürdigen Seite Amiga News. Hunderte von Meldungen über neue Projekte, Software oder Mitmach-Gelegenheiten verschwinden eher unbeachtet in der Versenkung, bei Klagen oder Verleumdungen will dann jeder etwas sagen.

Kleinz: Sind Blog-Leser also sensationsheischende Kampfhähne?

Torsten: Nicht mehr als andere Menschen auch. Die BILD-Zeitung macht ja auch nicht mit der Schlagzeile auf „Tausende Demonstranten friedlich“. Vielleicht liegt es in der menschlichen Natur, dass wir Positives einfach hinnehmen und Negatives hingegen mit höchstem Interesse betrachten. Ich könnte mit im Fall von Blogs auch einen technischen Grund vorstellen: Viele Leute preisen tolle Webseiten oder Angebote nicht mehr in einem separaten Eintrag, sondern werfen ihn nur in einen Social-Bookmarking-Dienst, der dann alle paar Tage eine Liste der empfehlenswerten Links ins Blog ausscheidet.

Kleinz: Fassen wir zusammen: Blogger sind gar nicht so negativ, es erscheint nur so?

Torsten: Möglicherweise. Vielleicht geht es sogar etwas weiter: Eventuell müssten Blogger noch viel negativer werden. So sagte Mercedes Bunz vor kurzem in einem Blogkommentar: „Es braucht wieder mehr negative Kritiken. Mit Begründung natürlich. Vor allem im Feuilleton.“

Kleinz: An der Begründung mangelt es bei einigen Bloggern aber.

Torsten: Das liegt auch etwas an der sozialen Dynamik. Manchmal habe ich den Eindruck, dass vor einigen Jahren mehr nachrecherchiert wurde: Der eine Blogger spann die Recherche des anderen Bloggers weiter, brachte sogar Fakten ein, die der Ausgangsthese widersprachen. Heute sehe ich viel öfter eine Empörungsspirale, bei der Vorurteile innerhalb bestimmter Cliquen verstärkt werden. Auch ich kann mich von dieser Optik nicht frei machen.

Kleinz: Es gibt also keine Blogosphäre, sondern nur noch Cliquen?

Torsten: Ob es „die Blogosphäre“ je gab, kann ich nicht sagen. Auf alle Fälle hat sie sich in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter ausdifferenziert. Aber dazu kann ich nicht wirklich mehr erzählen. Vielleicht sollte man mal eine Studie machen.

Kleinz: Ich bedanke mich für das Gespräch.