„1005 repräsentativ ausgewählte Bürger“

Wenn bei meinem Beitrag gestern der Eindruck entstanden sein könnte, dass ich von Umfragen nicht viel halte, dann liegt es daran, dass ich von Umfragen nicht viel halte.

Die inflationäre Obsession mit der Meinung von Leuten, denen das grundlegende Faktenwissen fehlt, ist mir absolut rätselhaft. Verbände und Firmen schicken mir jeden Tag Umfrageergebnisse ins Haus, die zeigen sollen, wie notwendig ein Produkt ist, wie beliebt eine Person oder Maßnahme doch ist oder wie die Deutschen so denken. Dank einer auf Aufträge angewiesenen Call-Center-Industrie ist das erstaunlich billig. Die meisten Umfragen sind jedoch keinen zweiten Blick wert.

Ein Beispiel von heute morgen – der Branchenverband BITKOM hat ein Mittel gegen Politikverdrossenheit gefunden: Online-Wahlen.

„Online-Wahlverfahren ermöglichen es jedem Bürger, seine Stimme ortsunabhängig und mit geringem Aufwand abzugeben. Die Mobilisierung der Wähler würde durch Online-Wahlen deutlich erleichtert.“ Nach den Ergebnissen der BITKOM-Umfrage hätte die sehr niedrige Wahlbeteiligung bei der letzten Europawahl durch den Einsatz der Online-Wahl signifikant gesteigert werden können. 11 Prozent der Befragten gaben an, dass sie gewählt hätten, wäre Ihnen die elektronische Stimmabgabe per Internet ermöglicht worden. Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl 2009 hätte von 43 Prozent auf 54 Prozent steigen können.

Oho! Toll! Mehr Demokratie! – Natürlich setzt das voraus, dass die Leute bei guten Vorsätzen immer ehrlich und konsequent sind. 11 Prozent der Leute waren zu verpeilt, um ihre Stimme per Briefwahl abzugeben. Sie sind aber sehr optimistisch, dass sie mit einem anderen Wahlverfahren ganz sicher gewählt hätten. Könnte man auf solche Erklärungen nur halbwegs vertrauen, hätten wir in Deutschland keine Raucher mehr.

„Die Umfrage zeigt, dass viele Bürger online wählen wollen, es aber auch Bedenken gibt“, sagte Scheer. An erster Stelle stehen nach den Ergebnissen der BITKOM-Untersuchung Sicherheitsbedenken und die Sorge vor einer Manipulation der Wahlergebnisse. Scheer: „Wir müssen elektronische Wahlverfahren einsetzen, die für jeden Bürger verständlich und mindestens ebenso sicher sind, wie die Stimmabgabe im Wahllokal und die Briefwahl.“ Dann könnten Online-Wahlen zu einem wichtigen Instrument der Demokratie werden.

Der Haken: dieses Wahlverfahren gibt es schlichtweg nicht. In Deutschland sind zwar seit einigen Jahren Online-Wahlen für private Instititutionen und Vereine möglich, die Technik ist aber kompliziert und teuer. Selbst wenn jeder in Deutschland einen RFID-Ausweis, ein Lesegerät und die notwendige Verschlüsselungssoftware lauffähig auf seinem PC hätte – das Ergebnis wäre für den Wähler nicht wesentlich einfacher als die Briefwahl, es wäre für den einzelnen nicht nachvollziehbar und teuer.

Was bleibt übrig? 1005 repräsentativ ausgewählte Bürger wurden in ihrem Tagesablauf gestört um am Telefon Fantasie-Fragen zu beantworten, die niemand wirklich interessieren. Und dabei hatten sie Glück, dass der Anrufer ihnen nicht ein Zeitschriften-Abo oder einen neuen Telefontarif verkauft hat. Wie viele von Euch finden das toll? Ruft nicht an, hebt einfach nur die Hand. Jetzt.

Danke, dieses Ergebnis habe ich erwartet.

Guten Freunden gibt man ein Mix-Tape…

…aber nur wirklich engen Freunden gibt man eine CD-Kopie. So zumindest verstehe ich die Tipps des BITKOM zur praktischen Anwendung des neuen Urheberrechts:

Wenige Kopien sind unproblematisch: Wer Familienmitgliedern und engsten Freunden einen Musik-Mix brennen will oder eine Sicherungskopie anfertigt, darf dies auch künftig tun. Allerdings ist nur eine geringe Anzahl von Kopien für den Eigenbedarf zulässig. Eine feste Grenze gibt es zwar nicht. Vor wenigen Jahren hat jedoch die Rechtsprechung maximal sieben Kopien erlaubt. Wichtig ist, dass man über die Originale verfügt oder sich diese legal besorgt hat. Ebenfalls in Ordnung ist, sich die Original-CD eines guten Freundes selbst zu brennen.

Die Botschaft ist klar: Es reicht nicht einfach befreundet zu sein, Kopien sind nur im innersten Zirkel erlaubt. Wer dazugehört ist unklar, aber doch sicher nicht mehr als sieben Personen. Im Idealfall ist es nur eine ganz, ganz spezielle Person. Die CD-Kopie ist damit die Vorstufe eines Verlobungsrings.