Kontextsensitive Werbung

Dem Zynismus mancher Bild.de-Schlagzeilen kann man sich nur schwer entziehen. Noch übler ist jedoch oft die Kombination zwischen Werbung und Schlagzeile.

Beispiel vom Montag:

Dass die Autoindustrie dort wirbt, wo Beschränkungen des C02-Ausstoßes als Verschwörungstheorie abgetan werden, hat zumindest ein „Geschmäckle“.

Richtig übel ist hingegen diese Platzierung von heute:

Mal im Ernst: Gibt es einen Grund über diese „irre Russen-Theorie“ zu berichten als eine penetrante Begeisterung für Hitler-Schlagzeilen und die zynischste Anzeigenplatzierung, die man sich mal eben für die „Volks-Arznei“ ausdenken kann?

Die sind nicht gaga bei Kress

Eben geht die Nachricht durch sämtliche Timeline: Bild.de wurde bei den Awards des Branchendienstes Kress ausgezeichnet. Typische Reaktion hier von Jürgen Kuri:

Nein, Kress ist nicht gaga. Die Entscheidung ist nur konsequent. Denn die Awards-Gala dient vor allem einem Zweck: Sie soll Gewinne einspielen. Ein festlicher Saal muss mit gut zahlenden Gästen gefüllt werden. Deshalb ersinnt man ganze 18 Preiskategorien, für die man jeweils bis zu sechs Finalisten einlädt.

Nun – das mit der Einladung ist so eine Sache: Umsonst kam nämlich niemand zu dem hochklassigen Branchenevent:

Sprich: Sogar die Finalisten mussten ihr Essen selbst bezahlen. Und den Saal. Und die Unterhaltung. Und wer richtig was zu präsentieren hatte, buchte am Besten gleich einen Achtertisch. Dafür gab es immerhin einen satten Rabatt von knapp unter 10 Prozent. Für einen repräsentablen Auftritt macht das immer noch 1808 Euro. Plus Anfahrt, Übernachtung und die sonstigen Annehmlichkeiten einer Firmensause kommt man durchaus auf einen nicht unerheblichen Betrag. Wenn dann ein Außenseiter mit dem Preis nach Hause fährt, sparen sich die Verlage eine solche Ausgabe.

Der Jury Bestechlichkeit vorzuwerfen, wäre ein billiger Reflex. Aber natürlich ist ein auf Ertrag angelegter Award, der beim Kress-Eigentümer Haymarket ein etabliertes und wahrscheinlich lukratives Geschäftsmodell ist, einer anderen Dynamik als die Preise, die durch Sponsoren ohne Preisambitionen, Spenden oder gar öffentliche Gelder finanziert werden. Die Veranstalter von Preisverleihungen sind nie altruistisch, sondern wollen immer etwas erreichen: Eine Botschaft in die Medien bringen, eine Branche in eine bestimmte Richtung beeinflussen, für Öffentlichkeit sorgen. Und im Fall Kress ist das Ziel die Rentabilität. Und niemand ist rentabler als Bild.de.

Keine Panik!!! Alles Natur!

Super-GAU! Aber am anderen Ende der Welt.  Panik oder nicht Panik? Bild.de versucht beides.

Der derzeitige Aufmacher beginnt so:

„Landstriche, wie platt gewalzt. Skelette von Gebäuden. Was ich sah, wird mich mein Leben lang an Apokalypse erinnern, an Weltuntergang. “BILD-Reporter Herbert Bauernebel flog gestern mit dem Helikopter in das Katastrophengebiet von Sendai. Sein Bericht.

Das in Japan ist keine einfache Naturkatastrophe. Es ist der Weltuntergang. Und unserer christlich-jüdisches kulturelles Erbe sieht hier Gott am Werk, der die Guten von den Bösen trennt, den Tag des Jüngsten Gerichts einläutet.

Im zugehörigen „Ratgeber“ jedoch ist von Panik keine Spur. Denn: wir Deutschen sind augenscheinlich nicht betroffen. Unser Fisch kommt nicht aus Japan, japanische Autos werden weltweit gebaut — wir Deutschen sind aus dem Schneider. Nicht Mal einen Geigerzähler sollen wir kaufen, da wir eh nicht damit umgehen können.

Alles ist OK. Davon ist Bild.de so überzeugt, dass die Begründung offenbar nicht so wichtig ist. So erfahren wir, dass wir ruhigen Gewissens Konsumartikel aus Japan kaufen können, denn sie „werden in geschlossenen Fabriken hergestellt.“ Ja, vier Wände und ein Dach sind das perfekte Mittel gegen Radioaktivität. Richtig kurios ist die Begründung, warum wir auf keinen Fall voreilig den Stromanbieter wechseln sollen.

Soll ich meinen Atom-Strom-Vertrag kündigen?  Bedenken Sie, dass die Ursache der Katastrophe natürlich war (Erdbeben, Tsunami). Moderne Atomkraftwerke gelten als sehr sicher.

Keine Panik. Alles Natur!

Facebook-Mengenleere

Angesichts Hunderttausender Facebook-Fans für Karl-Theodor zu Guttenberg sind die Medien so ratlos wie wir Blogger.Sind die Guttenberg-Liker einfach faul? Oder falsch? Oder gar ein Zeichen von Schwarmdummheit? Alles möglich, wir wissen es schlichtweg nicht. Wahrscheinlich sind all diese Erklärungen Teil der Wahrheit.

Bild.de packt es jedoch Mal wieder der Ungewissheit die Krone der Dummheit aufzusetzen und die Facebook-Zahlen richtig ad absurdum zu führen:

Auch Gegner des Ex-Verteidigungsministers präsentieren sich bei Facebook – wenn auch in der Minderzahl. Sie summierten sich zur selben Zeit auf rund 53 000, während alle Gruppen, die den Politiker Guttenberg zurück wollen, zusammengerechnet mehr als 1,18 Millionen Mitglieder zählten.

Ich muss hoffentlich nicht erklären, warum das Zusammenzählen der Mitglieder von Facebook-Gruppen mit fast gleichlautenden Botschaften irreführend, falsch und einfach peinlich ist?

Alles gutt

In der süddeutschen Zeitung von heute nennt Kurt Kister BILD das „Zentralorgan der Guttenberg-Verteidigung“. Ist das berechtigt? Sicherlich.

Kleines Beispiel: Mit einer Umfrage versichert sich die Redaktion heute der unverbrüchlichen Guttenberg-Treue ihrer Leser.

Wo ist der Unterschied zwischen „Er macht eine unglückliche Figur“ und „Ihm ist der Erfolg zu Kopf gestiegen“? Nun: es gibt keinen. Die Umfrage ist so konstruiert, dass die Guttenberg-Unzufriedenen zwischen drei indifferenten Antwort-Optionen wählen müssen, die unerschütterten Guttenberg-Anhänger versammeln sich hingegen bei einer Antwort-Option.

Praktischerweise unterscheidet die Option A nicht zwischen Amtsführung und Plagiatsvorwürfen, und fragt ausdrücklich nicht nach Konsequenzen. Trotzdem verkündet BILD.DE stolz:

Dennoch – einen Rücktritt lehnt die Mehrheit der BILD.de-User ab. Mehr als 50 Prozent sagen: Guttenberg macht seinen Job GUTT!

Hätte Bild.de einfach die Frage gestellt: „Soll Guttenberg zurücktreten – Ja oder Nein?“ — ich glaube, die Leser von Bild.de hätten den Rücktritt (noch) mehrheitlich abgelehnt. Aber so sicher scheint man sich im Axel-Springer-Haus nicht gewesen zu sein.

Nachtrag, 22. Februar: Ein wenig zu lange hat Bild.de die Umfrage in seine Guttenberg-Artikel eingebaut. Nun lautet das Ergebnis tatsächlich so:

Und war die Umfrage zum Beispiel am Samstag noch ein Beleg dafür, was Deutschland denkt, findet sich in dem heutigen Artikel kein Hinweis mehr auf das Ergebnis.

Irrsation

Genie und Wahnsinn liegen nah, genau wie Sensation und Irrsinn. Besonders auf Bild.de.

Auf der einen Seite die Aussage eines sachverständigen Zeugen, auf der anderen Seite total inaktuelle Erkenntnisse über eine ganz und gar fiktionale Theorie. Links: Irrsinn. Rechts: Sensation.

Der Tiefpunkt

Dass die Berichterstattung nach dem Wetten-dass-Unfall journalistische Grenzen überschreitet, konnte sich jeder schon am Samstagabend denken. Den absolute Tiefpunkt der Berichterstattung liefert aber wieder Bild.de. Während die Konkurrenz mit ausführlichen Bildergalerien dem Voyeurismus reichlich Nahrung bot, überlegte man wohl bei bild.de, wie man die Geschichte noch interessanter, skandalträchtiger, abgefeimter machen könnte.

Und das Ergebnis verschlug mir fast die Sprache:

Die Mutter wird groß zum Aufhänger gemacht, sie wird mit der Schlagzeile zum Mitwisser, zum Mitverursacher erhoben. Denn an die scheinheilige Frage „Hat sie etwas geahnt?“ schließt dann natürlich der Gedanke an: „Wie konnte sie es dann geschehen lassen?“ Dass Bild.de den Schmerz der Eltern dann noch in Details via Liveticker in die Welt herausjagt – hier verschlägt es mir wirklich die Sprache.

Dr. Leaks – oder: Julian auf der Flucht

Bild.de hat einen neuen Spitznamen für Julian Assange:

Entkommt Dr. Leaks den britischen Behörden?

Das könnte natürlich eine ungelenke Kimble-Anspielung sein. Mich erinnert das jedoch eher an eine Szene aus „The Big Bang Theory“.

Sheldon: Leonard is upstairs right now with my archenemy.
Penny: Your archenemy?
Sheldon: Yes: the Dr. Doom to my Mr. Fantastic, the Dr. Octopus to my Spiderman, the Dr. Sivana to my Captain Marvel…
Penny: OK, I get it, I get it…
Sheldon: You know, it’s amazing how many supervillains have advanced degrees. Graduate schools should do a better job of screening those people out.

Dr. Leaks ist zweifellos der Name eines Super-Schurken aus dem Reich von Batman und Superman. Das Wikileaks-Drama in den Medien kann eigentlich nur noch absurde Züge annehmen.