Star Trek – The Graphic Novel

Das einzig wichtige, was heute passiert ist: die neuste Iteration von Star Trek ist bei Netflix. Und Frauke Petry spielt keine Rolle. Falls ihr keine weiteren Spoiler wollt, lest einfach nicht weiter.

Zunächst das Positive: Die Optik dieser neusten Star Trek-Serie ist wirklich revolutionär. Statt auf einem Schreibtisch entstand die Serie offenbar am Storyboard. Wir kommen von ikonischer Szene zu ikonischer Szene. Michael im Raumanzug. Michael im Kraftfeld inmitten eines zerstörten Decks. Tote Klingonen werden aus dem leeren Raum mit grünen Traktorstrahlen aufs Heimatschiff gezogen. Michael und Captain Georgiou mit gezogenem Phaser.

Das Raumschiff hat endlich ein Fenster statt nur einen Screen und der Weltraumkampf wurde angepasst. Keine Albernheiten mehr, wo computergestützte Strahlenwaffen auf kurzer Distanz danebenzielen. Auch die Strahlenwunden im Nahkampf sind endlich realistischer dargestellt: Niemand wird meterweit nach hinten geworfen oder aus unerfindlichen Gründen komplett aufgelöst, wenn er in den Oberkörper getroffen wird. Stattdessen brennt der Phaser ein Loch sehr ungesundes Loch ins Gewebe.

Der Versuch, das Entstehen des klingonischen Reiches aus TNG zu zeigen, ist mutig. Der philosophische Konflikt zwischen Mensch und Vulkanier ist hinreichend vertraut, um uns etwas narrativen Halt zu geben. Der Einsatz von Augmented Reality ist konsequent und adäquat umgesetzt.

Optik rulez

Leider war es das schon mit dem Positiven. Die Serie ist gnadenlos überproduziert. Captain Georgiou und „First“ Michael steigen in einen Fahrstuhl — und irgendwie glaubt der Regisseur so wenig an den Dialog oder an die Fähigkeit der Schauspieler, dass er eine 360-Grad-Kamerafahrt um Michaels Kopf unterbringen muss.

Das ist konsequent: Die Story macht nämlich an keiner Stelle Sinn. Was sehr schade ist, denn sie ist das einzige, worum es geht. Es gibt keinen Raum für eine B-Story. Wir lernen nichts über andere Lebewesen, nichts über die Kultur, was nicht unmittelbar Einfluss auf die Story hat. Es gibt keinen Humor.

Die Dialoge sind nicht gut geschrieben. Ich bin begeistert, wenn in einem Film oder einer Serie Charaktere eingeführt werden und man sofort ein Gefühl für sie bekommt. Hier passiert das nicht. Stattdessen müssen die Charaktere dauernd solche Sätze sprechen wie „Sie dienen schon sieben Jahre unter mir“ – weil der Zuschauer sonst nie auf die Idee kommen könnte, das zwischen den beiden Figuren ein tiefes Vertrauenverhältnis besteht. Alle paar Minuten müssen Rückblenden oder erklärende Szenen eingefügt werden, damit der Zuschauer erfährt, was eigentlich los ist. Die Schauspieler bekommen keine Chance, gegen diese Bedingungen anzuspielen. Sie könnten auch einfach ein Schild hochhalten:“Hallo! Hallo! Ich habe grade einen emotionalen Konflikt!“

Zu viel Schminke

Auch auf technischer Ebene versagt die Serie leider. Die neue Beam-Sequenz soll offenbar mehr „gritty“ und damit authentischer sein. Man sieht förmlich, wie sich die Personen auflösen und in eine bestimmte Richtung bewegen. Eine schöne Lösung, wenn man eine graphic novel produziert. Es gibt sogar einen kleinen Effekt am Boden. Sheldon Cooper würde es freuen, da er beim Beamen nicht mehr durch ein subatomar baugleiches Parallel-Wesen ersetzt wird. Es ergibt jedoch überhaupt keinen Sinn. Beamen funktioniert entweder genau oder gar nicht. Die Darstellung des Warp-Antriebs wurde etwas verbessert. Doch die Story macht das wieder wett: Sowohl bei den Klingonen, als auch bei der Föderation kommen alle Schiffe gleichzeitig an – auch wenn sie ungeplant auf völlig anderen Richtungen kommen. Aus unerfindlichen Gründen scheinen auch keine Shuttles oder Sonden mehr zu existieren.

Dafür dass die Serie mehr als alle Vorgänger auf Special Effects angewiesen ist, sind diese teilweise erstaunlich schlecht umgesetzt. Am Anfang sehen wir eine Zoomfahrt aus einem klingonischen Auge — eine Hommage an die Anfangs-Sequenz von Fight Club. Das Problem: Sie endet bei einem grotesk überschminkten Klingonen. Die sehen nicht nur komplett anders aus, sie haben auch eine komplett neue Kultur verordnet bekommen. Wenn sie einen Feind direkt vor den Augen haben, debattieren sie lieber erst stundenlang herum und palavern, während sich ein Albino — wieder mal: ein Albino! — die Hand verkokelt, obwohl er doch gleich kämpfen soll.

Wie gesagt: Das ist nicht Star Trek. Es ist eine Superhelden-Geschichte. Die Menschheit hat keinen Fortschritt erfahren, den müssen sich die Figuren selbst erobern. Beziehungsweise: Nur die eine Figur.

Es gibt keine Utopien. Nur persönlichen Schmerz.