Ground rules

Ich weiß, es ist nicht leicht. Aber lasst uns ein paar Grundregeln festlegen. OK?

Wir retweeten Donald Trump nicht. Wir sagen nicht „Sad!“ oder „Yuge“. Wir lassen die Trophy Wife-Witze in den 80ern zurück, wo sie hingehören.

Heute hab ich auf Facebook ein Video gesehen, indem jemand ernsthaft die These vertrat, dass Donald Trump nicht lesen kann. Drei Millionen Views! Die Beweisführung: In einer Deposition hat Trump sich lange darum herumgedrückt, einen Text vorzulesen. Ein Darsteller bei Saturday Night Life sagte „He cannot read“. Und… eigentlich war es das auch schon.

Wir wissen, dass Donald Trump lesen kann. Er hat nicht nur eine Elite-Ausbildung, er ist nicht nur ein Geschäftsmann, er ist nicht nur fanatischer Fan der New York Post. Wir haben Briefe von ihm. Er hat Wahlkampfreden vom Teleprompter gehalten. Er hinterlässt handschriftliche Notizen auf Zeitungsartikeln, die er gelesen hat.

Ja, Trump liest keine Bücher. Ja, es spricht viel dafür, dass er die Executive Orders nicht wirklich in ihrem vollen Umfang verstanden hat. Er verachtet Intellektuelle, er verleugnet die Realität, er ist ein Affront für Stil und Geschmack. Aber….

Aber wir sinken nicht auf dieses Niveau. Wir retweeten nicht alles, was uns passt. Wir überlegen vor einem Klick, vor einem Share — wenn auch nur für 10 Sekunden.

Vieles an der Trump-Ära ist absurd. Es schon die „Trump-Ära“ zu nennen, jagt uns mit Recht kalte Schauer den Rücken herunter. Er stellt die Dinge auf den Kopf. Wir haben uns dran gewöhnt, dass der Himmel oben und die Hölle unten ist. Vieles davon ist Glauben, einiges Physik – und nichts davon scheint mehr zu gelten.

Viele argumentieren, dass dies nur ein temporärer Schwebezustand ist. Die Realität, Washington D.C., die grauen Beamten aus dem Finanzamt und der Central Intelligence Agency werden ihn schon niederringen. Nun — zumindest ausbremsen.

Ich bin da nicht so optimistisch. Der Widerstand des Parlaments scheint mir doch sehr verhalten. Und die Tea Party hat uns gelehrt, wie verwundbar Parlamentarier mit Gewissen oder Prinzipien doch sind. Wenn ein gewählter Volksvertreter Trumps Plänen ernsthaften Widerstand entgegensetzt, kann der Präsident seine Unterstützung entziehen. Und er kann einen Ersatz-Kandidaten bestimmen, der dann mit Geld und medialer Aufmerksamkeit überschüttet wird. Wer will nicht gerne beim Spatenstich anwesend sein, der ein paar Tausend Wählern Lohn und Brot verschafft? Und dank des langfristigen konservativen Projekts, die Wahlbezirke umzugestalten, wird Trumps Favorit gewinnen. Zumindest wahrscheinlich.

Es ist völlig OK über Trump zu lachen. Er hat die Haare. Er hat das Ego. Das Guggenheim Museum hat eine goldene Toilette angeschafft. Stellt ihn Euch darauf vor. Und dann steht er auf, zieht sich seinen Morgenmantel über und plötzlich sitzt ihr auf dem Goldenen Pott. Ihr braucht keine VR-Brille. Stellt es Euch einfach vor.

Zurück zu dem Video. Wenn ein Darsteller von Saturday Night Life sagt „He can’t read“, heißt das wahrscheinlich, dass Trump beim Table Read versagt hat. Das heißt: Er konnte das Skript lesen, er hat schlicht die Pointe vermasselt. Das ist nichts besonderes. Kristen Stewart hatte ein ähnliches Problem – und deshalb hat man ihr zwei Cast Member zur Seite gestellt, um sie über den Monolog zu retten.

Wir werden immer wieder davor gewarnt Trump zu normalisieren. Das ist richtig. Aber das heißt im Umkehrschluss auch: Wir müssen aufhören, die Normalität zu trumpisieren.

Wenn Martin Schulz „Make America Great Again“ in „Make Europa great again“ verwandelt, könnt ihr ruhig lachen oder Euch begeistern. Aber vergesst nicht, dass das eine Pose ist, die wir eigentlich verachten.

Wir streben nicht nach der Vergangenheit. Wir wollen nicht die Sicherheit, die daraus resultiert, dass wir uns nicht kümmern, dass Mitmenschen tatsächlich Mitmenschen sind. Wir wollen nicht nur das Gestern auslachen. Wir wollen auch ein Morgen.