Salute to Sam

Automatisch schnellt die Hand von Hauptmann Mumm Sir Samuel Vimes zur unteren Schublade, umschließt den Hals einer Flasche. Ohne sein Großhirn zu bemühen entkorkt Vimes die Flasche, seine Nase kostet den verführerischen Hauch von Jimkin Bearhugger’s Whiskey und in einer fließenden Bewegung wirft sein Arm die Flasche an die Wand. Morgen wird er das Büro nicht betreten können, weil der Geruch des Fusels unerträglich sein wird. Unerträglich zu ertragen und gleichzeitig unerträglich zu widerstehen. Aber Vimes wird sowieso nicht hier sein. Denn er hat einen Termin auf dem Friedhof der Geringen Götter.

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich zum ersten Mal zu einem Buch von Terry Pratchett gegriffen habe. Es war „Das Licht der Fantasie“, die deutsche Version. Und als alter H2G2-Fan fühlte ich mich sofort zu Hause. Ich fand jemand, der die alten, überkommenen Fantasy-Schinken auf die Schippe nahm, der sich nicht zu schade war, auch mal offen albern zu sein. Und ein erstaunliches Talent hatte, nicht auf seinen Witzen auszurutschen.

Fasziniert verfolgte ich, wie da ein Polizeireporter aus England sich anschickte eine Welt zu bauen. Sein Fundament war eine Schildkröte, sein Baumaterial waren Stein und Gold und Klischees. Mit seinem analytischen Verstand hat Pratchett ständig versucht die Welt zu verstehen. Und scheiterte an den Menschen. Kurzerhand griff er sich die Klischees und warf sie an die Wand. Und erkannte verzückt, dass sich da ein Gemälde bildete.

Manche Bücher mochte ich mehr, manche mochte ich weniger. Hohe Literatur war sicher keins von ihnen, aber Pratchett schaffte es seinen Figuren eine Menschlichkeit zu geben, die viele vermeintlich ernsthaftere Autoren vermissen lassen. So wie der scheinbar simple Carrot Ironfoundersson in jedem Band unvermutete Tiefen zeigt, bekommen alle Charaktere immer mal wieder neue Seiten. Mit kleinen Ausnahmen. Colon ist immer fett und langsam, der Butler Willikins wird zwischenzeitlich durch einen geläuterten Psychopathen ausgetauscht. Aber insgesamt bewahrte Pratchett eine erstaunliche Konsistenz für diese Welt im Turbo-Durchgang. In einem Band wird die Presse erfunden, im nächsten eine Proto-Version des Internets. Samt seiner Nerds.

So wie Terry Pratchett seine Fantasiewelt erschaffen hatte, hat er auch sein eigenes Leben kontrolliert. Wut war seine innere Triebfeder, aber auch Neugierde, Verständnis und ein gutes Stück Albernheit. Er ließ sich ein Oberservatorium auf sein Grundstück bauen und trug zu PR-Terminen schwarze Kleidung und alberne Hüte. Ridcullyous. Seine Tiefen wollte er uns nicht zeigen. Als sich die Nicht-Scheibenwelt unerträglich aufdrängte, ging er in die Offensive und ließ uns teilhaben an seiner Krankheit.

Was bleibt? Nein, seine Scheibenwelt wird nicht sterben — auch wenn ich wohl keines der Nachfolger-Bücher anfassen werde. Was bleibt, ist es einen Meister des Klischees zu ehren.

„KNOCK KNOCK!“
„Who’s there?“
„DEATH!“
„Death who?“
„DEATH YOU, TERRY!“

Rest in peace. Or don’t. If you like.