Die Abschaffung der Netzneutralität lohnt sich nicht

Jetzt wo das Leistungsschutzrecht gekentert ist, sollte die Realität den Providern und den Regulierern schnell ein Telegramm schicken: Die Abschaffung der Netzneutralität wird kaum Geld einbringen. Sicher: Ein paar Millionen von Netflix und anderen sind drin. Mehr jedoch auf Dauer nicht. Und wie viel Geld wird benötigt, um den notwendigen Netzaufbau zu finanzieren? Mehr als nur ein paar Milliarden.

Ähnliches dachte ich auch zum Leistungsschutzrecht und habe weitgehend geschwiegen. Weil: Ich dachte, dass die Verlage, diese Jahrzehnte alten, mit allen Wassern der Betriebswirtschaft gewaschenen Konzerne schon wissen, was sie tun. Und dass sie etwas in der Hinterhand haben, was ich nicht sehe, weil ich zwar Volkswirt, aber nicht Betriebswirt bin und keinen Einblick in die internen Unterlagen habe. Ich hatte unrecht zu schweigen, weil ich recht hatte. Das Leistungsschutzrecht lohnt sich nicht, verpufft im Nichts. Ebenso wie die hehren Pläne zur Abschaffung der Netzneutralität verpuffen werden.

Goldmedaille im Adblocken

Auch die Politik sollte das zur Kenntnis nehmen: Wenn man den Providern Regulierungsferien gibt und sie in Sachen Netzneutralität tun dürfen, was immer sie wollen — Google wird nicht für den Breitbandausbau Deutschlands zahlen. Wir mögen zwar eine große stolze Industrienation sein, aber wir sind ebenfalls einer der Marktführer von Adblockern. Wie viel Prozent seines Quartalsgewinns von 2,81 Milliarden US-Dollar soll Google nach Deutschland transferieren für die Ehre so viel weniger Leute zu erreichen als in Amerika, Indien, China? Zehn Prozent? Träumt weiter. Und wären es zehn Prozent, bräuchten wir immer noch 100 Jahre den Netzausbau zu finanzieren, den andere Länder heute schon haben.

Doch wie gesagt — es wird nicht mal die 10 Prozent geben. Ein Grund dafür ist das Kartellrecht, das die Verlage so vergeblich anriefen, und das auch immer mitschwingt, wenn von den Milliardenkonzernen im Silicon Valley die Rede ist. Denn das Kartellrecht ist ein zweiseitiges Schwert. Fast jeder Provider baut hierzulande seine eigene Videoverteilplattform auf. Andere Videoverteilplattformen abzukassieren ist damit zwar nicht ganz unmöglich, aber es besteht Erklärungsbedarf. Man kann Netflix nicht 10 Euro pro Gigabyte in Rechnung stellen, wenn der eigene Videodienst pro Gigabyte nur 10 Cent einbringt.

Indifferente Preisdifferenzierung

Die Tarife nach dem Muster „zahle 10 Euro mehr um Facebook zu empfangen“, die Netzneutralitätsbefürworter seit Jahren an die Wand malen, werden nicht kommen. Die Telekom wusste meiner Meinung nach ganz genau, warum sie eben den Umweg über eine Trafficbegrenzung suchte, die eben nicht nach Diensten differenziert. Ein Tarif, der Facebook, Google, Apple blockiert, würde weder von den Kunden, noch von den Regulierern geduldet. Nicht erst TTIP würde eine solch schamlose Ungleichbehandlung verhindern. Die Telekom wusste allerdings nicht genug, um sich diese erste enorme Blamage samt Rolle rückwärts zu ersparen. Wie viele werden noch folgen?

Sehen wir der Realität ins Gericht: Wenn mehr Geld reinkommen muss, um den Netzausbau zu finanzieren, dann werden wir Kunden zahlen müssen — entweder über die monatliche Rechnung oder über Steuergelder. Die Frage ist: Kaufen wir Infrastruktur oder ein monatliches Bundesliga-Online-Abo mit Spotify-Anbindung. Das auch in fünf Jahren jeden Monat extra kosten wird.