Stellt echte Fragen und gebt echte Antworten

Das derzeitige Diskursklima gefällt mir nicht. Wenn Kommunikation Gräben aufwirft statt zu verbinden, wenn Leute mehr übereinander reden statt miteinander, dann ist dies nicht gut. Binsenweisheiten.

Doch was kann man dagegen tun? Das einzige Gegenmittel, das mir einfällt: Mehr lohnende Diskurse führen. Doch wie macht man das? Ein paar Ratschläge, die auch ich mehr beherzigen will.

  • Stell echte Fragen, nicht nur rhetorische. Du magst noch so viel zum Thema wissen — alles weißt Du nicht.
  • Im Gegenzug: Beantworte echte Fragen. Je überflüssiger Dir eine Frage vorkommt, um so einfacher solltest Du sie beantworten können. Kannst Du es nicht, war die Frage wohl nicht so dumm.
  • Lies, bevor Du schreibst. Im Zweifel hat schon jemand Deinen Punkt gemacht und Du kannst bei ihm noch einen Fakt beitragen.
  • Du kannst nur mit Leuten diskutieren, denen Du Respekt entgegenbringst. Wenn Du das nicht kannst, diskutiere nicht. Selbst wenn Du in der Sache noch so recht haben magst, mit Beleidigungen setzt Du dich nur selbst ins Unrecht.
  • Sei nicht faul. Viele Fragen lassen sich in Minuten klären, Links zu Deinen Faktenbehauptungen sind im Internet kein Luxus.
  • Deine Meinung ist Deine Meinung, schreib das auch ruhig dazu. „Ich bin der Überzeugung, dass“, „Ich glaube“, „IMO“ und so viele andere Formulierungen helfen Dir dabei und können Missverständnisse vermeiden.
  • Konzentriere Dich nicht alleine auf die Fehler anderer. Wenn jemand einen langen Beitrag mit Richtigem geschrieben hat, rede nicht alleine über den einen Fehler, den Du siehst.
  • Ein gereizter Tonfall gebiert weitere gereizte Tonfälle. Geht eine Runde um den Block, sieh Dir einen guten Film an, rede mit Freunden. Die Diskussion rennt nicht weg. Und wenn doch — was soll’s?
  • Meta ist Schmeta. Halte Diskussionen über Art und Form der Diskussion auf einem Minimum.
  • Wenn Du Dich zuerst fragst, welchem Lager Du einen Mitdiskutanten zuordnen musst, tritt einen Schritt zurück. Jemand kann ein Argument haben und dennoch zu einer anderen Grundüberzeugung als Du gekommen sein.
  • Beachte das Umfeld. Ironie und Analogien sind nicht unbegrenzt übertragbar. Erst recht nicht, wenn man Dich nicht kennt.
  • Vergiss den Spaß nicht. Ein Forum ist kein Doktoranden-Seminar. Und wer austeilt, sollte auch einstecken können.
  • Es gibt einen richtigen Zeitpunkt, um eine Diskussion zu verlassen. Es ist meist nicht der, wenn Du das letzte Wort hast.

De-Mail? Nennt es doch einfach E-Fax!

Viel Häme wird über De-Mail vergossen. Nicht nur weil das Projekt so viel länger gebraucht hat, als es sollte — im Vergleich zur E-Mail ist es lächerlich unterlegen: Man kann keine De-Mail an normale E-Mail-Accounts schicken und umgekehrt. Man muss pro Nachricht zahlen, was selbst bei SMS nicht mehr zu den Gepflogenheiten gehört. Es ist so deutsch, dass ich damit nicht Mal mit Österreichern oder Niederländern kommunizieren kann, trotzdem ist der Name Dänglisch. (Oder De-inglish? Egal!) Und die Sicherheit: Ich verschlüssele meine De-Mail, der Betreiber will aber trotzdem reingucken? Nein, danke. Hinzu kommen noch die rechtlichen Konsequenzen, dass De-Mails als zugestellt und gelesen gelten, selbst wenn man nach Monaten des Nichtgebrauchs das Postfach einfach vergessen hat.

Doch die Konkurrenz zur De-Mail ist nicht die E-Mail. Es ist das Fax. Aus rein historischen Gründen sind Unterschriften beim Fax rechtssicher. Dabei ist die technische Sicherheit eines Faxes nicht höher ist als die eines Wachsmalstiftes auf einer Tapete. Findet man das in der Wohnung zu Hause, geht man einfach davon aus, dass der dreijährige Sohn dahinter steckt, obwohl der korrespondierende Elternteil oder ein Einbrecher ebenfalls künstlerisch tätig geworden sein könnte. Man nimmt einfach an, niemand würde Faxe unter falschem Namen verschicken oder in anderem Namen unterschreiben. Damit kann De-Mail nun wirklich konkurrieren!

Deshalb meine Empfehlung an Telekom, 1&1 und Co: Nennt es nicht De-Mail. Nennt es E-Fax. Und statt PlugIns für Outlook verkauft ihr Umrüstsets für das gute alte Faxgerät, das dann endlich auf digitalem Wege die Versicherungspost auf Thermopapier ausdrucken kann. Mit Wachsmalstift.

Pharmakologische Sensation: Homöpathie wirkt

Forscher sind erstaunt: In ausgiebigen Tests wurde das homöopathische Schlafmittel Esculapius Schnarchus eine bisher unbekannte Wirksamkeit nachgewiesen. Selbst Patienten, die über Monate nicht mehr als ein, zwei Stunden am Stück geschlafen haben, verfielen in einen tiefen Schlaf von mindestens acht Stunden.

Doch die Schulmedizin-Lobby weigert sich diese erstaunlichen Erfolge anzuerkennen. „Hier handelt es sich wie üblich um eine gehörige Mogelpackung“, erklärt Professor Dr Dr Dr Edgar Wiepenpiepen. Der Hersteller des Präparats liefere die Globuli in einer extrem großen Packung und fordere die Käufer auf, den Beipackzettel genau zu lesen, der entfaltet nicht weniger als fünf Quadratmeter messe. „Doch statt Risiken und Nebenwirkungen aufzulisten, enthält der Zettel eine ausführliche Beschreibung der Auseinandersetzungen über die Zukunft des Feuilletons und ein Kapitel eines Schwedenkrimis.“, erklärt Wiepenpiepen. „Da kann doch niemand mehr als 20 Zeilen lang die Augen aufhalten.“

Der Hersteller von Esculapius Schnarchus, der niedersächsische Mittelständler Knippknapp Supermittel, weist die Kritik zurück. „Dass unsere Globuli wirken, noch bevor sie der Kunde zu sich genommen hat, beweist nur die enorme Wirksamkeit unserer Mittel“, sagt Firmegründer Knippknapp. Seine Forschungsabteilung arbeite an weiteren Verdünnungstechniken, bei denen die Schlaf-Pillen im Nachbarraum verbleiben können, während dem Patienten das Abendprogramm von Sat1 im Fernsehen vorgespielt wird.

Freiheit von Versammlungen

Würde die Fußballbundesliga heutzutage erfunden, würde sie niemals die Genehmigung bekommen, wöchentlich Zehntausende Anonymer einzuladen. Guckt das Spiel auf Sky. In ordentlich registrierten Sky-Partner-Gaststätten mit Einlasskontrolle.

Industrie- und Branchen-Messen? Tausende Menschen, die verdächtige Maschinen begutachten. Nein, nein. Zu gefährlich!

Wallfahrten? Religiöse Fundamentalisten. Und zu wenige Toiletten.

Karneval? Schließt die Autobahnen. Und die Unmoral! Und zu wenige Toiletten.

Papstaudienz? Bitte einer nach dem anderen. Melden Sie sich bitte 40 Jahre vorher an.

Parteitage? Konspiration zur Machtübernahme!

Versammlungsfreiheit? Freiheit von Versammlungen!

Sommerloch geht immer

Ich bin wirklich beeindruckt. Trotz politischer Dauerkrise in Europa, Sicherheitsbehörden, Bundestag und -regierung, trotz Naturkatastrophen, Syrien, iranischen Viren, trotz Steuer-CDs, Amokläufen und dem kapitalistischen Gesellschaftssystem in Flammen, trotz alledem haben wir immer noch Zeit für das Sommerloch.

Wir suchen Geschichten hinter „shitstorms“ — und selbst wenn wir sie nicht finden, drucken wir sie ab und debattieren sie erregt. Wir erregen uns, wenn jemand in einer Talkshow etwas sagt, statt nur zu sprechen. Und die großen politischen Skandale sind Sitzordnungen und Sommerfeste.

Ach ja: Die trivialste Story im Sommerloch sind Beschwerden über das Sommerloch.