Gehört BILD zum Weltwissen?

Philipp Birken fragt:

Ist Wikipedia was den Umgang mit aktuellen Themen und insbesondere lebenden Personen angeht eher FAZ, als eine Institution dessen, was sich Qualitätsjournalismus nennt? Oder eher BILD?

Die Antwort ist für Phillip Birken klar: die unsägliche Berichterstattung um Kachelmanns Sexualleben gehört nicht in die Online-Enzyklopädie, ebensowenig Lebensläufe, die aus Google-Schnippseln zusammengesetzt wurden und daher im besten Fall ein grob verzerrtes Bild einer Person wiedergeben.

Wichtige Aspekte, die via Google nicht so einfach zu finden sind, werden nicht erwähnt. Die Inkludisten bei Wikipedia sagen nun: Das wird sich mit der Zeit schon bessern, irgendwann kommt jemand, der weiß mehr. Nur: Die Erfahrung zeigt, das passiert nicht, bis dann irgendwann Y den Artikel findet und sich zu Recht beschwert.

Das ist natürlich ein gewisser Widerspruch zu der Alles-wird-schon-irgendwie-klappen-Haltung, die Jimmy Wales besonders in den Anfangsjahren gezeigt hat. Lasst den Leuten ihre Steakmesser, sie werden schon keinen Unsinn damit treiben. Doch als eine der meist abgerufenenen Webseiten der Welt ist Wikipedia kein Steakhaus, in dem erwachsene Menschen ein gepflegtes Mahl einnehmen. Eher ein Kindergarten, in dem rostige Messer das einzige Spielzeug sind. Oder das Zelt eines Messerwerfers, der mit verbundenen Augen den tödlichen Stahl auf eine rotierende Zielscheibe wirft. Und der manchmal sein Ziel verfehlt, da auf der Scheibe nicht nur seine ewig gleich proportionierte Assistentin angeschnallt ist, sondern Menschen von unterschiedlichstem Gewicht und Statur. (Genug der Metaphern.)

Als Konsequenz fordert Philipp eine Überarbeitung der Relevanzkriterien vor:

Was tun? Ich schlage vor, dass die bestehenden Relevanzkriterien mit zwei wesentlichen anderen Richtlinien in Wikipedia abgeglichen werden: Dem Neutralen Standpunkt und der zu Artikeln über lebende Personen. Kurz gesagt kann ein qualitativ guter und ethisch vertretbarer Wikipediaartikel über eine lebende Person nur dann geschrieben werden, wenn ausreichend neutrale Quellen zur Person vorhanden sind. Ist dies bei der Personengruppe, um die es sich in dem Relevanzkriterium dreht, nicht der Fall, wird das Relevanzkriterium entsprechend verschärft.

Wenn man das weiter denkt, müsste man eigentlich auf die Relevanzkriterien verzichten können. Letztlich ist kann die Frage nicht sein, ob ein Thema einen Artikel „verdient“, sondern nur ob ein Artikel gut gelingen wird.

Problematisch wird auf Dauer der Umgang mit Quellen. Philipp fordert ein Verbot, „Bild“ als Quelle zu verwenden und prognostiziert eiunen Niedergang von Qualitätsblättern wie der FAZ. Damit läuft Wikipedia auf ein Paradoxon zu: wie kann die Enzyklopädie besser sein als seine Quellen, wenn alles in der Wikipedia eben durch diese Quellen belegt werden muss? Wäre Wikipedia dann eine Sammlung von „Weltwissen“ oder eher eine zusammengestrichene Version der Medienrealität mit ein paar akademischen Einsprengseln?

Spannend ist noch ein Punkt, den Phillipp anspricht:

Die Wikimedia Foundation hat das Problem auf dem Schirm, so gibt es beispielsweise eine eigene Policy für Biographien lebender Personen und gerade eben hat sie eine Policy für den Umgang mit Photos lebender Personen verabschiedet. Nur bedeuten diese immer nur, dass die Communities in den Einzelprojekten angehalten sind, diese auch zu befolgen, nicht dass die Foundation diese durchsetzen würde.

Der Gedanke ist: Die Community wird es schon richten. Und wenn die Community es nicht richtet, kann die Wikimedia Foundation als äußerste Maßnahme den Stecker ziehen und eine Sprachversion eines Projektes abschalten.

Wasserdicht

Gestern ging folgender Satz durch die Medien — ich hab ihn in der Tagesschau gehört und er steht auch in einer dpa-Meldung:

Die Energiekonzerne zweifeln, ob die geplante stufenweise Abschaltung der neun verbleibenden Kernkraftwerke juristisch wasserdicht ist.

Eine andere Meldung des Tages:

Doch es passt ins Bild, dass die Strahlengefahr im Keller lauert. Dort haben sich inzwischen 105.000 Tonnen hochradioaktiven Wassers gesammelt, das seit Wochen zur Kühlung in die Gebäude gepumpt wird. Die strahlende Brühe droht nun aus den Kellern der geborstenen Gebäude überzulaufen und wieder einmal in den Pazifik zu gelangen.

Ich weiß, die Verknüpfung dieser beiden Meldungen anhand der blumigen Wortwahl von Journalisten ist kein Argument, es gibt hier keine logische Verknüpfung. Nennen wir es trotzdem einen Denkanstoß.