Unternehmerjournalismus

Immer wieder höre ich Appelle, dass Journalisten sich doch immer mehr als Unternehmer begreifen sollten. Zum einen ist das eine Selbstverständlichkeit: weite Teile der Arbeit in Medien wird von „Freien“ gemacht, die sehen müssen, dass sie Aufträge bekommen und Themen besetzen. Also: ich bin schon Unternehmer. Was sollen also die nicht enden wollenden Appelle?

Mein Unbehagen an der Sache beschreibt Hans Leyendecker in einem Artikel über eine Studie, die sich mit der „Bild“ beschäftigt.

Was immer Bild treibe, schreiben Arlt und Storz, diene „primär der Selbstdarstellung des Blattes und nur als Nebenfolge der Informationsvermittlung“. Was an Bild Journalismus sei, habe „eine dienende Funktion, nicht für das Publikum, sondern für die Marke Bild“. Das Massenmedium tritt demnach hauptsächlich als Öffentlichkeitsarbeiter für seine eigene vermeintliche Wichtigkeit auf – um Geschäfte zu machen. An Bild gehe kein Weg vorbei, ist die gewünschte Botschaft. Auch für Unternehmen.
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Nach den Feststellungen der Autoren „dramatisierte, moralisierte, emotionalisierte, personalisierte“ Bild nimmermüde das Thema. Rund zwanzig Sätze mit durchschnittlich 220 Worten habe ein durchschnittlicher Bild-Bericht, lernt der Leser der Studie. Na und? Weit interessanter als diese Zählerei ist die These von Arlt und Storz, die Griechenland-Kampagne sei weniger eine misslungene politische Mission gewesen als ein „Instrument des Reputations- und Markenmanagements“: Bild habe sich als Wächter der vermeintlichen Interessen des deutschen Steuerzahlers geriert. Ein politischer Erfolg der Griechenland-Kampagne sei aber von Anfang an zweitrangig gewesen.

„Bild“ ist ein erfolgreiches Unternehmen. Wenn ich also mehr Unternehmer sein soll, soll ich vielleicht mehr wie die Boulevardzeitung sein? Bedeutet mehr Unternehmer zu sein nicht auch, dass ich etwas weniger Journalist sein sollte? Recherchen kostenoptimieren. Skandale schüren, so lange sie Leser bringen? Provokante Thesen suchen — nicht weil ich an sie glaube, sondern weil sie meinen Namen nach oben bringen? Querfinanzierungen suchen, meine Expertise in Beraterverträge und Nebenjobs ummünzen?

Ja: Unternehmertum bedeutet auch Freiheit, Mut zur Kreativität, neue Wege ausprobieren. Geschichten schreiben, die in den alten Verlagsstrukturen keinen Platz hatten. Aber die Verlockungen sind groß, den falschen Weg zu nehmen.

Quellennachweis, nachgeholt

Aus der Bönningheimer Zeitung Online:

In der Meldung „Gangolf Stocker gibt Amt auf“ vom 29. März vermisst der Fotograf Michael Beckenkamp in Freiberg bei Stuttgart unter dem Bild Stockers einen Hinweis auf seine Urheberschaft. Beckenkamp gibt an, das Foto am 16. Oktober 2010 bei Wikipedia hochgeladen zu haben. Er kann nicht ausschließen, dass uns das Bild über Stocker selbst erreicht hat, weil er, Beckenkamp, es diesem schenkte, gleichwohl: Wir holen hier den Hinweis nach. Unterm Bild hätte die Quellenangabe „Foto: Mussklprozz/ Wikipedia“ stehen müssen. Mussklprozz schreibt sich wirklich so.