Zukunftsplanung mit Ulfkotte

Wer ist Deutschlands führender Autor im Bereich „Städtebau & Stadtplanung“? Nun – laut Amazon ist es Udo Ulfkotte:

Autor und Leser sind aber augenscheinlich nicht an architektonische Debatten oder kommunaler Verwaltung interessiert. So schaltet Ulfkottes Verlag – der auch andere prominente und ähnlich rational argumentierende Autoren publiziert – offenbar auch Anzeigen bei Google:

Endlich Wut! Endlich Bürgerkrieg! Endlich!

s—

Das Wall Street Journal berichtet, dass bei Goldman Sachs neue Nüchternheit einkehren soll: E-Mails und Instant-Messenger-Nachrichten werden in Zukunft nach bösen Schimpfwörtern durchsucht. Hintergrund: die Großbank geriet in schlechtes Licht, weil ein Angestellter in E-Mails recht deutlich schrieb, was er seinen Kunden da verkaufte.

Die WSJ beschreibt es so:

That means all 34,000 traders, investment bankers and other Goldman employees must restrain themselves from using a vast vocabulary of oft-used dirty words on Wall Street, including the six-letter expletive that came back to haunt the company at a Senate hearing in April. „[B]oy, that timberwo[l]f was one s— deal,“ Thomas Montag, who helped run Goldman’s securities business, wrote in a June 2007 email that was repeatedly referred to at the hearing.

Ja, auch das Wall Street Journal wagt es nicht, das böse Wort auszuschreiben. Stattdessen steht dort „s—“. Eine einfache Google-Abfrage zeigt: das verpönte Wort heißt „shitty“. Das Wall Street Journal wagt es nicht, seinem in der Regel sehr erwachsenen Publikum diese sechs Buchstaben zu nennen.

Wo die Schwelle beim WSJ liegt zeigt sich ein paar Absätze später:

The new edict—delivered verbally, of course—has left some employees wondering if the rule also applies to shorthand for expletives such as „WTF“ or legitimate terms that sound similar to curses.

Abkürzungen sind erlaubt. Obwohl jeder weiß, dass da ein „fuck“ steht, steht es ja eben doch nicht da. WTF? Ach nein: O tempora, o mores. Wenn die Verschämtheit so groß ist, ist die Lust an Informationen, der Respekt vor der Intelligenz der Leser eben sehr klein.

Die von mir sehr geschätzte Sendung Planet Money begibt sich übrigens auf die Suche nach Ersatzbegriffen.

Durchsage der Humor-Polizei

Witze über Kachelmanns Haftentlassung und das Wetter sind ab sofort zu unterlassen.

Verstöße werden mit nicht weniger als drei Stunden Elton bestraft.

Poetry Slams funktionieren einfach nicht

Poetry Slams boomen seit Jahren. Erst Geheimtipps unter Studenten, dann „Open Mic“-Abende, dann Kulturfestivals mit den supergenialtollsten Slammern. Aber geben wir uns keinen Illusionen hin: Poetry Slams funktionieren einfach nicht.

  • Zum einen ist diese Kunst total unterfinanziert. Was gibt es bei einem Slam schon zu gewinnen? 50 Euro? Eine Fußmassage vom Gastgeber? Wer slammen will, braucht einen anderen Beruf. Wie soll sich eine Kunst so etablieren? Der kleine Call-Center-Chor geht auf Tournee und schläft auf Sofas und durchgelegenen Gästebetten. Nein, das klappt einfach nicht. Nicht auf Dauer.
  • Zum zweiten: Slammer sind die Twitterer unter den Literaten. Fünf Minuten Perfomance sind eigentlich noch weniger als 140 Zeichen Textbotschaft. Was kann man da schon machen? Eine Pointe drei Mal wiederholen? Mit ein und dem selben Wortwitz so lange punkten, bis einen der Gong erlöst? Hurz! Hahaha, der nächste Komiker. Das ganze ist so flüchtig, dass die Zuhörer zu Ende des Applauses nicht mehr wissen, wofür sie eigentlich klatschen! Das ist doch keine Literatur!
  • Zum dritten: Die Schwelle ist viel zu hoch. Ja, es trauen sich noch ab und zu Anfänger auf die Bühne, zittern ungestüm und werden in der Vorrunde vom Platz gefegt. Sie kommen, um sich Selbstbestätigung zu holen und dann fegt ein Sebastian23 oder andere angereiste Slammer-Prominenz sie von der Bühne. Die leisen Töne gewinnen nie!

Und deswegen spielt es – in großem Maßstab betrachtet – auch keine Rolle, dass der Reim in Flammen gestern abend wieder durch und durch gelungen ist, dass eine Newcomerin mit leisen Tönen gewonnen hat und dass die Veranstalter sich schon wieder Gedanken um einen größeren Veranstaltungsraum machen müssen. Wenn alle kapieren, dass Poetry Slams nicht funktionieren können, wird es schon wieder ruhiger werden.

Und ich sitze in der ersten Reihe.

Charm and disarm

Transkript des Press Briefings vom 22. Juli 2010:

MR. GIBBS: Mr. Feller.

Q Thanks, Robert. A few questions following up on Shirley Sherrod. Just a point of order, in the statement —

MR. GIBBS: Point of order?

Q Point of order.

MR. GIBBS: Okay. (Laughter.) Is there a parliamentarian for Ben’s point of order?

Q I cede my time to the gentleman from the Associated Press. (Laughter.)

Q The statement says —

MR. GIBBS: If there are no objections — go ahead, I’m sorry.

Q Thank you. The President expressed to Ms. Sherrod his regret. Is it accurate to say that he apologized, personally apologized?

MR. GIBBS: Yes, yes.

Q Okay. Thank you, the point of order.

MR. GIBBS: Reclaiming your time?

Q Reclaiming the time. Did he lobby for her to take her job back —

MR. GIBBS: No.

The West Wing, Staffel 6, „The Hubbert Peak“:

TOBY: Are you trying to get fired?

ANNABETH: I’m trying to help you. That Mencken line this morning was funny. No one laughed ‚cause you
flung it at them.

TOBY: Briefing the press isn’t a seduction, it’s war.

ANNABETH: What C.J. did for seven years wasn’t combat. It was charm and disarm.

TOBY: Just draft the release.

ANNABETH: Smart and funny. Seduce them. Worked on your wife.

TOBY: We’re divorced.

ANNABETH: Living with you’s a whole nother ballgame. I get that already.

In den Rausch geklickt

Irgendwo habe ich heute gelesen, dass sie nach Duisburg gefahren sind, um sich „in einen Rausch“ zu tanzen.

Stattdessen sitzen wir berauscht vor unseren Bildschirmen. Noch eine Liveübertragung. Noch ein Newsticker. Twittert jemand von vor Ort? Wir lesen empörte Tweets. Wir lesen empörende Tweets und twittern darüber. Twitpics. Facebook-Nachrichten. Youtube-Videos. Jedes ein Baustein in dem Puzzle, das wir zusammensetzen, das wir zusammensetzen müssen. Was hat der Krisenstab gesagt? Klick. Was stand vor drei Tagen auf DerWesten? Klick. Beschwerden beim Presserat? Klick.

Klick. Klick. Klick.

18 Menschen sind tot. Die Musik ist erloschen und ich mach nun auch den Bildschirm aus.

De-Fax

De-Mail ist die Antwort auf die Frage: Wieso sind wir in Deutschland heute immer noch im Fax-Zeitalter? Warum gilt eine pixelige Unterschrift in Schwarz-Weiß als rechtsverbindlich, wenn sie über einen durchweg manipulierbaren Kommunikationsweg übertragen wird? Warum soll ich 24 Stunden am Tag einen Stromfresser betreiben, weil mir vielleicht zwei Mal im Jahr jemand ein Fax schickt?

Die typisch deutsche Antwort: wenn wir elektronische Kommunikation auch etwas unbequemer machen, dann darf auch E-Mail rechtsverbindlich sein. Also: keine normalen Mailprogramme mehr, es muss Geld kosten und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen die Sehnsucht nach dem guten alten Thermo-Papier wieder erwecken. Sicherheit ist nicht zentral, die Unbequemlichkeit ist offenbar das Haupt-Kriterium.

In Wahrheit ist das Fax den deutschen Regulatoren und Gesetzgebern wohl einfach nur durchgerutscht – vielleicht wollte man auch der Telekom in jungen Jahren noch etwas mehr Anschub in die schöne neue Welt von BTX und ISDN verschaffen? Ich weiß es nicht. Würde man die angeblich so notwendigen Regularien von De-Mail, bzw dem Vorläufer-Service E-Postbrief auf das Fax zurückportieren, müsste das wohl so aussehen:

  • Nur staatlich zertifizierte Hersteller dürfen Faxgeräte vertreiben. Das sorgt für eine enorme Markttransparenz, weil sich eh nicht mehr als drei bis vier Konzerne und Konsortien die Zertifizierung antun werden.
  • Statt dem Empfänger direkt zu faxen, sendet man alle Faxe zuerst an die staatlich zertifizierte Fax-Zentrale, die kostengünstig privat betrieben wird. Dort wird das Fax wie gewohnt ausgedruckt und danach an den Empfänger weiter geschickt.
  • Jeder Fax-Käufer muss sich mit Ausweis identifizieren, wenn er das Gerät in Betrieb nehmen will. Vorher klappt das Gerät nicht.
  • Vor jedem Fax-Versand muss eine TAN angefordert werden.
  • Faxe werden separat abgerechnet: Du magst eine Telefonflatrate haben, aber für jedes Fax zahlst Du extra. Und zwar nicht die billigen Telefonübertragungskosten, sondern das Snail-Mail-Porto. Mindestens. Wegen der Authentizität.

Lasst es uns so machen.

Auf zur Merk-Befreiung

Die bayerischen Justizministerin Beate Merk will verrohte Videos aus dem Internet löschen, sperren, verbieten – kurzum: die Gesellschaft von dem Schund befreien. Wer könnte etwas gegen diesen Vorstoß der Vernunft einwenden?

Ich hab auch schon den passenden Namen für das Gesetz: die Merk-Befreiung.