Grassroot-Sternstunden

Wenn man auf das Volk hören würde, wäre alle so klar. Keine Wahlcomputer! Keine Nacktscanner. Und kein Hausarrest für Tess Chapin.

So berichtet die NYTimes:

On Monday, the official start of what Tess calls her “groundation,” she circulated a petition during sixth period and after school at Millennium High School in Lower Manhattan, where she is a sophomore. At a friend’s suggestion, once she got home, Tess put the petition online by starting the Facebook group, which she categorized under Organizations: Advocacy. The group promptly took off, proving that no adolescent experience, in the age of social networking, is too small to start a movement.[…]Tess originally invited around 1,000 people to join her group, and by Tuesday, 500 of them or their friends had signed up. By Friday morning, the number had surpassed 800, and Tess said that she recognized only about 35 percent of the names. “Have never met u but I pledge to make a statement so I hope this works,” wrote a young New Yorker named Ethan Bloom, in a typical sentiment of support displayed on the Facebook group’s wall, a public space for messages.

Ihre Eltern halten jedoch dem öffentlichen druck stand. Anders das Weiße Haus, das sich trotz der offensiven Offenheit von Change.gov den legitimsten Anliegen widersetzt, sie sogar verschweigt:

In similar fashion thousands of letters, faxes and emails to the President Elect and the President since November 4, 2008 demanding Barack Obama end the truth embargo and call for congressional hearings on the UFO/ET issue have not been acknowledged by the White House – no response. Furthermore, the Citizen’s Briefing Book generated during the transition by the Change.gov website was stripped of all UFO/ET related input to the Book prior to submission to the President. This is not acceptable.

Und damit die Politiker eine Lehre ziehen, haben die UFOlogen eine neue Gruppe gefunden, die mit Petitionen eindecken können:

Paradigm Research Group (PRG) announced today a renewed international effort to convince Barack Obama to end a 62-year truth embargo preventing formal government acknowledgement of an extraterrestrial presence engaging the human race. Also renewed is pressure on the White House press corps to start asking appropriate questions and demand appropriate answers about connections between key members of the Democratic Party – Hillary Clinton, Bill Clinton, John Podesta, Leon Panetta and Bill Richardson – and the UFO/ET issue

Die Initiative heißt übrigens: A Million Fax on Washington, was die Wichtigkeit des Anliegens unterstreicht: wer heute noch ein Fax nutzt, kommt eindeutig aus einer anderen Galaxie.

Veränderungen an Wikipedia-Artikeln verfolgen

Dpa-infocom verbreitet zur Zeit einen tollen Tipp zu Wikipedia:

Wer im Detail verfolgen möchte, was sich wann bei strittigen oder aktuellen Artikeln tut, kann einzelne Beiträge überwachen lassen. Das ist zwar nur angemeldeten Wikipedia-Nutzern möglich, doch dazu hat jeder die Möglichkeit.

Das ist nicht ganz richtig. Auch unangemeldete Nutzer können Veränderungen verfolgen – einfach die Versionsgeschichte eines Artikels aufrufen und den RSS-Feed abonnieren. Das klappt auch bei Spezialseiten wie „Änderungen an verlinkten Seiten“. In Verbindung mit Portalseiten kann man so einfach ein ganzes Themengebiet verfolgen ohne sich anmelden oder ständig Wikipedia-Seiten aufrufen zu müssen – das Ganze landet übersichtlich im eigenen Feedreader. Nachteil: Ab und an verschluckt sich Wikipedia und alte Änderungen werden als neu angezeigt.

PS: Heute wird Wikipedia neun Jahre alt.

Netzneutralität ist nicht einfach

Tillmann Neuscheler hat sich für die FAZ die Mühe gemacht, das komplexe Thema „Netzneutralität“ anzugehen. Dabei ist er relativ stringent vorgegangen, hat sich nicht von den üblichen Klischees der internetverstopfenden Filesharer leiten lassen und sogar Fachleute befragt.

Ökonomen warnen davor, eine solche Priorisierung im Internet einfach gesetzlich zu verbieten. Bei vielen Anwendungen mache es kaum etwas aus, wenn die Daten leicht verzögert am Ziel ankämen. Etwa bei E-Mails oder beim Runterladen von großen Dateien über Nacht. Andere Anwendungen dagegen seien sehr zeitsensibel – etwa die Internet-Telefonie oder Video-Konferenzen über das Internet. Die unterschiedliche Zeitsensibilität müsse beachtet werden.

Da ich selbst Volkswirt bin, ein paar nicht ganz unwesentliche Anmerkungen:

  • Das Internet ist nur so groß geworden, weil es die einzige Technik ohne aufwändige Abrechnungsmechanismen war. Paketvermittelte Datenverbindungen gab es auch vorher – wäre das alleinige der Erfolgsfaktor gewesen, dann würden wir heute mit 64kBit und Datex-P surfen. Naja: eher paddeln. Und die Bundesnetzagentur würde Skype vielleicht im Jahr 2015 probeweise für 1000 Haushalte in Berlin-Wilmersdorf zulassen.
  • Priorisierte Pakete in Deutschland mögen in der Theorie schön und gut sein – was macht man aber, wenn die Gegenstelle in den USA oder Neuseeland nichts davon hält? Eine explizite Aufhebung der Netzneutralität würde unmittelbar zu Marktschranken und damit Wohlfahrtsverlusten führen – die Verwaltung dieser komplexen Verträge, die jeder Provider mit quasi jedem anderen Provider weltweit abschließen müsste, übersteigen die mittelfristig zu erwartenden Einnahmen bei weitem. Und selbst wenn die Politik zu einer Art Kyoto-Abkommen für Daten fähig wäre, die Ökonomen haben wenige Modelle in der Schublade, die das Problem lösen könnten. Wir können ja nicht Mal wirklich ausknobeln, ob Fernsehsender die Kabelnetzbetreiber für die Durchleitung bezahlen müssen oder die Kabelnetze den Content bezahlen sollten.
  • Die Netzneutralität ist in Deutschland längst unter Beschuss. Hat niemand gemerkt, was zum Beispiel die Telekom in Verbund mit Apple macht? Traffic wird teurer, weil man ein bestimmtes Endgerät benutzt. Bestimmte Services werden zentral und ohne Kontrolle verhindert. Dabei geht es alleine um Produzentenrente und Marktanteile, nicht etwa um Investitionen und Servicequalität.

Es gibt noch viele, viele weitere Aspekte, aber das soll an dieser Stelle für heute genügen.

Kontext ist radikal

Holly Bentley schreibt im britischen Guardian über Oliver Stones neustes Projekt: eine 10-Stunden-Dokumentation für Showtime, die mit den populären Irrtümern und Verfälschungen der Geschichte des 20. Jahrhunderts aufräumen soll.

The thrice-Oscar winning director gave a further glimpse into his thinking at a gathering of TV critics in Pasadena on Saturday, when he didn’t so much open up a can of worms as unleash an entire supermarket shelf-load. He began by startling the panel by bringing up the H word. „Hitler is an easy scapegoat throughout history and it’s been used cheaply,“ he said.

Eigentlich sollte das doch in Zeiten, in denen sogar Barack Obama von politischen Gegnern immer wieder faschistische Züge unterstellt werden, Konsens sein. Und eigentlich dachte ich, dass man den Namen Hitler aussprechen sollte, schließlich war er nicht Voldemort. Aber das ist offenbar nicht so. Bentley, die offenbar nur Informationen aus zweiter und dritter Hand zusammenfasst, hat den Sündenfall Stones direkt geortet:

Of the many potential storms that could be brewing over his Secret History, which will be broadcast by the cable channel Showtime later this year, Hitler promises to be the most incendiary. Stone told the Television Critics Association that „we can’t judge people as only ‚bad‘ or ‚good‘. [Hitler] is the product of a series of actions. It’s cause and effect. People in America don’t know the connection between WWI and WWII.“ The implication that Stone is seeking to put forward a good side of the German dictator hitherto not seen by Americans is, even by Stone’s own accomplished record of stirring up stinks, pretty radical.

Dass Hitler im Kontext ein besserer Hitler wäre, ist mir neu. Ich habe wären meiner Schulzeit und des Studiums Hitlers Aufspieg und Herrschaft aus soziologischer, politischer, wirtschaftsgeschichtlicher und sogar ein wenig aus juristischer Sicht kennen gelernt. Dieser Kontext hat keine „gute Seite“ aufgedeckt, aber einige Vorgänge einfacher zu verstehen gemacht.

Hoffentlich sieht Holly Bentley nie, was Guido Knopp und Konsorten so produziert haben.

Die untoten Webpiraten

Allen war es klar: Kaum ist die Bundestagswahl vorbei, werden alle Parteien ihre Aktivitäten im Social Web stark zurückfahren, die zur Schau gestellte Dialogbereitschaft wird sich – wie üblich – als leeres Wahlversprechen erweisen. Youtube-Kanäle verwaisen, Twitter-Accounts setzen Staub an, die dynamischsten Blogs werden plötzlich statisch. Doch von einer Partei hätte man das nicht erwartet: die Piratenpartei bleibt im Netz. Logisch. Schließlich ist das die Partei derer, die eh im Netz leben. Wo sollen sie auch sonst hin?

Tja, zumindest wäre das eine rationale Erwartung gewesen. Doch zu viel erwartet. Als heute drei Handvoll Piraten eine kleine Nackt Unterwäsche-Demo gegen Nackt- Körperscanner an drei Flughäfen starteten, erfuhr man als erstes auf Spiegel Online davon:

An mehreren deutschen Flughäfen will die Piratenpartei nach Informationen von SPIEGEL ONLINE am Sonntag um 14 Uhr gegen die Einführung der Nacktscanner protestieren. Dabei planen die Aktivisten, sich an den Sicherheitsschleusen der Flughäfen bis auf die Unterwäsche auszuziehen. „Unser Motto ist: ‚Ihr braucht uns nicht scannen – wir sind schon nackt'“, erklärte der Sprecher der Bundespartei, Simon Lange. Offen ließ er, an welchen Flughäfen und in welchen Städten die Aktionen genau stattfinden werden. Bislang hätten sich acht Landesverbände der Idee angeschlossen, sagte Lange.

Tja, 14 Uhr ist seit sechs Stunden Vergangenheit – wo erfahren wir nun mehr davon? Auf Piratenpartei.de? Nein, auf der Startseite herrscht Scheigen. Wie steht es mit dem Live-Portal, auf dem alle sozialen Aktivitäten gebündelt werden? Nichts, die neuesten „News“ stammen vom September. Im Piraten-Wiki, der Schaltstelle der vereinten Dezentralität? Nichts. Auf Twitter finden sich ein paar Links zu einer einzigen Fotogalerie einer der Aktionen – viel mehr ist man aber damit beschäftigt, die Twitter-Icons mit Piratenlogos zu verzieren. Warum soll man auch einen Bohei um eine Aktionsform machen, die ab 15 Grad Außentemperatur von jedem Ortsverein der Landjugend immer wieder gerne genommen wird?

Alles in allem wundert es kaum, dass die dpa bis zum Abend nur eine kleine Acht-Zeilen-Meldung zu Stande bringt, die alleine von 15 halbnackten Piraten am Berliner Flughafen weiß, aber nichts von den Schwester-Aktionen am Düsseldorfer und Frankfurter Flughafen.

Ob bei so viel Durchhaltevermögen die informierte Debatte in Form der liquid democracy große Überlebenschancen hat, darf bezweifelt werden.

PS: Gegen 21 Uhr hat die Piratenpartei eine Pressemitteilung ohne jegliche Information über die einfach messbare Teilnehmeranzahl auf ihre Startseite gestellt – und mal eben zwei Stunden vordatiert. Das kann die CDU auch.

Terrorinduzierte Endoskopie

Was passiert eigentlich, wenn der nächste Möchtegern-Terrorist Sprengstoff schluckt? Gibt es dann eine kostenlose Darmspiegelung am Flughafen? Bitte 24 Stunden vor dem Check-In nichts essen. Und ein Abführmittel nehmen.

Mal eine ganz wilde Verschwörungstheorie: Dass sich Umar Farouk Abdulmutallab die Hose anzündete statt den Sprengstoff über einen elektrischen Impuls zu zünden, war kein Versehen. Das Ziel war nicht, ein Flugzeug in die Luft zu sprengen – sondern eine neue sinnlose Sicherheitsmaßnahme einzuführen. Statt ins Flugzeug einzusteigen, können sich die 20 anderen Attentäter einfach in die langen Warteschlangen an den Flughafen auf der ganzen Welt stellen.

Blinder Briefkasten 2.0?

Heute morgen schlüpfte eine Phshing-Mail durch den Spamfilter: da versucht doch tatsächlich jemand, Packstation-Konten auszuspionieren und hat dafür sogar eine De-Domain registriert. Die Frage ist natürlich: was macht man mit einem Packstation-Account, wenn man die zugehörige Zugangskarte nicht hat?

PS: Danke für die Hinweise – es steht zwar nicht in den FAQ von DHL, aber man kann wohl Pakete auch ohne Kundenkarte abholen. Der Phisher hat im Erfolgsfall also eine prima Ausgangsbasis für Versandbetrügereien.