Testimonial

Heise berichtet über die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen empört-pubertären Netizens und überfordert-verstörten Politikern. Höhepunkt ist ein kurioses Statement von der SPD-Wirtschaftsreferent Eckhard Fischer.

Pädophile, die ihre Neigung bekämpften, würden dagegen der SPD danken, „da sie nun nicht mehr Gefahr laufen, versehentlich auf entsprechende Seiten zu stoßen“.

Danken die Pädophilen wirklich der SPD? Oder glaubt Herr Fischer lediglich, dass es Pädophile geben könnte, die so denken? Im ersten Fall können wir uns nach den „Piraten in der SPD“ wohl auf die Arbeitsgruppe „Pädophile in der SPD“ freuen. Ist bestimmt ein Renner im Wahlkampf.

Im zweiten Fall kann sich Herr Fischer nicht wirklich über die neue politischen Streitkultur der Heise-Forianer beschweren. Faktenfreie Polemiken kann heute halt jeder verbreiten.

Wacht auf, Gamer dieser Erde

So langsam erkennen auch die Computerspieler, dass sie kampagnenfähig werden müssen. Und sie lernen von den Mitteln, die im Kampf gegen das Zugangserschwerungsgesetz eingesetzt wurden.

So haben sie eine eigene E-Petition auf den Weg gebracht, die am ersten Tag schon beachtliche 7000 Mitzeichner gefunden hat, sie haben ihre eigene Leserbriefkampagne und auch ein eigenes Mem ersonnen, das allerdings auf Twitter bisher nicht wirklich einschlägt.

Welche Dynamik diese Kampagne erreichen wird, bleibt abzuwarten. Denn Spieler sind eine sehr junge Gruppe von Netizens, die sehr kommerziell organisiert ist. Und so überrascht es nicht, dass die Unterschriftenaktion zuerst von einer kommerziellen Spieleseite erdacht und promoted wurde und jetzt von der Turtle Entertainment weiter verfolgt wird.

Kostenloskultur

Nochmal zur Piratenpartei. Als ich mir gestern die Vorstellung der Vorstandskandidaten angehört habe, kam es bei allen wie aus einem Munde: Die Piratenpartei steht nicht für eine „Kostenlos-Kultur“! Solche Behauptungen in der Presse seien irreführende Verzerrungen.

Im gerade beschlossenen Wahlprogramm heißt es dazu:

Wir PIRATEN fordern für Privatleute ohne kommerzielle Interessen das Recht, Werke frei verwenden und kopieren zu dürfen. Der Einsatz von Maßnahmen, wie die DRM-Technologie oder ähnliche Kopierschutzmechanismen, die diese und andere rechtmäßige Nutzungen einseitig verhindern, soll untersagt werden.

Fassen wir zusammen: Alle sollen alles frei kopieren dürfen, sofern sie es nicht kommerziell machen. Den Unterschied zur „Kostenlos-Kultur“ sehen wohl nur die Piraten, die ein fortgeschrittenes Verständnis von Dialektik haben.

Ballast abwerfen

Es gibt gute und weniger gute Gründe über die Piratenpartei zu lästern – auf alle Fälle gibt es viele. Aber es gibt auch einige, die Piraten mit Interesse zu verfolgen.

Als Jörg Tauss heute nachmittag beim Bundesparteitag seine Rede mit „Liebe Piratinnen und Piraten“ begann, kam tatsächlich ein Zwischenruf: „Piraten sind geschlechtsneutral“. Ein erfrischender Ansatz um die Binnen-I-Debatte zu beenden, bevor sie Schaden anrichten kann.

Andererseits: Die Gender-Blindheit der Piratenpartei ist wohl damit zu erklären, dass sie eigentlich nur aus Jungs besteht. Und wenn doch ein paar Doppel-X-Chromosom-Träger vorhanden sind, gilt wohl das, was Terry Pratchett in „Feet Of Clay“ ungefähr so formuliert hat: „Das Geschlecht ist egal, solange Du Dich wie einer von den Jungs verhälst“.

Demonstrantenlob

Bernd Rürups Abschiedsvorlesung wurde gestört:

Welchen Zweck die Protestaktion hatte, wisse er nicht, sagte Rürup. Er vermute allerdings, dass ein Großteil der Demonstranten dem Deutschen Gewerkschaftsbund DGB angehöre. Das wiederholte Angebot einer Diskussion sei abgelehnt worden.

So weit, so normal.

Ein Demonstrant habe ihm später gesagt, er sei „argumentativ so gut“, dass man sich auf eine Diskussion nicht habe einlassen wollen, sagte Rürup.

Entweder waren die Demonstranten in Wahrheit vom INSM oder Rürup hat da was falsch verstanden.

Too much information

Ich habe die erste Pressemitteilung der Piratenpartei erhalten. Yay!

Berlin, 2.7.2009 – Der Landesverband Berlin der Piratenpartei traf sich gestern zu einem außerordentlichen Parteitag in der Karaokebar „Monster Ronson’s“ in Berlin-Friedrichshain.

Ahhhhja…. ist die Karaoke-Bar wirklich so wichtig?

Um die personell schnell anwachsende Partei intern zu strukturieren und zugleich ihre Unkonventionalität und Offenheit zu erhalten, bilden Piraten anstelle klassischer Bezirksverbände in Crews lokal gebundene, dynamische Einheiten. Medienpirat Aaron Koenig stellte das von den Aachener PIRATEN übernommene und leicht modifizierte Crew-Konzept vor, bei dem sich Piraten unter einem Schiffsnamen wie „die Flying Dutchmen“ oder „die Konrad Zuse“ unter einem Käpt´n und Navigator zusammenfinden.

OK. Karaoke-Bars und Promotion a la Jägermeister sind wohl doch eine wesentliches Element der Parteiarbei.

Benutzer kann Wiki

Im Wiki der Piratenpartei werden grade Kandidaten sortiert – bzw: sie sortieren sich selbst. Dazu setzen sie Mediawiki-Kategorien ein:

benutzerkannwiki

Die Schlüsselqualifikationen eines Piraten hierzulande haben sich doch sehr geändert.

Vor Ort mit Google Maps

Auslandskorrespondent müsste man sein. Am besten in den USA. Eintauchen in die kulturelle Weltmacht – in den Straßen des Big Easy, auf den Avenues des Big Apple, unter Orangenbäumen in der Stadt der Engel. Ja, wenn man in Los Angeles wäre, könnte man jetzt zum Beispiel direkt vor Ort dabei sein, wie Gerichtsmediziner Plastiktüten mit Medikamenten aus einer Luxusvilla schleppen oder die Nase rümpfen über die Boulevardreporter, die das so aufmerksam beobachten.

Ja, man könnte sein wie Gregor Peter Schmitz, der über die Klatsch-Webseite TMZ schreibt und zu diesem Anlass gleich bei der Zentrale des Klatsches vorbei gefahren ist – während wir in Deutschland auf den billigen Plätzen saßen und das Ganze per Glotze und Internet verfolgen mussten:

Als die Gründer der Internet-Seite TMZ ein Büro suchten, wurden sie im Westen Hollywoods direkt am Sunset Boulevard fündig. Hier bietet sich dem jungen angesagten Traumfabrik-Menschen alles, was er braucht: noble Nightclubs wie die „Hyde Lounge“, schicke Sonnenbräunungsstudios – und Fitness-Center mit dem schlichten Namen „Crunch“, was frei übersetzt nahelegt, den eigenen Körper für die perfekte Figur ordentlich in die Zange zu nehmen.

Dieses Stimmungsbild konnte Schmitz nur einfangen, weil er eben vor Ort ist – am Puls des Geschehens. Warum er nicht aus dem Auto gestiegen ist, um mit den TMZ-Redakteuren zu reden und stattdessen nur ein paar Presseberichte zitiert, ist allerdings rätselhaft.

Aber was soll nur der Neid? Muss ich mich halt selbst nach L.A. begeben und mir das Ganze anschauen. Das TMZ-Büro, den Fitness-Club Crunch, die Hyde Launch und die vielen Sonnenstudios im verregneten Kalifornien.

Irgendwie habe ich ein Déjà-vu.