Keine Angst vor Craigslist

Seit zwei Wochen gibt es Craigslist auf Deutsch. Mit hohen Erwartungen.

Grund genug, sich das Angebot für Köln mal genauer anzusehen. Fast eine Million Einwohner, Zigtausende von Studenten, viele Medien-Menschen, da muss Craigslist doch brummen. In Nullkommanichts.

Was haben wir denn da? In der ersten Rubrik Communities Allgemein finde ich tatsächlich vier Anzeigen. Zwei Mal Spam eines Medikamentenvertriebs, einmal Werbung für eine wahnsinnig tolle Community, und eine Bitte, an einer Online-Umfrage der Jacobs-University in Bremen teilzunehmen. Sicher. Gerne.

Okay, vielleicht ist diese Rubrik wenig ansprechend, weil sie zu allgemein gestaltet ist. Schauen wir mal bei den Immobilien rein. Büro/Handel: nichts. Nada.
Ferienwohnungen fünf Angebote seit dem Deutschland-Start, davon nur eines mit Kölner Ferienwohnungen – aber ohne konkrete Angebote. Bei den Wohnungsangeboten gibt es drei Anzeigen: zwei Wohnungen und ein Vermittlungsservice, der als ersten Schritt die Erstellung eines Kredit-Profils empfiehlt.

Okay, das war wieder nichts. Sind die Subprimes schuld? Vielleicht hat Craigslist bei menschlicheren Bedürfnissen seine Stärken? In der Rubrik Sie sucht ihn wartet seit einem Monat eine 59jährige Kalifornierin auf einen Deutschen, der zu ihr nach Südkalifornien zieht. Und eine 45jährige Amerikanerin, die temporär in Köln wohnt, sucht sozialen Anschluss samt Sprachnachhilfe. Niedlich: Statt Sülz, schreibt sie „Solz“. Eine amouröse und orthografische Herausforderung.

Bei der in Köln sicher klischeehaft beliebten Rubrik Er sucht ihn sieht es nicht besser aus: Ein Kanadier möchte einen „german bottom boyfriend“, ein Athletic Bi Student sucht „nsa fun“. Ob er gemeinsam Telefone abhören will?

Lange Rede, kurzer Sinn: die deutschen Medien haben nicht allzu viel zu befürchten. Bis die Anzahl der echten Anzeigen den nutzlosen Spam überwiegt, dauert es wohl noch eine ganze Weile. Es reicht halt doch nicht lieblos eine deutsche Sprachversion zusammenzustoppeln, um den Markt aufzurollen.

Den Bürger über’s Knie gelegt

Ein sehr lesenswertes Interview Ex-Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem über Medien, Internet und die innere Sicherheit:

Hoffmann-Riem: Da habe ich überhaupt nicht den Eindruck, dass der Staat stärker geworden ist. Stärke heißt für mich, dass er in der Lage ist, die Probleme mit geringst möglichen Nachteilen zu bewältigen. Er hat viele neue Instrumente, aber noch nicht gelernt, sie so einzusetzen, dass mit geringster Beeinträchtigung der Bürger ein größtmöglicher Erfolg eintritt. Wenn ein Vater seinen Sohn schlägt oder ein Staat seine Bürger übermäßig beeinträchtigt, ist das für mich Machtausübung und keine Stärke.