Nachtrag: Atze Schröder

Vorgestern habe ich über die juristischen Auseinandersetzungen über den bürgerlichen Namen des TV-Comedians Atze Schröder berichtet. Die kuriose Situation: Obwohl die Pressekammer des Landgerichts Hamburg dem Comedian eine eindeutige Abfuhr erteilt hat, liegt dort kein Urteil zur Sache selbst vor.

Ein solches Urteil liegt hingegen in Berlin vor. Das Landgericht Berlin bewertet die selbst gewählte Anonymität des TV-Prominenten als höchst schützenswert und hat einem Bremer Zeitungsverlag per Einstweiliger Verfügung verboten, den öffentlich längst bekannten Namen zu erwähnen. Dieser Verlag hat nun die juristischen Waffen gestreckt und will nicht länger gegen das Urteil vorgehen.

Sprich: die Rechtssicherheit wird es auf absehbare Zeit nicht geben, bis sich mal wieder ein Verlag sich entschließt elementare Arbeitsgrundlagen auch juristisch zu verteidigen. Privatsphäre in allen Ehren, aber wenn schlichtweg jeder öffentlich bekannte Fakt mit diesem Argument weggeklagt werden kann, können Journalisten nicht mehr ernsthaft über solche Personen berichten. Denn im Nachhinein kann irgendein Detail eines Berichts ja wieder Grund für Klagen und Einstweilige Verfügungen werden.

FAS probiert Open-Source-Journalismus – und keinen interessiert’s

Die Wissenschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat ein Blog aufgemacht: Planckton. Dort eifert man kurz nach dem Start dem Vorbild einiger US-Medien nach: die Redaktion stellt einen Artikel vorzeitig online und gleichzeitig zur Diskussion. Doch es scheint niemanden zu interessieren. Bisher.

Woran liegt’s? Vielleicht hätte die Redaktion besser die Plattform FAZ.Net gewählt. Dort gibt es nämlich schon eine Userbasis und der Leser muss sich nicht bei einer schmucklosen WordPress-Installation separat anmelden, um sich zu äußern. Eventuell wären die Leserautoren auch etwas motivierter, wenn sie nicht nur „mit Glück“ in die Print-Ausgabe gelangen, sondern wenn man sich tatsächlich für deren Meinungen und Eindrücke interessiert. Vielleicht hätte man auch besser eine nicht ganz so winzige Schrift gewählt, die die spannendste Reportage in eine Bleiwüste verwandelt. Trommeln gehört natürlich auch zum Handwerk. Aber wahrscheinlich wird das ja in der nächsten Ausgabe der FAS nachgeholt – der vorgestellte Text soll nämlich erst in der übernächsten Ausgabe erscheinen.

PS: Nachdem der Registrierungszwang abgeschafft wurde, sprudeln die Kommentare inzwischen. Die Unterstützung durch FAZ.Net hat wohl auch beigetragen.

Wozu man Europol braucht

Europa wächst zusammen. Doch jeder Krimi-Fan weiß: wenn es um lebenswichtige Informationen anderer europäischer Behörden geht, dauert es mindestens ein paar Wochen. Und das organisierte Verbrechen lacht.

Aber das ist nur ein Klischee: die Schweden arbeiten mit deutschen und spanischen Behörden vorbildlich zusammen, wenn es darum geht herauszufinden, wer Alkohol per Internet bestellt hat:

The National Tax Board of Sweden (Skateverket) has begun demanding payment from around 6,000 people who failed to pay tax on alcohol purchased over the internet. They will also be faced with a late payment fine of 1,000 kronor ($142) for each order.

[…]

The board tracked down the non-payers by contacting Spanish and German authorities and requesting them to gather order lists from a number of companies selling alcohol online.

Der Wikipedia-Mord

In einem US-Blog habe ich Stoff für einen Krimi gefunden: Ein Familiendrama wird anonym in der Wikipedia gemeldet, bevor die Polizei die Medien informiert hat. War es gar der Täter selbst?

Here’s quite an amazing edit on Wikipedia, in which an anonymous person, editing from the IP address 69.120.111.23, modifies the article on Chris Benoit to read “However, Chris Benoit was replaced by Johnny Nitro for the ECW Championship match at Vengeance, as Benoit was not there due to personal issues, stemming from the death of his wife Nancy” (editing addition in italics). In case you hadn’t yet heard, Chris Benoit was a WWE wrestler who pumped his seven-year-old son full of non-prescription hormones for several weeks, then killed his wife and his son in a murder-suicide. This edit to Wikipedia was a full half day before these horrific events were reported by police to the media.

So who was anonymously editing the article with information that wasn’t known to the public yet? Chris Benoit himself? One of those friends that he sent text messages to after killing his family but before offing himself? Another edit an hour later by a different anonymous IP address, 125.63.148.173, reveals more information, modifying the article to read “However, Chris Benoit was replaced by Johnny Nitro for the ECW Championship match at Vengeance, as Benoit was not there due to personal issues which according to several pro wrestling websites is attributed to the passing of Benoit’s wife, Nancy” (addition in italics).

Meiner Meinung nach ist dem Blog-Autoren die Fantasie durchgegangen, es gibt viele recht unspektakuläre Erklärungen für Informationslecks. Aber die Idee an sich ist nicht ohne.

Wäre das etwas für unsere Tatort-Kommissare in Münster? Ein ungelöster Mord an einem B-Prominenten, die Vollzugsmeldung in der Wikipedia. Herr Börne ist ja halbwegs fit am Laptop – und in Münster gibt es sicher einen Wikipedia-Stammtisch voller Verdächtiger. Der etwas tollpatschige Kommissar Bulle könnte sich gar als Internet-Junkie outen.

PS: Wie vermutet hat sich die Mörder-Story als harmlos entpuppt.

Ich und ich

Manche Leute. Ich kann Dir sagen: wenn Du nochmal den selben Typ hättest und würdest die beiden in das gleiche Zimmer sperren – es gäbe Mord und Totschlag.

Ich bin in mich gegangen und habe entdeckt: Ich käme eigentlich ganz gut mit mir aus. Vorausgesetzt natürlich, der andere Torsten räumt auf.

Microsoft hinkt fünf Jahre hinterher

Letzte Woche hat der Microsoft-Europa-Chef auf dem Kölner Medienforum verkündet, wenn die Schule weiter auf Tafel und Kreide setze, würden die Schüler in vier bis fünf Jahren nicht mehr zuhören.

Heute bekam ich eine Email, in der sich ein Schüler berschwerte, dass er wegen des Theme-Wechsels nebenan mein Blog nicht mehr im Unterricht auf seinem Nokia-Communicator lesen könne.

Schlussfolgerung: Microsoft hinkt der Entwicklung vier bis fünf Jahre hinterher.

Typisch deutsches Wort?

Letztens unterhielt ich mich mit einer Amerikanerin über typisch deutsche Wörter. In einem Blog hatte sie zum Beispiel das Wort Warzenhof gefunden. Typisch deutsch? Na, ich weiss nicht.

Viel hübscher ist da doch die Wortkreation der IFPI, die mir heute in die Inbox flatterte: Chartreform.

Aktenzeichen StudiVZ

In Trier wird eine Studentin vermisst. Eben lese ich, dass Tausende von Studenten einer entsprechenden Gruppe in Studivz beigetreten sind und Such-Flyer an allen deutschen Universitäten verteilen.

Wenn man sich jedoch die Kommentare zu diesem Blogbeitrag ansieht, findet man das nicht mehr wirklich toll. Trolle posten Personenbeschreibungen wie aus einem schlechten ZDF-Krimi, andere fallen auf den blöden Scherz rein, die Personenbeschreibung wird mehrfach hintereinander gepostet und man echauffiert sich über die auf, die sich demonstrativ nicht an der Suche beteiligen.

Tut mir leid, aber Aktenzeichen XY kann nicht schlimmer sein.

Geklaute Wette – Big Deal

Ein Komiker beansprucht Urheberschaft an einer doofen Wetten-dass-Wette. Big Deal.

Wer erwartet von „Wetten Dass…?“ denn echte originelle Herausforderungen? Diverse Denksport-Wetten konnte ich damals noch am Bildschirm lösen. Ich erinnere mich an eine Schülerin, die erstaunlicherweise vielstellige Zahlen in Potenzen von dreistelligen Zahlen ausdrücken konnte. Dabei war dabei nichts furchtbar Besonderes, mit ein paar Grundregeln und etwas Zahlengedächtnis ist das kein Problem. Wenn das vorgegebene Ergebnis mit einer 5 endet, endet natürlich auch die gesuchte Basiszahl mit 5. Endet das Ergebnis auf 9, ist die letzte Ziffer der Basis entweder eine 3, 7 oder eine 9. Wenn man dann noch ungefähr weiß, in welche Größenordnung einige Potenzen liegen, kann man kaum falsch liegen.

Verpasste Praxisübung im angewandten Journalismus

Stefan Niggemeier berichtet eine neue Episode aus dem Wirken des enfant terrible der deutschen Blogosphäre Don Alphono: Kurz zusammengefasst: Der Blogger und Journalist wird zu einem Vortrag in vor Leipziger Journalistikstudenten eingeladen, lästert dort kräftig über Journalisten. Als sich die Studenten jedoch ein Beispiel am Stil ihres Referenten nehmen und in ihren eigenen Weblogs über den Vortrag berichten, reagiert der unsouverän, droht sogar mit Klage.

Ich habe keine Zeit, die Episode ausführlich nachzurecherchieren – aber angesichts der bei Stefan Niggemeier zusammengetragenen Fakten würde ich schätzen: die Journalismus-Studentin hatte recht – zumindest hatte sie kaum justiziabel unrecht. Was hätte also näher gelegen, den Fall durchzufechten? Natürlich mit Unterstützung der Universität und deren angestellten Justiziaren. Die eigenen Beiträge auf Fehler überprüfen. Die Abmahnung oder die Gegendarstellung abwarten, anhand Presserecht analysieren und demnach handeln. Wo bleibt der Professor, der den Referenten geladen hat und sehr wohl gehört hat, was der den Studenten gesagt hat? Wie will eine Uni Journalisten ausbilden, wenn die Lehre darin besteht vor Drohungen einfach wegzulaufen, einzuknicken?

Eine verpasste Chance.

(Kleine Anmerkung. Zu meiner Zeit hätte man als Schüler der Journalistenschule nur mit Ausnahmegenehmigung der Schulleitung bloggen dürfen. Wenn es damals denn Blogs gegeben hätte.)